Pistazien kennt der Mensch schon seit über 9000 Jahren. Einige Länder feiern sogar jedes Jahr am 26. Februar den Tag der Pistazie. In Tadschikistan sind Pistazien nicht nur eine der beliebtesten Delikatessen, die Einwohner kennen die Pflanze auch dank der mehr als 78 Tausend Hektar Pistazienwälder. Zeit, der „lachenden Nuss“ einmal auf ihren grün-roten Zahn zu fühlen!
Anstelle einer Wurzel eine echte Hydropumpe
Pistazienbäume wachsen auf steinigen, kargen Böden. Sie lieben die Sonne, und trotzen der Trockenheit genauso wie strengen Kälteperioden. Um unter solch harten Bedingungen zu überleben und dem Boden die für das Wachstum notwendigen Nährstoffe zu entziehen, entwickeln die Bäume ein kräftiges Wurzelsystem, das tief in die Erde vordringt. In die Höhe wachsen die Pflanzen bis zu fünf Meter, in seltenen Fällen sogar bis zu zehn.
Das groß angelegte Wurzelsystem besteht aus zwei Teilen. Der obere der beiden zieht Wasser aus den höher liegenden Schichten des Bodens. Sind die Feuchtigkeitsreserven dort erschöpft, aktivieren die Wurzeln ihren unteren Teil und verwandeln sich in eine wahrliche Tiefbrunnenpumpe. Dieses zweistöckige System erstreckt sich über 25-40 Meter und reicht 12-15 Meter tief in den Boden.
Da die Pistazienbäume eher durch ihre Wurzeln als durch ihre Kronen miteinander verflochten sind, pflanzen die Bauern sie in einem Abstand von mindestens fünf Metern.
Ein nicht ganz ungefährlicher Eigenbrötler
Natürliche Pistazienwälder sind sehr selten, da die Bäume fast immer allein wachsen. Ihre Blütezeit beginnt im April, in manchen Regionen auch schon im März. Ihre Früchte tragen die Pistazienbäume je nach Art und Sorte im Alter von 8-15 Jahren.
Das Besondere an diesen (umgangssprachlichen) Nüssen, oder botanisch korrekt „Steinfrüchten“, ist, dass sie sowohl auf Sträuchern als auch auf Bäumen wachsen können, die wiederum sowohl immergrün als auch sommergrün sein können.
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Die Pistazienernte erweist sich als nicht ganz ohne: Wer sich in der Nähe eines Pistazienbaums aufhält, der ist ganz schön wagemutig. Denn ihm könnte nicht nur schwindlig werden, er könnte sogar in Ohnmacht fallen. Woran das liegt? Die Blätter des Pistazienbaumes setzen laut Biologen ätherische Öle frei, wenn sie dem Sonnenlicht ausgesetzt sind. Aus diesem Grund findet die Pistazienernte meist in der Nacht statt. Ob das wohl mit der alten persischen Legende zusammenhängt, nach der Liebende, die sich bei Vollmond unter einer sich gerade öffnenden Frucht treffen, auf ewig glücklich sind?
Ist’s ein Mädel oder ein Bub?
Auf Märkten und Saatgutmessen fragen Käufer ihre Verkäufer oft: „Mädchen oder Junge?“ Ein Laie, der das hört, wird sich fragen: „Geht’s da etwa um ein brandneues Aphrodisiakum?“
Unsinn – es geht darum, dass Pistazienblüten zweihäusig sind, also männliche und weibliche Blüten auf unterschiedlichen Bäumen wachsen. Um Pistazien zu kultivieren, braucht es also immer zwei. Die männlichen Bäume lassen ihre Pollen über den Wind zu bis zu 30 weiblichen Bäumen tragen. Ist diese räumliche Nähe beider Blüten nicht gegeben, erfolgt die Befruchtung durch die in der Industrie verbreitete Methode des Pfropfens.
Diese so genannte Verschiedenfrüchtigkeit der Pflanze wird zur Blütezeit im März/April sichtbar: Während die männlichen Bäume rosa-gelbliche, rispenförmig angeordnete Früchte herausbilden, tragen die weiblichen ihre Früchte in quastenartigen Ansammlungen.
Die Haupterzeuger
Jährlich werden weltweit zwischen 1 und 2 Millionen Tonnen Pistazien produziert. Der größte Teil stammt dabei mit 400 Tausend Tonnen aus den USA. Danach folgt der Iran mit 350 Tausend Tonnen. An dritter Stelle steht die Türkei mit 200 Tausend Tonnen. Weitere Produzenten und Exporteure sind China, Griechenland, Syrien und Italien.
Tadschikistans Nachbarn – Afghanistan, Usbekistan, Kirgisistan und Turkmenistan – exportieren bis zu 2 Tausend Tonnen Pistazien pro Jahr. In Zentralasien erfolgt der Großteil des Anbaus allerdings für den Eigenbedarf.
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Zwar kommen die meisten Pistazienarten aus dem Iran und der Türkei. Doch auch Tadschikistan hat eine Reihe wirtschaftlich wertvoller Sorten gezüchtet, die denen im Ausland bekannteren Industriesorten qualitativ in Nichts nachstehen. Unter diesen tadschikischen Sorten finden sich unter anderem die dicken Orsu-Pistazien, die besonders haltbaren Albina-Pistazien und die sogenannte Bergperle, die ihrem Namen durch ihre außergewöhnliche Immunität gegenüber Schädlingen alle Ehre macht. Ihr Anbau findet in den Ausläufern des süd-westlich gelegenen Oblast Chatlon auf regengespeisten Flächen in einer Höhe von 1100-1500 Metern über dem Meeresspiegel statt, sowie im bewässerten Talanbau in den Rajons Qudodijon, Schahritus und Pandj.
Kein schlechtes Geschäft
Ein Pistazienhain ist eine vielversprechende Investition, immerhin werden die Bäume für die nächsten 400 Jahre Früchte tragen.
Statistiken zufolge werden in Tadschikistan Pistazien auf einer Fläche von etwa 80 Tausend Hektar angebaut. Über die tadschikische Ernte des grünen Golds verraten die Statistiken jedoch nichts weiter, denn die Pistazie wird hauptsächlich in Waldbetrieben, also in wilder Form, kultiviert. Echte Pistazienplantagen gibt es hier nicht.
Experten sehen in Tadschikistan aufgrund der bereits vorhandenen Pistazienwälder und nicht zuletzt dem pistazienfreundlichen Klima ein großes Potenzial für mehr industriellen Anbau. Denn dieser winkt mit einem hohen wirtschaftlichen Nutzen, und zwar für Mensch und Umwelt: Als trockenheitsresistente Kulturpflanze mit kräftigem Wurzelsystem schützt die Pistazie den Boden vor Erosion und stärkt seine Struktur. Dies kommt besonders Menschen zugute, die in trockenen Vorgebirgsregionen leben, wo außer dieser Nusspflanze kaum eine andere Baumart ohne zusätzliche Bewässerung gedeihen kann.
Doch die Pistazie ist nicht nur ein Geschenk für ihre Umwelt, sie ist auch lukrativ: Ökonomen haben errechnet, dass der Gewinn aus ihrem Anbau 28-mal höher ist als der von Erbsen, neun Mal höher als der von Melonen und 50-mal höher als der von Weizen.
Wo Pistazie draufsteht, da ist auch Persien drin
Dem islamischen Historiker und Theologen Abū Dschaʿfar Muhammad ibn Dscharīr at-Tabarī zufolge sind Pistazien schon seit Urzeiten bekannt:
„Es heißt, Gott hätte Adam, als dieser nach seiner Vertreibung aus dem Paradies auf der Erde landet, 30 Arten von Nahrung gegeben: zehn Arten von Schalenfrüchten, zehn Arten von Steinfrüchten und zehn Arten von kernlosen Früchten. Zur ersten und zweiten Gruppe gehören auch Nüsse, Mandeln und Pistazien.“
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Als Heimat der Pistazie gilt neben Zentralasien auch das Gebiet des heutigen Irans. Kaum verwunderlich, ist die Landschaft von Teheran bis Almaty doch geprägt von langen Trockenperioden, dem Lieblingsklima der Pistazie. Aus der persischen Sprache leitet sich auch ihr Wortstamm pistag ab. Im alten Persien wurde die königliche Nuss auch als Zahlungsmittel verwendet. Europäischen Boden berührte die Pistazie erstmals im heutigen Griechenland, als Alexander der Große 300 Jahre vor Christus von seinem Eroberungsfeldzug durch Asien zurückkehrte. Sogar sprachlich ist diese Migration nachvollziehbar: So wurde das persische Wort pistag im Griechischen zu pistake und erhielt erst über die Römer, später über den florierenden Handel zur Zeit der Seidenstraße Einzug in viele weitere Sprachen und Küchen. Ihren Ruf als kostbarer Gaumenkitzel legte die Pistazie vor nicht allzu langer Zeit ab. So begann der industrielle Anbau an den Hängen des Ätna erst im 19. Jahrhundert, bevor hundert Jahre später schließlich die USA mit ihren kalifornischen Plantagen zur massenhaften Verbreitung der Pistazie als Snack beitrugen.
Doch an symbolischem Wert hat die Pistazie trotz Kommerzialisierung bis heute nicht eingebüßt: Denn was erhalten Nobelpreisträger bei der Preisverleihung neben einer Flasche Champagner? Die Antwort ist klein und grün und knackig. Drei Eigenschaften, die die USA, die Türkei und Spanien für so ehrenwert hielten, dass sie der Pistazie sogar Denkmäler bauten.
Sajfiddin Karaew für Asia-Plus
Übersetzer für Novastan, Arthur Siavash Klischat
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