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Usbekistan verabschiedet Gesetz über „unerwünschte Ausländer“

Das Unterhaus des usbekischen Parlaments hat auf die kontroversen Äußerungen russischer Nationalisten reagiert, indem es für einen Gesetzentwurf stimmte, der die Ausweisung und das Aufenthaltsverbot für „unerwünschte Ausländer“ ermöglicht. Viele Medienschaffende befürchten Missbrauch und Fehlinterpretationen.

Usbekistans Parlament hat ein Gesetz über "unerwünschte Auslander" verabschiedet, Photo: Dilshod Akbarov / Wikimedia Commons

Das Unterhaus des usbekischen Parlaments hat auf die kontroversen Äußerungen russischer Nationalisten reagiert, indem es für einen Gesetzentwurf stimmte, der die Ausweisung und das Aufenthaltsverbot für „unerwünschte Ausländer“ ermöglicht. Viele Medienschaffende befürchten Missbrauch und Fehlinterpretationen.

Am 25. Juni hat das Unterhaus des Oliy Majlis, des usbekischen Parlaments, in zweiter Lesung einen Gesetzentwurf zur Änderung des Gesetzes „Über den rechtlichen Status von ausländischen Bürgern und Staatenlosen in der Republik Usbekistan“ angenommen. Der Pressedienst des Parlaments hatten den Entwurf einige Tage zuvor bereits angekündigt.

In der Mitteilung war die Rede von „der Notwendigkeit, neue Maßnahmen zum Schutz der Souveränität und territorialen Integrität Usbekistans unter den modernen Bedingungen der Globalisierung einzuführen.“ Der Gesetzentwurf orientiert sich an ähnlichen Gesetzen, die in Kasachstan, Aserbaidschan, Russland, Polen, Belarus oder auch China in Kraft sind.

Mehrere Kriterien können einen ausländischen Staatsbürger als „unerwünscht“ einstufen: Wer Aussagen macht oder Handlungen begeht, die der staatlichen Souveränität, der territorialen Integrität und der Sicherheit Usbekistans widersprechen, zwischenstaatliche, soziale, nationale, rassische oder religiöse Feindschaft schüren oder die Ehre, Würde oder Geschichte des usbekischen Volkes erniedrigen, kann ausgewiesen werden und darf sich nicht in Usbekistan aufhalten.

Verlässt die Person das Land nicht selbst innerhalb von zehn Tagen nach der Benachrichtigung durch das Außenministerium, kommt es zur Zwangsausweisung der für unerwünscht erklärten Person. Fünf Jahre gilt das Einreiseverbot für das usbekische Hoheitsgebiet. Gleichfalls ist es verboten, ein Bankkonto zu eröffnen, Immobilien zu kaufen, sich an der Privatisierung von Staatseigentum zu beteiligen oder sich am wirtschaftlichen Geschehen des Landes zu beteiligen.

Erst erwägt ein russischer Politiker die Annexion Usbekistans…

Einige Monate zuvor hatten Äußerungen mehrerer russischer Politiker und Kulturschaffender in Usbekistan für Aufruhr gesorgt. Der russische Duma-Abgeordnete Evgenij Fjodorow hatte im September 2023 erklärt, dass sich die 14 Republiken unrechtmäßig abgespalten hätten [beim Zerfall der Sowjetunion, Anm. d. Red.]. Ein Konflikt mit Russland sei folglich nur eine Frage der Zeit. Der Vizepräsident des Unterhauses des Parlaments in Taschkent, Odiljon Tajiyev, reagierte ironisch, indem er Fjodorows Aussage als „sehr originell“ bezeichnete. Das berichtet das usbekische Medium Kun.uz. Auf einer Pressekonferenz in Moskau im Dezember letzten Jahres bezeichnete der nationalistische Politiker und Schriftsteller Sachar Prilepin dann den Zerfall der Sowjetunion als „illegal“. Auch er sprach offen über die Annexion Usbekistans. Kun.uz berichtete, dass er die Annexion aller Länder, die Arbeitsmigranten nach Russland entsenden, befürworte.

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„Ich plädiere dafür, dass diese Gebiete, aus denen die Arbeitsmigranten kommen, annektiert werden und die russische Sprache vor Ort gelehrt wird. Nicht hier, sondern dort, also beispielsweise in Usbekistan“, sagte Prilepin, Vize-Vorsitzender der Partei ‚Patrioten für die Wahrheit und ein gerechtes Russland‘. „Zwei Millionen Ihrer Bürger befinden sich auf unserem Territorium, wir haben einen Anspruch auf Ihre Gebiete. […] Wer soll uns nach der Siegesparade (in Kyjiw) daran hindern, weiter auf das eurasische Territorium zu ziehen? Niemand“, fügte er hinzu.

Taschkent bestellte daraufhin den russischen Botschafter in Usbekistan, Oleg Malginow, zur Erklärung ein. Das russische Außenministerium antwortete, dass Prilepin nur sich selbst und keinesfalls die offizielle Position der Russischen Föderation vertrete, so das usbekische Medium Daryo.

… dann spricht ein russischer Historiker dem usbekischen Volk seine Geschichte ab

Im Januar dieses Jahres erklärte der russische Historiker Michail Smolin in einer Fernsehsendung anlässlich des 100. Todestages von Lenin, dass das usbekische Volk keine Geschichte habe. Dies berichtete Daryo. „Vor der Revolution (1917) gab es keine Aserbaidschaner, Usbeken oder Kasachen. […] Die Entscheidungen, die die Bildung von Nationen beeinflussen, sind willkürlich. Die Usbeken zum Beispiel existierten vor der Revolution nicht. Nicht einmal der Name existierte. Sie nahmen Usbeken aus verschiedenen zentralasiatischen Nationen und daraus schufen sie eine Nation“, so der Historiker.

Auch hier reagierte das russische Außenministerium und betonte, dass Smolins Aussagen „rein subjektiver Natur“ seien und nichts mit der historischen Realität zu tun hätten, berichtete Uzdaily.uz.

Alisher Qodyrov, ein weiterer Vizepräsident des Unterhauses, bezeichnete Smolin als „geschichtsvergessenen Historiker“, wie Daryo berichtete. „Die Turkvölker existieren seit 3.000 Jahren, ihr usbekischer Zweig, der der Karluken, ist sogar einer ihrer mächtigsten. Ein durchschnittlich gebildeter Mensch weiß das oft nicht“, betonte er. Bevor er grinsend hinzufügte: „Aber wenn ein Historiker das nicht weiß, sollte man ihn getrost ignorieren.“

Ein usbekischer Abgeordneter dreht den Spieß um

Der Abgeordnete konterte, es sei dringlicher, über den Stellenwert und den Unterricht der russischen Sprache in Usbekistan nachzudenken. Seiner Meinung nach würde die russische Sprache dort „unverhältnismäßig viel“ verwendet, obwohl die Russen in dem Land kaum 3 Prozent der Bevölkerung ausmachen. Bereits 2020 war der Gebrauch des Russischen in der usbekischen Verwaltung Gegenstand einer heftigen Debatte gewesen.

„Dieses Ungleichgewicht muss korrigiert werden“, betonte Alisher Qodyrov. „Erstens müssen wir die Schulbildungsnorm in das Gesetz aufnehmen, und zweitens müssen wir damit beginnen, Fernsehkooperationen aufzubauen, und zwar mit unseren kasachischen, aserbaidschanischen, kirgisischen, turkmenischen, türkischen und tadschikischen Brüdern.“ Abschließend ging er noch auf die seiner Meinung nach bestehende Notwendigkeit ein, eine gemeinsame zentralasiatische Front zu bilden: „Eine wichtige Konsequenz aus unserer Erfahrung als Staat ist, dass wir wieder zu Sklaven des Unterdrückers werden, wenn wir uns gegenseitig bekämpfen“.

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Wie vom Gesetzgeber vorgelegt, zielt der im Juni verabschiedete Gesetzentwurf „darauf ab, die staatliche Souveränität, territoriale Integrität und Sicherheit Usbekistans zu stärken, die zwischenstaatliche, interethnische und interreligiöse Harmonie im Land zu schützen und die Achtung der Ehre, der Würde und der Geschichte des usbekischen Volkes zu gewährleisten“.

Bedenken über die Auslegung des Gesetzes

Es gibt jedoch auch Stimmen, die befürchten, dass das Gesetz missbraucht wird, um gegen Journalisten und gesellschaftliche Aktivisten vorzugehen. Am 5. Juli prangerten rund 30 Organisationen in einer gemeinsamen Erklärung „eine eklatante Verletzung der internationalen Standards für Meinungsfreiheit“ sowie „eine ernsthafte Gefahr der Isolierung des Landes“ an. Im gleichen Atemzug riefen sie den usbekischen Präsidenten Shavkat Mirsiyoyev dazu auf, sein Veto einzulegen.

In der Mitteilung wurde darauf hingewiesen, dass in den letzten Jahren mehrere ausländische Forscher, Journalisten und Aktivisten, darunter einige usbekischer Herkunft, aus dem Land ausgewiesen worden waren. Einige von ihnen hatten jahrelang problemlos nach Usbekistan reisen können.

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Bis zum Tod des ehemaligen Präsidenten Islom Karimov im Jahr 2016 galt Usbekistan als eines der am stärksten abgeschotteten Länder der Welt. Während der 25 Jahre seiner Präsidentschaft hatte Usbekistan unter anderem das sowjetische System der internen und externen Migration beibehalten. Gleichzeitig sorgte er für große Umwälzungen, indem er die Zwangsarbeit bei der Baumwollernte schrittweise abschaffte und deren Produktion schließlich vollständig liberalisierte.

Fast acht Jahre nach seiner Machtübernahme macht sich im „Neuen Usbekistan“ jedoch eine härtere Gangart bemerkbar. Oppositionelle Demonstrationen sind nach wie vor verboten, und als die Polizei 2022 die Demo in Karakalpakstan tödlich niederschlug, klang es wie ein Echo des Massakers von Andijon im Jahr 2005. Auf der von Reporter ohne Grenzen (ROG) jährlich erstellten Rangliste der Pressefreiheit 2024 fiel Usbekistan deutlich zurück, von Platz 137 auf Platz 148 von 180 Ländern.

Eleonore Darasse für Novastan

Aus dem Französischen von Arthur Siavash Klischat

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