ENTSCHLÜSSELUNG. Saida Mirziyoyeva, Tochter des usbekischen Präsidenten Shavkat Mirziyoyev, ist Ende August zur Leiterin der Präsidialverwaltung ernannt worden. Sie ist damit die zweitwichtigste Person in der Verwaltung. Die Ernennung ist ein weiteres Zeichen dafür, dass der Aufbau von Mirziyoyevs „Neuem Usbekistan“ nicht rund läuft. Vielmehr weckt sie Erinnerungen an die altbekannte Vetternwirtschaft.
Die älteste Tochter von Usbekistans Präsidenten Shavkat Mirziyoyev ist zu einer seiner engsten Mitarbeiterinnen geworden. Am 28. August gab die Präsidialverwaltung bekannt, dass Saida Mirziyoyeva zur Assistentin des Präsidenten ernannt worden ist.
Laut Quellen von Radio Ozodlik, dem usbekischen Dienst von Radio Free Europe, ist sie somit faktisch die Leiterin der Präsidialverwaltung und die „politische Persönlichkeit Nummer zwei“ in der Verwaltung.
Unterstützt Novastan – das europäische Zentralasien-Magazin
Als vereinsgetragene, unabhängige Plattform lebt Novastan vom Enthusiasmus seiner ehrenamtlichen Mitarbeiter:innen – und von eurer Unterstützung!Obwohl ihre politische Karriere erst vor relativ kurzer Zeit begonnen hat, ist Saida Mirziyoyeva kein Neuling in der politischen Landschaft Usbekistans. Vielmehr wurde sie durch die Repräsentation des Landes im Ausland, die Teilnahme an offiziellen Besuchen und Veranstaltungen auf ihre neue Rolle vorbereitet. Auch ihr öffentliches Image wurde sorgfältig gepflegt.
Ein kometenhafter Aufstieg
Als Assistentin des Präsidenten werde sie für Informationspolitik und die Untersuchung der öffentlichen Meinung zuständig sein, berichtet Current Time, ein Sender von Radio Free Europe. Sie soll außerdem den Fortschritt der Reformen in den Bereichen Soziales, Bildung und Kultur überwachen. Zuvor war sie Direktorin für Kommunikations- und Informationspolitik im Exekutivapparat der Präsidialverwaltung.
Mirziyoyeva startete ihre politische Karriere 2019 als stellvertretende Direktorin der Agentur für Kommunikation und Masseninformation. Anschließend habe sie sich weiterhin als Verfechterin der Meinungsfreiheit präsentiert, erklärt das usbekische Nachrichtenportal Kun.uz.
Ein Image als „Beschützerin“
Die Tochter des Präsidenten hat in den vergangenen Jahren versucht, sich als Verteidigerin der Meinungs- und Kunstfreiheit darzustellen. So unterstützt sie beispielsweise das berühmte, aber von der Schließung bedrohte Ilhom-Theater in Taschkent, berichtet Radio Ozodlik.
Aber am meisten engagiert sie sich zweifellos für die Rechte der Frauen. Fälle von Gewalt oder Vergewaltigung, die zu mild bestraft werden oder sogar ungestraft bleiben, sorgen im Land regelmäßig für Schlagzeilen. Wenn dies der Fall ist, fordert Mirziyoyeva in Facebook-Beiträgen Reformen des Justizsystems zum Schutz der Opfer.
Lest auch auf Novastan: Femizid in Usbekistan – Es sind wirksamere Mechanismen zum Schutz von Frauen erforderlich
Um diese Ideen voranzutreiben, nimmt Mirziyoyeva an hochkarätigen Veranstaltungen teil, beispielsweise 2020 am Global Women’s Forum Dubai. Sie trat dort als Mitglied der Kommission für Geschlechtergleichstellung auf, obwohl ihre Ernennung zu deren Mitglied laut Radio Ozodlik nie klar war.
Vetternwirtschaft statt „Neues Usbekistan“
Im Juli ergab eine Recherche von Radio Free Europe, dass die Familie des usbekischen Präsidenten in allen wirtschaftlichen Bereichen des Landes präsent ist. Seit seiner Machtübernahme hat Shavkat Mirziyoyev rund zwanzig Mitglieder seiner Familie in wichtige Positionen gebracht.
Lest auch auf Novastan: Karakalpakstan: Nichts Neues im „Neuen Usbekistan“
Auch das Beispiel Saida Mirziyoyeva zeigt, dass die Versprechen des „Neuen Usbekistan“ nicht eingehalten werden. Wie Radio Ozodlik berichtete, hatte Mirziyoyeva bereits im März während einer Rede vor den Vereinten Nationen Vorwürfe provoziert. Damals vertrat sie Usbekistan, obwohl dies nicht in den Zuständigkeitsbereich ihrer Position fiel, was ihre Legitimität in Frage stellte.
Für den Politikwissenschaftler Alisher Ilhamov besteht kein Zweifel daran, dass sie das Wort ergriffen hat, weil sie die Tochter des Präsidenten ist, und dass es sich hier um reine Vetternwirtschaft handelt.
Erinnerungen an Karimov
Zumal die Position von Saida Mirziyoyeva an die Zeit des vorherigen Präsidenten Islom Karimov erinnert. Dessen Tochter Gulnora Karimova sollte seine Nachfolge antreten, nachdem sie ebenfalls ein hohes Amt bekleidet hatte. Parallelen zwischen den beiden Frauen sind keine Seltenheit, außer dass Karimovs Tochter neben ihren politischen Aktivitäten auch Geschäfte betrieb und schließlich entlassen und wegen Unterschlagung und Korruption verurteilt wurde.
Lest auch auf Novastan: Saida Mirziyoyeva und Gulnora Karimova: Zwei Präsidententöchter in der Politik
Auch in den zentralasiatischen Nachbarstaaten bereiten Präsidenten ihre Kinder häufig auf die Übernahme des Präsidentenamtes vor, wobei Söhne offenbar erfolgreicher sind als Töchter.
In Turkmenistan hat Gurbanguly Berdimuhamedow 2022 zumindest scheinbar die Macht an seinen Sohn Serdar Berdimuhamedow übergeben. In Tadschikistan bereitet Emomali Rahmon seine Nachfolge vor, indem er einen Sohn und eine Tochter in Schlüsselpositionen setzt. In Kasachstan wurde die Tochter des ehemaligen Präsidenten Nursultan Nazarbaev, Dariģa Nazarbaeva, als Nachfolgerin gehandelt, dann aber unter dem tatsächlichen Nachfolger Qasym-Jomart Toqaev aus ihrem Amt als Senatspräsidentin entlassen.
Nane Bouvier, Redakteurin für Novastan
Aus dem Französischen von Robin Roth
Noch mehr Zentralasien findet ihr auf unseren Social Media Kanälen: Schaut mal vorbei bei Twitter, Facebook, Telegram, Linkedin oder Instagram. Für Zentralasien direkt in eurer Mailbox könnt ihr euch auch zu unserem wöchentlichen Newsletter anmelden.