In Kirgistan sollen laut einem neuen Gesetz mindestens 60 Prozent der Fernseh- und Radiobeiträge in der Nationalsprache Kirgisisch ausgestrahlt werden – zum Nachteil des Russischen, das in dem Land ebenfalls einen offiziellen Status genießt.
Das Gesetz zur Stärkung der kirgisischen Sprache wurde am Mittwoch (25. Juni) vom Parlament angenommen. „Wenn wir [weiterhin] so gleichgültig gegenüber der kirgisischen Sprache sind, werden wir in den kommenden Jahren aufhören, eine Nation zu sein“, zitierte die Nachrichtenagentur AFP den Parlamentssprecher Nurlanbek Turgunbek uulu.
Neben dem Schwellenwert von 60 Prozent für Inhalte in kirgisischer Sprache soll auch die Nennung von Ortsnamen auf Kirgisisch erfolgen. Zudem sollen bei Werbung in kirgisischer Sprache größere Buchstaben als bei russischsprachiger Werbung benutzt werden, berichtet die Deutsche Welle.
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Als vereinsgetragene, unabhängige Plattform lebt Novastan vom Enthusiasmus seiner ehrenamtlichen Mitarbeiter:innen – und von eurer Unterstützung!Im zentralasiatischen Binnenstaat genießen sowohl die kirgisische als auch die russische Sprache offiziellen Status, wobei letztere von knapp 80 Prozent der Bevölkerung beherrscht und täglich genutzt wird, so AFP.
Zentralasiens linguistischer Russ-exit?
Das Gesetz spiegelt einen tiefergehenden Prestigeverlust der russischen Sprache in Zentralasien wider.
In Kasachstan, wo Russisch ebenfalls den Status einer Amtssprache innehat, kommt es seit dem Ausbruch des Ukrainekriegs immer öfter zu Konflikten zwischen kasachstanischen und russischen Beamt:innen und Aktivist:innen bezüglich der zunehmenden Erstarkung der kasachischen Sprache. So würden laut dem russischen Staatsfernsehen in Kasachstan angeblich die “gleichen Nazi-Entwicklungen” wie in der Ukraine stattfinden und das Land zunehmend “russophob” werden.
Erst vor kurzem sorgte die Entlassung eines Kuriers der Einzelhandelskette Magnum, der einen Kunden aufforderte, mit ihm auf Kasachisch zu kommunizieren, im Internet für heftige Kritik.
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Auch auf überregionaler Ebene werden Initiativen ergriffen, um den Einfluss des Russischen und des kyrillischen Alphabets einzudämmen. So wurde im September 2024 während der dritten Sitzung der “Kommission für das Gemeinsame Türkische Weltalphabet” unter der Ägide der Organisation der Turkstaaten (OTS) vereinbart, ein gemeinsames Alphabet bestehend aus 34 Buchstaben einzuführen. Allerdings sieht sich die Initiative gerade in Kasachstan und Kirgistan sowohl finanziellen Engpässen als auch russischer Opposition ausgesetzt, weswegen ihre Umsetzung derzeit noch stockt.
Gegenwind aus Russland
Seit dem Ausbruch des Ukrainekriegs haben in Kirgistan die Bemühungen, den Status und die Benutzung der Nationalsprache auszubauen, zugenommen. Im Juli 2023 unterschrieb Präsident Sadyr Dschaparow eine Grundgesetzänderung, infolge derer Kirgisisch zur Arbeitssprache für staatliche Behörden, lokale Regierungen und staatliche Unternehmen erklärt wurde. Für bestimmte Berufsgruppen wie Staatsanwält:innen, Richter:innen, Abgeordnete, Pädagog:innen und Ärzt:innen wurde die Beherrschung der kirgisischen Sprache ebenfalls verpflichtend.
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Die Reaktion des Kremls ließ nicht lange auf sich warten: Im Rahmen einer Pressekonferenz kritisierte der russische Außenminister Sergej Lawrow das Gesetz aufs Schärfste:
“Es ist nicht ganz demokratisch […] alle Staatsbediensteten dazu zu verpflichten, Kirgisisch zu beherrschen und [in der Sprache] zu arbeiten,” sagte Lawrow. “Wir haben [die kirgisischen Behörden] mehrmals gewarnt, aber es nahm eine andere Linie überhand.“ […] Wir werden weiter [daran] arbeiten,” fügte er hinzu.
Auch die Sprecherin des russischen Außenministeriums, Maria Sacharowa, warnte, dass das Gesetz das Leben derjenigen erschweren würde, die des Kirgisischen nicht mächtig sind.
Zum Gesetz über die Nutzung der kirgisischen Sprache in den Medien liegt zum Zeitpunkt des Verfassens dieses Artikels noch keine Reaktion der russischen Behörden vor.
Benedikt Stöckl für Novasten
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