Startseite      Bischkek: Pogrome gegen ausländische Studenten

Bischkek: Pogrome gegen ausländische Studenten

In der Nacht vom 17. auf den 18. Mai kam es in Bischkek zu gewalttätigen Pogromen gegen südasiatische Studenten und Arbeiter. Zuvor wurde ein Video in den sozialen Medien veröffentlicht wurde, das eine Auseinandersetzung zwischen Kirgisen und Ausländern zeigt.

In Bichkek kam es in der Nacht vom 17. auf den 18. Mai zu Ausschreitungen gegen ausländische Studenten, Photo: Screenshot Kino Pro

In der Nacht vom 17. auf den 18. Mai kam es in Bischkek zu gewalttätigen Pogromen gegen südasiatische Studenten und Arbeiter. Zuvor wurde ein Video in den sozialen Medien veröffentlicht wurde, das eine Auseinandersetzung zwischen Kirgisen und Ausländern zeigt.

In der Nacht vom 17. auf den 18. Mai ist es in der kirgisischen Hauptstadt Bischkek zu Angriffen auf Ausländer, insbesondere aus Südasien, gekommen. Auslöser war nach Angaben des kirgisischen Nachrichtenportals Kloop ein in sozialen Netzwerken verbreitetes Video. Es zeigt, wie Männer, die als südasiatische Studenten identifiziert wurden, am 13. Mai im Hof ​​ihres Wohnheims einen kirgisischen Mann schlugen.

Das Video ging viral und löste bei einigen Kirgisen Empörung aus, da sie den Vorfall als „Demütigung für ihr Land“ empfanden, berichtet Eurasianet. Nach Angaben von Kloop berichteten verschiedene Seiten in den sozialen Medien über den Tod einer an der Schlägerei beteiligten Person, was von der Polizei jedoch dementiert wurde.

Am 20. Mai meldete sich das kirgisische Innenministerium in einer Pressemitteilung zu Wort und beschrieb den Kontext, in dem das Video gedreht wurde: Nachdem die ausländischen Studenten draußen belästigt worden waren, kehrten sie in ihr Wohnheim zurück. Die Angreifer folgten ihnen dorthin, durchsuchten die Wohnung der Ausländer und stahlen einige Habseligkeiten. Als sie die Schlafsäle für Frauen betraten, schlugen die ausländischen Studenten auf die Angreifer ein.

Sich ausweitende Unruhen

Allerdings waren die Bilder bereits anders interpretiert worden. Infolge des Vorfalls versammelten sich am 17. Mai etwa 100 Menschen in der Nähe der Unterkunft und forderten Gerechtigkeit.

Um die Menge zu beruhigen, nahm die Polizei drei beteiligte Ausländer fest und leitete Ermittlungen wegen Rowdytums ein. Das Innenministerium veröffentlichte sogar ein Video, in dem sich die Männer – Ägypter und keine Südasiaten – beim kirgisischen Volk entschuldigten und versprachen, ihren Teil der Verantwortung für die Gewalt zu übernehmen.

Die Festnahmen konnten die Menge jedoch nicht beruhigen und es kam zu Straßenblockaden, die die Polizei aufzulösen versuchte. Trotz der Festnahme von etwa einem Dutzend Demonstranten wuchs die Menge auf etwa 300 Personen und es kam zu weiteren 50 Festnahmen. Gegen ein Uhr morgens wurden die Wohnheime mit Steinen beworfen und mehrere ausländische Studenten wurden geschlagen.

Die Menge zerstreut sich im Morgengrauen

Die Randalierer, hauptsächlich junge Männer, forderten über soziale Medien die ganze Nacht über andere Personen auf, sich ihnen anzuschließen. Laut Kaktus Media hatten sich gegen drei Uhr morgens bereits rund 1.000 Menschen im Stadtzentrum versammelt. Die Polizei wandte sich an die Demonstrierenden und der Leiter der Hauptabteilung, Azamat Toktonalijew, versprach, dass alle Verantwortlichen vor Gericht gestellt würden. Gegen fünf Uhr morgens löste sich die Menge schließlich auf. Die überforderte Polizei wurde dabei von einem angesehenen Influencer unterstützt, der seine Autorität nutzte, um die Menge zu überzeugen.

Lest auch auf Novastan: Razzien in Bischkek: Wenn die Polizei zur Party kommt

Radio Free Europe beschreibt die Unruhen als die schlimmsten in Bischkek seit jenen nach der Wahl 2020, die den derzeitigen Präsidenten Sadyr Dschaparow an die Macht brachten. Die Ohnmacht der Polizei angesichts der Ereignisse gäbe Anlass zur Sorge.

Mehr als vierzig Verletzte

Laut Eurasianet haben nach den Ereignissen vom 17. Mai insgesamt 41 Ausländer um medizinische Hilfe gebeten, 11 von ihnen befanden sich am 20. Mai noch in Krankenhäusern in Bischkek. Die pakistanische Botschaft in Kirgistan erklärte, dass in der Nacht der Unruhen 14 pakistanische Studenten verletzt worden seien. Berichte über Todesfälle pakistanischer Staatsbürger wurden von der diplomatischen Vertretung dementiert.

Die Opfer erhielten Besuch vom Gesundheitsminister Alymkadyr Bejschenalijew. Ihm zufolge werden die ausländischen Studierenden auf Anordnung des Präsidenten kostenlos behandelt.

Forderungen zur Einwanderung

Während die Demonstranten dafür protestierten, dass die am 13. Mai gefilmten Ausländer vor Gericht gestellt werden, wurden auch Forderungen nach einem Ende der Arbeitsmigration aus Indien, Pakistan und Bangladesch laut, erklärt Radio Free Europe. In den letzten Jahren sind Tausende Staatsangehörige dieser Länder nach Kirgistan gekommen, um zu studieren oder zu arbeiten. Gleichzeitig haben Hunderttausende Kirgisen das Land auf der Suche nach Arbeit verlassen.

Lest auch auf Novastan: Der Moskauer Traum

„Das ist ein neues Phänomen. Sie sind fast überall, diese Migranten. Im Taxi, in Autowaschanlagen, als Kurier bei Essenslieferdiensten. Sie sind bereit, für 300 Dollar zu arbeiten und zu leben“, erklärte Edil Bajsalow, stellvertretender Minister für soziale Angelegenheiten, in einem Interview mit The Insider. „Selbstverständlich schieben wir diejenigen ohne Umschweife ab, die gegen das Gesetz und die Visabestimmungen verstoßen […] Wir wollen vor allem Arbeitsplätze für unsere Bürger schaffen.“

Geheimdienstchef Kamtschybek Taschjew sagte, die Forderungen der Demonstranten seien „bis zu einem gewissen Grad berechtigt“. Unter Berufung auf offizielle Statistiken sagte er, dass die meisten Verstöße gegen das Migrationsgesetz von Staatsbürgern Pakistans und Bangladeschs begangen worden seien. Ihm zufolge gibt es in Kirgistan insgesamt rund 5.000 illegale Migrierte, darunter 1.360 aus Pakistan und 1.300 aus Bangladesch.

Eine komplizierte Situation für ausländische Arbeitnehmer

Die Pogrome sind somit nur Ausdruck einer bereits vorhandenen Fremdenfeindlichkeit. Zwei Tage vor den Ereignissen gab die Polizei bekannt, dass Lieferdienste, die 400 vor allem aus Pakistan stammende, ausländische Studenten beschäftigt hatten, aus Gründen der Verkehrssicherheit geschlossen worden seien.

Am selben Tag verhaftete das Staatliche Komitee für nationale Sicherheit [der Inlandsgeheimdienst Kirgistans, Anm. d. Ü.] 28 pakistanische Staatsangehörige wegen „illegaler Arbeit“ in einer Nähwerkstatt in Bischkek.

Abgeschobene Ausländer

Am Morgen des 21. Mai seien bereits mehr als 1.200 Pakistanis mit speziell gecharterten Flügen in ihre Heimat zurückgekehrt, berichtet Radio Free Europe. Von Bischkek aus seien Flugzeuge nach Islamabad, Lahore und Peschawar gestartet. Die Botschaften Pakistans und Indiens haben ihren Bürgern geraten, das Land nur dann zu verlassen, wenn dies notwendig sei.

Am selben Tag teilte das kirgisische Außenministerium mit, dass der pakistanische Außenminister Muhammad Ishaq Dar Kirgistan besuchen und sich mit Beamten treffen werde, um die Situation der pakistanischen Studenten in Bischkek zu besprechen.

Angst um den Ruf des Landes

Die kirgisischen Behörden versuchen, die Spannungen zu entschärfen und ausländische Studierende zu beruhigen. Präsident Dschaparow hielt am 20. Mai eine Rede, in der er erklärte, dass „alle Täter der Angriffe auf ausländische Studenten bestraft werden. […] Es ist uns gelungen, einen Rechtsstaat aufzubauen. Deshalb werden wir die Ordnung aufrechterhalten.“

Lest auch auf Novastan: Kirgistan verabschiedet Gesetz über „ausländische Vertreter“

Edil Bajsalow besuchte das angegriffene Wohnheim, entschuldigte sich bei den Studenten und gab ihnen eine Sicherheitsgarantie. „Eure Eltern und Angehörigen müssen wissen, dass in Kirgistan keine Gefahr für euch besteht und dass die Behörden die volle Verantwortung für euer Wohlergehen tragen. Die Ereignisse einer Nacht spiegeln nicht die Haltung unseres Volkes euch gegenüber wider“, sagte der stellvertretende Minister.

Der Journalist Chris Rickleton erinnert jedoch an die Verhaftung des Publizisten Olschobaj Schakir, der im Mai zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt wurde, nachdem er die Übergabe in Kirgistan gelegener Kurobjekte an Usbekistan kritisiert hatte. Er wurde wegen „Aufrufs zu Unruhen“ verurteilt und es ist zu bezweifeln, dass die Menschen, die in der Nacht des 18. Mai tatsächlich zu Ausschreitungen aufgerufen haben, eine derart harte Strafe erhalten.

Zoé Toulouse für Novastan

Aus dem Französischen von Robin Roth

Noch mehr Zentralasien findet ihr auf unseren Social Media Kanälen: Schaut mal vorbei bei Twitter, Facebook, Telegram, Linkedin oder Instagram. Für Zentralasien direkt in eurer Mailbox könnt ihr euch auch zu unserem wöchentlichen Newsletter anmelden.

Kommentare

Your comment will be revised by the site if needed.