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Wladimir Putin in Kirgistan: Rückblick auf einen symbolträchtigen Staatsbesuch

Wladimir Putin ist zu einem Staatsbesuch in Bischkek empfangen worden. Mit zahlreichen Gesten und Äußerungen bekräftigte Russland Präsident den Einfluss seines Landes in Kirgistan. Die zentralasiatische Republik hingegen ist hin- und hergerissen zwischen nationalem Selbstbewusstsein und wirtschaftlicher Abhängigkeit, Migrationsdruck und dem noch immer belastenden sowjetischen Erbe.

Wladimir Putin (li.) würde von Sadyr Dschaparow am 25. November im Bischkek empfangen, Photo: Joe Luc Barnes

Wladimir Putin ist zu einem Staatsbesuch in Bischkek empfangen worden. Mit zahlreichen Gesten und Äußerungen bekräftigte Russland Präsident den Einfluss seines Landes in Kirgistan. Die zentralasiatische Republik hingegen ist hin- und hergerissen zwischen nationalem Selbstbewusstsein und wirtschaftlicher Abhängigkeit, Migrationsdruck und dem noch immer belastenden sowjetischen Erbe.

Am 25. November ist Wladimir Putins Iljuschin Il-96 auf dem internationalen Flughafen Manas bei Bischkek gelandet. Der russische Präsident wurde auf dem Rollfeld von seinem kirgisischen Amtskollegen Sadyr Dschaparow empfangen, womit der dreitägige Besuch in der zentralasiatischen Republik begann.

Kirgistan hatte alles Mögliche getan, um einen reibungslosen Ablauf der Reise zu gewährleisten. Wie üblich wurden alle Straßen zwischen dem Flughafen und der Präsidentenresidenz gesperrt, und die Schüler:innen wurden darüber informiert, dass der Unterricht vom 25. November bis zum 1. Dezember online erfolgen werde.

Der Staatsbesuch war schon länger geplant, ist aber Teil einer Reihe wichtiger diplomatischer Treffen der zentralasiatischen Republiken im November. Der chinesische Außenminister Wang Yi hatte die Region wenige Tage zuvor besucht, und Anfang des Monats hatten sich die fünf zentralasiatischen Präsidenten mit Donald Trump in Washington getroffen.

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Rashid Gabdulhanov, Assistenzprofessor an der Universität Groningen, glaubt, dass die dreitägige Feierlichkeit rund um Putins Besuch teilweise eine Reaktion darauf war. „Russland schützt Zentralasien sehr, und die Idee war, zu demonstrieren, dass eine ewige Freundschaft besteht“, erklärt er gegenüber Novastan.

Slanislaw Pritschin, leitender Wissenschaftler am Moskauer Institut für Weltwirtschaft und Internationale Beziehungen, hält den Zeitpunkt jedoch für reinen Zufall. „Russland verfolgt stets seine eigenen Ziele, unabhängig von der Position anderer Akteure“, erklärt Pritschin und nennt Bildung, Energie und Arbeitsmigranten als die Bereiche, in denen Moskau besonderes Interesse hat.

Ukrainische Botschaft versteckt

Am folgenden Morgen eskortierte eine Pferdekutsche Putins Mercedes zum Yntymak Ordo, dem Präsidentenpalast. Nichts sollte den Tag trüben, nicht einmal die etwas unbeholfene Anwesenheit der ukrainischen Botschaft neben dem neu erbauten Palast. Hastig wurde eine große Leinwand aufgestellt, um diese unansehnliche Erinnerung an Kiews Souveränität zu verdecken.

Eine Leinwand verdeckt die ukrainische Botschaft, Photo: Joe Luc Barnes

Wie die Ukraine ist auch Kirgistan eine ehemalige Sowjetrepublik, die sich in den letzten dreißig Jahren mit Fragen der Identität und ihres Verhältnisses zu Moskau auseinandergesetzt hat. Im Juni ersetzten die kirgisischen Behörden die höchste Lenin-Statue Zentralasiens auf dem Hauptplatz von Osch. Im vergangenen August kündigte der Bürgermeister von Bischkek an, dass die Stadt plane, mehrere mit Russland verbundene Straßen umzubenennen, darunter jene, die nach Lew Tolstoi und Maxim Gorki benannt sind.

Es besteht kein Zweifel, dass einige einen gewissen Ärger empfanden, als Putin seine Pressekonferenz begann und wiederholt den sowjetischen Namen für das Land – „Kirgisien“ – verwendete.

Dieselbe Herablassung zeigte sich auch unter den Mitgliedern des Kreml-Pressepools, die an der Reise teilgenommen hatten. Zwei Korrespondenten der staatlichen Nachrichtenagentur RIA Novosti untersuchten eine Ausgabe der kirgisischen Zeitung „Tuusu“. „Schau mal, die ist in der Landessprache!“, sagte einer von ihnen und wedelte seinem Kollegen amüsiert mit dem Dokument vor der Nase herum, während sie versuchten, die Wörter zu entziffern.

Kirgisische Zeitungen: Links auf Kirgisisch, rechts auf Russisch, Photo: Joe Luc Barnes

Ein Einfluss, der Bestand hat

Putin seinerseits sprach zumindest ein paar Worte auf Kirgisisch. „Salaam, asker!“ (Guten Morgen, Soldaten!), rief er den Truppen zu, die am Eingang des Palastes vor ihm aufgereiht waren. Anschließend versuchte er sich im Spielen eines traditionellen Musikinstruments, der Komuz.

Doch ungeachtet der Straßen, Statuen und Namensgebungsbräuche besteht kaum ein Zweifel daran, dass Russland weiterhin einen bedeutenden Einfluss in Kirgistan ausübt. In seiner Presseerklärung betonte Sadyr Dschaparow, dass Russland fast ein Viertel des kirgisischen Außenhandels ausmacht, während Wladimir Putin erklärte, der bilaterale Handel sei im vergangenen Jahr um 17 Prozent gestiegen.

„In dem Jahrzehnt seit Kirgistan der Eurasischen Wirtschaftsunion beigetreten ist, hat sich sein BIP um 150 Prozent erhöht, während sich seine Exporte in andere Länder der Union vervierfacht haben“, fügte er hinzu.

Dieser Handel ist insbesondere im Energiesektor von großer Bedeutung. „Unser Land deckt den Bedarf Kirgistans an Benzin und Diesel vollständig und zu Vorzugsbedingungen, ohne Ausfuhrzölle zu erheben“, sagte Putin und hob zudem Russlands Unterstützung beim Bau eines neuen Solarkraftwerks in der Nähe des Yssykköls sowie beim Anschluss des Immobiliensektors von Bischkek an das Gasnetz hervor.

Diese Kommentare kamen genau zum richtigen Zeitpunkt, da sich das Stromnetz Kirgistans in den Tagen vor dem Besuch verschlechtert hatte. Jedes Jahr verschärft sich das Energiedefizit des Landes aufgrund von Wasserknappheit infolge von Dürre – in einer Nation, in der die abendliche Beleuchtung zu fast 90 Prozent von der Wasserkraft abhängt.

Migration

Das heikle Thema Migration war der einzige Bereich, in dem die beiden Präsidenten unterschiedlicher Meinung zu sein schienen. Während Dschaparow angab, das Thema sei während des bilateralen Treffens besprochen worden, erwähnte Putin es mit keinem Wort.

Monatlich tauchen in den sozialen Medien neue Videos auf, in den sich Teile der russischen Bevölkerung vehement gegen Einwander:innen aussprechen. Allein im Jahr 2025 wurden Fälle registriert, in denen kirgisische Migranten in einem Moskauer Badehaus von der Polizei geschlagen wurden und ein Zentralasiate in Chimki als „Sklave der Russen“ beschimpft wurde.

Laut Rashid Gabdulhakov spielt die migrationsfeindliche Rhetorik eine entscheidende Rolle. „Sie lenkt auf nationaler Ebene massiv von den eigentlichen Problemen ab; man sucht sich eine verletzliche Gruppe aus und bestraft sie, um Macht zu demonstrieren“, erklärt der Wissenschaftler.

Er sieht die Migrationsfrage auch als Druckmittel, das Moskau gegenüber zentralasiatischen Staaten einsetzen kann. Sollten sich die Beziehungen verschlechtern, könne Russland jederzeit mit der Massenabschiebung zentralasiatischer Bürger:innen drohen. Die zentralasiatischen Staats- und Regierungschefs ihrerseits tun wenig, um ihren eigenen Bürger:innen zu helfen. „Sie neigen dazu, die Opfer zu beschuldigen“, so Gabdulhakov.

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Stanislaw Pritschin ist dennoch der Ansicht, dass die beiden Länder gemeinsame Interessen in Bezug auf Migration haben. „Für Moskau ist ein stetiger Zustrom qualifizierter Migranten aufgrund der demografischen Probleme in Russland wichtig. Für Zentralasien ist der Export von Arbeitskräften ein wichtiger Faktor“, merkt der Forscher an. Er fügt jedoch hinzu, dass der Terroranschlag im März 2024 auf die Crocus City Hall, bei dem mehr als 150 Menschen getötet wurden und der vier tadschikischen Staatsbürgern zugeschrieben wurde, „die öffentliche Meinung zur Einwanderung aus Zentralasien radikal verändert hat“.

Dennoch ist er der Ansicht, dass zentralasiatische Migrant:innen in Russland willkommen sind, sofern sie „integrationsbereit sind und über gute Russischkenntnisse verfügen“. Er meint, dass viele russische Bildungsprojekte in Zentralasien darauf abzielen, diese Situation zu verbessern und zukünftige zentralasiatische Migranten vor ihrer Ankunft vorzubereiten.

Förderung der russischen Sprache

Die russische Sprache ist oft ein zentrales Gesprächsthema bei Putins Besuchen in ehemaligen Sowjetrepubliken. Auch diesmal wies er ausdrücklich darauf hin, dass kürzlich 150 russische Lehrer:innen im Rahmen des Programms „Russische Lehrer im Ausland“ nach Kirgistan entsandt worden seien.

„[Sadyr Dschaparow] erwähnte in unseren vertraulichen Gesprächen, dass dies noch nicht ausreiche. Dem stimme ich vollkommen zu“, erklärte Putin. Die beiden Präsidenten kündigten außerdem den Bau von neun neuen russischsprachigen Schulen an, von denen drei bis 2027 eröffnet werden sollen.

Darüber hinaus begrüßte der russische Präsident den Start eines neuen Fernsehsenders. „Es ist symbolträchtig, dass am Vorabend unseres Besuchs… ein neuer russischsprachiger Fernsehsender, Nomad TV, in Kirgistan seinen Sendebetrieb aufgenommen hat“, sagte er.

Nomad TV: Studio am zentralen Ala-Too-Platz, Photo: Joe Luc Barnes

Das Studio von Nomad TV befindet sich mitten auf dem zentralen Ala-Too-Platz in Bischkek und ist dank seiner leuchtend grünen Fassade leicht zu erkennen. Es bleibt jedoch abzuwarten, ob diese wenigen Schulen oder ein neuer Fernsehsender ausreichen werden, um in einem Land, das sich zunehmend an die kirgisische Sprache im öffentlichen Leben gewöhnt, etwas zu bewirken.

Gekommen, um zu bleiben

Am folgenden Tag fand ein weiterer Gipfel statt. Diesmal kamen die Staats- und Regierungschefs der Organisation des Vertrags über kollektive Sicherheit (OVKS) zusammen, einem Militärbündnis, zu dessen Mitgliedern Tadschikistan, Belarus und Kasachstan sowie Russland und Kirgistan gehören (die Mitgliedschaft Armeniens ist derzeit ausgesetzt).

Rashid Gabdulhakov ist der Ansicht, dass diese Organisation enger mit Russlands „Image als globale Supermacht“ verknüpft ist, während Stanislaw Pritschin sie als Instrument gegenseitiger Interessen sieht: Für Russland bietet sie ein Mittel zum Schutz seiner Südgrenze, für Zentralasien fungiert sie im äußersten Notfall als Sicherheitsgarant. Beide Wissenschaftler stimmen darin überein, dass die Rolle der OVKS bei der Machterhaltung des Regimes angesichts von Protesten während der Unruhen in Kasachstan im Jahr 2022 deutlich zutage trat.

Während die Parlamentswahlen der vergangenen Woche gezeigt haben, dass das Regime von Sadyr Dschaparow vorerst sicher ist, könnte Russland angesichts seiner starken Militärpräsenz auf dem Luftwaffenstützpunkt Kant in Zukunft durchaus eine Rolle bei der Festigung der Macht der zunehmend autoritären kirgisischen Regierung spielen.

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Diese Erkenntnis könnte in der Tat die recht überraschenden Äußerungen des kirgisischen Vize-Premierministers Edil Baisalow bei der Eröffnungszeremonie von Nomad TV wenige Tage vor dem Gipfeltreffen erklären: „Manche finden es gut, andere nicht, aber Kirgistan ist heute Teil der russischen Welt. Manche wollen, dass wir unsere Angelegenheiten regeln und uns um Aufklärung kümmern. Ich für meinen Teil bin jedoch sehr glücklich, Teil dieser russischen Welt zu sein.“

Gabdulhakov drückt es direkter aus: „Wer behauptet, die zentralasiatischen Staaten im Allgemeinen und Kirgistan im Besonderen würden sich von Russland abwenden, leidet unter Halluzinationen.“

Joe Luc Barnes für Novastan aus Bischkek

Aus dem Französischen von Robin Roth

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