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Wassermangel in Kirgistan: Ein Wettlauf gegen die Zeit

Obwohl Kirgistan über reiche Wasservorkommen verfügt, haben 65% der Dörfer Probleme mit der Versorgung mit sauberem Trinkwasser. In den letzten Jahren hatte das Land mit schweren Versorgungsengpässen und einem zweifelhaften Umgang mit der Ressource Wasser zu kämpfen. Im Jahr 2024 rechnen die kirgisischen Behörden nun mit einer Dürreperiode, die nicht einfach ignoriert werden kann.

Die Dürre könnte Kirgistan in diesem Jahr hart treffen (Illustration). Foto: James Frid / Pexels.

Obwohl Kirgistan über reiche Wasservorkommen verfügt, haben 65% der Dörfer Probleme mit der Versorgung mit sauberem Trinkwasser. In den letzten Jahren hatte das Land mit schweren Versorgungsengpässen und einem zweifelhaften Umgang mit der Ressource Wasser zu kämpfen. Im Jahr 2024 rechnen die kirgisischen Behörden nun mit einer Dürreperiode, die nicht einfach ignoriert werden kann.

In Kirgistan werden in diesem Jahr niedrige Wasserstände erwartet. Dies gab Landwirtschaftsminister Bakyt Torobajew laut dem kirgisischen Nachrichtenmedium Kaktus im Januar bekannt. Gleichzeitig verwies er auf geplante Vorhaben zur Verbesserung der Irrigation und zur Vermeidung von Dürreperioden. Das diesjährige Programm umfasst die Wartung und Reinigung von mehr als 540 Kilometern Kanälen und anderer Wasserinfrastruktur. Torobajew rief die lokalen Behörden zudem dazu auf, die für die Landwirtschaft benötigten Wasserkanäle zu warten. Dabei soll die lokale Bevölkerung einbezogen werden.

Die Regierung plant, 17 wasserbauliche Anlagen sowie 70 Brunnen wieder in Betrieb zu nehmen und die Arbeiten zur Befüllung aller Regulierungsbecken für die Bewässerung durch Auffüllen mit Quellwasser in Angriff zu nehmen, was sich positiv auf die Ernteerträge auswirken soll, so die russische Presseagentur Sputnik. Darüber hinaus plant die Regierung den Bau von 71 Regulierungsbecken zur zehnjährigen Speicherung von Regenwasser. Das Land ergreift Maßnahmen zur Bewältigung des Klimawandels, u. a. indem es den Zugang zu Wasser für den Agrarsektor sicherstellt.

65% der Bevölkerung haben erschwerten Zugang zu sauberem Trinkwasser

Doch nicht nur die Landwirtschaft leidet unter den veralteten Anlagen, sondern auch die Bewohner:innen des Landes: Laut Daten des „Programms zur Entwicklung von Trink- und Abwasseranlagen in Wohngebieten in der Kirgisischen Republik“ benötigen 715 Dörfer neue Trinkwasseranlagen, während in 448 Gemeinden die Anlagen wieder instand gesetzt werden müssen. Insgesamt haben 65% der kirgisischen Dörfer Probleme mit der Wasserversorgung. Dem Nachrichtenportal Cabar zufolge stehen gleichzeitig nicht genügend Mittel für Verbesserungen zur Verfügung.

In vielen Dörfern waren es sogar die Bewohner:innen selbst, die die Initiative ergriffen, um das Wasserversorgungsnetz aufzubauen oder zu reparieren. Cabar stellt außerdem fest, dass die offiziellen Daten über den Zustand der Wassernetze des Landes und die Anzahl der Dörfer, die von dem offiziellen „Regierungsprogramm zur Beendigung des Versorgungsproblems“ bis 2026 bisher gefördert wurden, weder genau noch vollständig sind.

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Das Hauptziel dieses Programms besteht darin, bis 2026 ein zentral gesteuertes Trinkwassersystem für 95% der städtischen Bevölkerung und 2 Millionen Kirgis:innen ausserhalb der Stadtzentren aufzubauen. Die Wirksamkeit des Programms wird jedoch häufig in Frage gestellt. So geben offizielle Statistiken an, dass bereits 95% der Bevölkerung Zugang zu fließendem Wasser haben, was in der Realität jedoch nicht zutrifft.

Die Ortschaft Ak-Suu im Rajon Leïlek des Oblus Batken, in der 10.000 Menschen leben, ist beispielhaft für die Missstände. Denn: Eine Wasserleitung existiert in Ak-Suu nicht. Deswegen beziehen alle Bewohner:innen von Ak-Suu ihr Wasser aus Flüssen und Bewässerungskanälen. „Das ist ziemlich aufwendig und gefährlich, da das Flusswasser im Frühling Sand enthielt und im Winter zu Eis wurde“, berichtete eine Bewohnerin.

Kritik an der Wasserversorgung der Nachbarländer

Der Großteil der noch vor dem Zusammenbruch der Sowjetunion errichteten Trinkwasseranlagen wurde in den Jahren nach der Unabhängigkeit nicht instandgehalten. Erst im Jahr 2000 wurde das „Taza Suu-Projekt“ lanciert, ein von der Asiatischen Entwicklungsbank finanziertes Vorhaben zum Ausbau des Netzes und zum Bau von Rohrleitungen. Mitarbeiter:innen des Projekts waren jedoch in einen weitläufigen Korruptionsskandal verwickelt, was die Bank schlussendlich dazu veranlasste, die versprochenen Gelder einzufrieren.

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Kirgistan ist eigentlich reich an Flüssen, Gletschern und Seen, weshalb sich die Bewohner:innen des Landes fragen, warum es zu so vielen Missständen bei der Wasserversorgung kommt, so ein Bericht von Eurasianet. Manchmal wird darauf hingewiesen, dass Kirgistan seinen Nachbarländern Wasser zur Verfügung stellt, ohne dafür eine nennenswerte Kompensation zu erhalten, so Kaktus. Diese Unterstützungsleistungen, ein Überbleibsel aus der Sowjetzeit, standen im Zentrum der jüngsten Auseinandersetzungen zwischen den zentralasiatischen Ländern.

So entspringen im Süden Kirgistans 600 Flüsse, die jährlich mehr als 19 Kubikkilometer Wasser führen. Gleichzeitig werden jedoch nur 14% des Niederschlagswassers im Land selbst genutzt, 86% fließen jedes Jahr ungenutzt aus der Republik.

Wartungen in den Reservoirs

In einem Interview mit Kaktus begründet der Leiter der Abteilung für Wasserressourcen, Almazbek Sokeew, die Wasserknappheit der letzten Jahre wie folgt: „Dafür gibt es mehrere Gründe. Noch vor nur drei oder vier Jahren hatten wir viel Land, das nicht genutzt wurde. Heute gibt es kaum noch ungenutzte Bewässerungsflächen. […] Darüber hinaus hat sich die Art, wie wir Landwirtschaft betreiben, verändert: Während früher viel mehr Getreide angebaut wurde, überwiegen heute Nutzpflanzen für die Industrie“. Zudem gab er auch dem Klimawandel in der Region eine Mitschuld am Wassermangel.

Präsident Sadyr Dschaparow erklärte seinerseits, dass der Wassermangel im Jahr 2023 auf mehrere defekte Regenwasserauffangbecken und -tanks zurückzuführen sei. Die Becken seien nicht gewartet worden, weshalb den Landwirten das Wasser fehle, so Kaktus.

„Bis 2024 werden sie alle wieder instand gesetzt und im ganzen Land werden neue Wassertanks gebaut. Das [Regenwasser] soll vor allem von unseren Nachbarn flussabwärts genutzt werden, so können wir Streitigkeiten über das Wasser während der Bewässerungszeit vermeiden. […] Denn während wir im Winter Schmelzwasser aus den Bergen in [den Reservoirs] sammeln, soll das gesamte Regenwasser im Frühling durch die Flüsse zu unseren Nachbarn fließen. Während der Bewässerungssaison können unsere Landwirte so das Schmelzwasser [aus den Reservoirs] nutzen und unsere Nachbarländer erhalten das Regenwasser aus den Flüssen. Mit anderen Worten: Auf diese Weise werden sie noch mehr Wasser erhalten als zuvor“, fügte Dschaparow hinzu.

Eine Ressource, die mit anderen geteilt werden muss?

Weiterhin erklärte der Präsident, dass Kirgistan nur 1% des Wassers des Flusses Naryn für Bewässerung und Trinkwasser nutze. Die restlichen 99% flössen direkt nach Usbekistan und Kasachstan. Dies wird sich jedoch ändern, wenn das Wasserkraftwerk Kambarata-1 fertiggestellt ist. „Dann wird es möglich sein, es im Winter zur Stromerzeugung zu nutzen und während der Bewässerungssaison die Nachbarn mit ausreichend Wasser zu versorgen, das in der Toktogul-Talsperre aufgefangen wurde“, sagte er.

Die kirgisische Regierung rechtfertigt ihre Entscheidung, ihren Nachbarländern trotz der Kritik so viel Wasser zu liefern, nachdrücklich. „Wir denken nicht nur an uns selbst, sondern auch an unsere Nachbarn. […] Es ist absurd zu sagen: ‚Wir können alleine entscheiden und wir werden kein Wasser abgeben‘. Wir sind Brudervölker, ewige Nachbarn und hängen in hohem Maße voneinander ab“, bekräftigte Präsident Dschaparow.

Das Wasserkraftwerksprojekt Kambarata-1 wird laut dem Präsidenten bald finanziert sein. Im Energiesektor Kirgistans, der größtenteils auf Wasserressourcen angewiesen ist, wurde für die Jahre 2023 bis 2026 der Notstand ausgerufen, berichtet Intellinews. Das Land verzeichnete im vergangenen Jahr ein Defizit von 3 Milliarden Kilowattstunden, das sich in diesem Jahr verdoppeln könnte.

Indira Ramírez

Aus dem Französischen von Maximilian Rau

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