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Sozialdemokratische Partei von Ex-Präsident Atambajew in Kirgistan zerlegt sich weiter

Nachdem sich die Sozialdemokratische Partei Kirgistans, ehemals bestimmende politische Kraft im Land, bereits im letzten Jahr gespalten hatte, zerlegt sich der Teil um den ehemaligen Präsidenten Almasbek Atambajew nun weiter. Auf einer Sitzung des Parteirats traten etliche Mitglieder der Parteiführung zurück.

Fahnen der Republik Kirgistan und der Sozialdemokratischen Partei des Landes
Die Sozialdemokratische Partei Kirgistans zerlegt sich wenige Monate vor der Parlamentswahl weiter (Illustration)

Nachdem sich die Sozialdemokratische Partei Kirgistans, ehemals bestimmende politische Kraft im Land, bereits im letzten Jahr gespalten hatte, zerlegt sich der Teil um den ehemaligen Präsidenten Almasbek Atambajew nun weiter. Auf einer Sitzung des Parteirats traten etliche Mitglieder der Parteiführung zurück.

Die Sozialdemokratische Partei Kirgistans (SDPK) wird erneut von einem Skandal erschüttert. Wie das kirgisische Nachrichtenportal 24.kg berichtete, hat Asel Koduranowa, Parlamentsabgeordnete und Vorsitzende der Partei, am 26. Mai auf einer Sitzung des Parteirats all ihre Ämter niedergelegt. Auch mehrere ihrer StellvertreterInnen traten von ihren Posten zurück.

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In einer knappen Stellungnahme, die die Partei auf ihrer Facebook-Seite veröffentlichte, heißt es, dass der Parteirat zu der Sitzung zusammenkam, um über die „in der Partei entstandene Situation“ zu beraten. „Aufgrund der Tatsache, dass ein Teil der Parteiführung in die Rechtsstreitigkeiten um die Ereignisse in Koi-Tasch verwickelt ist, hat die Vorsitzende der SDPK, Asel Кoduranowa, ihre Befugnisse auf Anwar Artykow übertragen“, heißt es in dem Beitrag.

In dem nahe der kirgisischen Hauptstadt gelegenen Dorf Koi-Tasch war am Abend des 7. August 2019 eine Operation der kirgisischen Spezialeinheiten gestartet worden, um den ehemaligen Staatspräsidenten und SDPK-Vorsitzenden Almasbek Atambajew in seiner Residenz zu verhaften. Atambajews AnhängerInnen leisteten erbitterten Widerstand, infolgedessen ein Mitglied der Sicherheitskräfte tödlich verletzt wurde. Atambajew, der beschuldigt wird, die tödlichen Schüsse abgegeben zu haben, befindet sich seit dem 8. August 2019 in Haft.

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Neben Asel Koduranowa traten auf der Sitzung acht weitere Mitglieder des Parteirats zurück, darunter die stellvertretenden Parteivorsitzenden Ryskeldy Mombekow, Kundus Dscholdubajewa und Irina Karamuschkina. Während die ersten beiden aber zumindest ihre Parteimitgliedschaft aufrechterhalten, trat Karamuschkina, eine treue Weggefährtin Atambajews, auch aus der Partei aus.

Welche Rolle spielen Atambajews Söhne?

Jene „in der Partei entstandene Situation“, über die es auf der Sitzung des Parteirats zu beraten galt, scheint im Wesentlichen auf Seid und Kadyrbek Atambajew zurückzugehen. Die beiden Söhne von Almasbek Atambajew hatten nach dessen Verhaftung die politische Bühne betreten. Dabei waren sie immer wieder im Namen der Partei aufgetreten, jedoch ohne jegliches Mandat. Im Vorfeld der Sitzung des Pateirats war es deswegen zwischen den Brüdern Atambajew und Adil Turdukulow, einem der nun zurückgetretenen Mitglieder des Rats, zu einem Konflikt gekommen.

„Kadyr und Seid führen Veranstaltungen durch, treffen sich mit Menschen, und das alles im Namen der SDPK“, echauffierte sich Turdukulow am 21. Mai gegenüber 24.kg. „Ihre Aktivitäten werden aber mit dem Parteirat nicht koordiniert.“ Das kirgisische Nachrichtenportal Kloop berichtete mit Verweis auf Turdukulows Anschuldigungen, dass Almasbek Atambajew seinerseits keine der beiden Seiten unterstütze, sondern vielmehr zur Einheit aufrufe.

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Nach Angaben von Fergana News teilte die ebenfalls zurückgetretene stellvertretende Parteivorsitzende Irina Karamuschkina als Reaktion auf Turdukulows Vorstoß mit, dass dieser ein Intrigant sei und die Brüder Atambajew bereits eine neue Partei „Sozialdemokraten Kirgistans“ gegründet hätten, mit der sie bei der Parlamentswahl im Oktober 2020 antreten werden.

Eine lange Vorgeschichte

Die SDPK war 1993 unter anderen von Almasbek Atambajew (Vorsitzender wurde er 1999) gegründet worden und in den letzten Jahren eine prägende politische Kraft. Nach dem Ende seiner Präsidentschaft 2017 war es zwischen Atambajew und dem amtierenden Präsidenten Sooronbaj Dscheenbekow zu einem Machtkampf gekommen, in dem auch die SDPK innerlich zerrieben wurde.

Im April 2019 erfolgte die Spaltung, nachdem Atambajew als Vorsitzender erklärt hatte, dass die Partei zu seinem Amtsnachfolger und Parteifreund Dscheenbekow in Opposition gehe. In der Folge lud Sagynbek Abdrachmanow, Anführer der im Jahr zuvor gegründeten Bewegung „SDPK ohne Atambajew“, zu einer Parteisitzung ein, in deren Rahmen Atambajew als Parteivorsitzender abgesetzt wurde. Dieser Vorgang wurde vom Justizministerium anerkannt.

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Wie Fergana News darlegt, existierten in der Folge im Land faktisch zwei Sozialdemokratische Parteien, von denen die „SDPK Abdrachmanows“ seit der Übernahme der Partei zwar legal, aber praktisch nicht aktiv war, während die „SDPK Atambajews“ irgendwie auf der politischen Bühne blieb, dabei aber formal rechtswidrig war. Die SDPK-Fraktion im kirgisischen Parlament, dem Dschogorku Kengesch, stand weder auf der einen noch auf der anderen Seite und agierte als unabhängige Struktur. Die Fraktion gehört dabei nach wie vor zur Koalition, die Regierung und Präsident stützt.

Bevorstehende Parlamentswahl

Die weitere Spaltung der SDPK erfolgt nun zu einem Zeitpunkt, da die nächste Parlamentswahl kurz bevorsteht. Im Oktober 2020 soll der Dschogorku Kengesch neu gewählt werden und schon jetzt stellen BeobachterInnen die Frage, auf welche Partei Präsident Dscheenbekow setzen wird. Laut Fergana News könnte das Staatsoberhaupt einerseits versuchen, eine neue „Partei der Macht“ zu gründen. Doch bis zur Wahl sind es noch vier Monate – und Dscheenbekow hat sich bisher nicht um den Aufbau einer eigenen Partei bemüht.

Anderseits könnte der Präsident seine Sympathie für eine der bestehenden Parteien bekunden. Doch auch das würde nicht unbedingt seine Position stärken und es stellt sich die Frage, welche Partei dies sein solle, insbesondere da die „SPDK Abdrachmanows“ quasi politisch inaktiv ist.

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Die „Sozialdemokraten Kirgistans“, die laut Irina Karamuschkina von den Brüdern Atambajew gegründet worden seien, sind zwar offiziell noch nicht in Erscheinung getreten, könnten so aber zu einem interessanten Akteur auf der politischen Bühne Kirgistans werden. Dies gilt insbesondere, da sich auch in der Parlamentsfraktion der SDPK erste Auflösungserscheinungen zeigen. Wie Radio Azattyk, der kirgisische Dienst von Radio Free Europe, berichtete, haben sich einige Abgeordnete der SDPK-Fraktion der Partei „Birimdik“ angeschlossen. Der SDPK-Abgeordnete Marat Amankulow wurde sogar zu ihrem Vorsitzenden gewählt, was er selbst nur mit „Ich wurde gebeten, die Partei zu führen, ich habe zugestimmt“ kommentierte.

Das alles könnte bedeuten, dass die „Sozialdemokraten Kirgistans“ letztlich die „SDPK Atambajews“ zu einer registrierten Partei machen wollen, die aber in deutlicher Opposition zu Dscheenbekow stehen wird. „Birimdik“ hingegen könnte versuchen, die alte SDPK als „Partei der Macht“ abzulösen. Fergana News kommt zu dem Schluss, dass dies zumindest die Pläne der PolitikerInnen seien. Inwieweit die sich umsetzen lassen, wird die Zukunft zeigen.

Robin Roth, Redakteur für Novastan

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