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Sicherheit im öffentlichen Raum: Die Erfahrungen junger Frauen in Bischkek

Urbane Räume in Bischkek, einschließlich Fußgängerzonen und öffentliche Verkehrsmittel, bleiben für die Bürger:innen unangenehm. Insbesondere Frauen fühlen sich aufgrund mangelnder Einrichtungen und schlechter Fußgängerinfrastruktur verletzlich und unsicher. Da der Bau einer U-Bahn zu teuer ist, wurde zuletzt eine Seilbahn als öffentliches Verkehrsmittel diskutiert. Dies allein wird die bestehenden Probleme aber nicht lösen.

Straße in Bischkek Illustration
Besonders schlecht beleuchtete Nebenstraßen in Bischkek können ein Gefühl der Unsicherheit vermitteln (Ninara/ Flickr)

Urbane Räume in Bischkek, einschließlich Fußgängerzonen und öffentliche Verkehrsmittel, bleiben für die Bürger:innen unangenehm. Insbesondere Frauen fühlen sich aufgrund mangelnder Einrichtungen und schlechter Fußgängerinfrastruktur verletzlich und unsicher. Da der Bau einer U-Bahn zu teuer ist, wurde zuletzt eine Seilbahn als öffentliches Verkehrsmittel diskutiert. Dies allein wird die bestehenden Probleme aber nicht lösen.

Trotz der Versuche der Regierung, mehr Busse in Kirgistans Hauptstadt Bischkek zu bringen, können die öffentlichen Verkehrsmittel die Nachfrage nicht bewältigen. Aktivist:innen der urbanistischen Initiative Peschkom („Zu Fuß“, Anm. d. Ü.) schärfen das Bewusstsein für die Fußgängerumgebung. Sie sagen, dass die Situation zu Stoßzeiten, noch schwieriger wird und die Transportdienste völlig überlastet sind. Allerdings erklärte Bischkeks stellvertretender Bürgermeister Dschyrgalbek Schamyralijew im Mai dieses Jahres gegenüber dem lokalen Nachrichtenportal KaktusMedia, dass der Bau einer U-Bahn eine sehr teure und komplexe Angelegenheit sei.

Die Stadtverwaltung hat die Idee, eine U-Bahn in der Stadt zu bauen, mittlerweile aufgegeben. Sie erwägt stattdessen öffentlichen Nahverkehr über eine Seilbahn. Während des ersten Eurasischen Symposiums für Architektur, Stadtplanung und Design, ESAUD-2023, gab Urmat Karybajew, Leiter der staatlichen Verwaltung für Architektur und Stadtplanung von Bischkek, bekannt, dass der Bau einer Seilbahn geplant werde. Karyabajew erklärte, dass dies um ein Vielfaches billiger sei als der Bau von Autobahnen oder Eisenbahnen. Eine Seilbahn nehme ein Minimum an Fläche ein, erfordere nicht den Bau der zugehörigen Infrastruktur und sei darüber hinaus ein umweltfreundliches und zuverlässiges Transportmittel.

Allerdings wird in den sozialen Netzwerken über die Ambitionen der Beamten gescherzt. Unter anderem veröffentlichte der Designer Azamat Asan auf seiner Facebook-Seite die Vision der Seilbahn, welche die Stadtverwaltung in Bischkek bauen wolle. Diese zeigt Minibusse, die „Marschrutki“, die den Hauptteil des Nahverkehrs in Bischkek ausmachen, anstelle der Kabinen einer Seilbahn.

Schlechte Infrastruktur für Fußgänger:innen

Insbesondere für Frauen sind aber die Probleme mit der öffentlichen Infrastruktur drängend. Anna Schumbria, Stadtplanungsexpertin der Initiative Peschkom, meint, dass öffentliche Räume in Bischkek in erster Linie unter der Annahme gestaltet werden, dass sie hauptsächlich von Männern genutzt werden. Dadurch fühlen sich Frauen verletzlich und unsicher, da sie städtische Räume anders wahrnehmen und erleben als Männer. In Bischkek sind junge Mütter beim Spazierengehen mit ihren Babys mit unangenehmen Situationen konfrontiert, da es an notwendiger Infrastruktur mangelt und Wege unzureichend ausgebaut sind.

Während einer [von der Autorin durchgeführten, Anm. d. Red.] Forschungsumfrage teilten junge Frauen ihre Erfahrungen im öffentlichen Raum von Bischkek. Eine von ihnen war eine 28-jährige junge Mutter. „Es ist äußerst unbequem, in der Stadt unterwegs zu sein, weil man ständig alleine den Kinderwagen tragen muss“, erklärte sie. „Der Kinderwagen wiegt etwa 4 Kilogramm und das Baby etwa 12 Kilogramm. Wenn man in eine Unterführung geht, muss man außerdem alle Sachen tragen, da die Treppen sehr steil sind. Es ist sehr gefährlich ist, weil man mit seinem Baby und all den anderen Sachen einfach hinfallen kann.“

Frauen in Bischkek stehen im öffentlichen Raum vor verschiedenen Herausforderungen, darunter schlechte Beleuchtung und der Mangel an praktischen öffentlichen Toiletten. Diese Hindernisse schränken die Bewegungsfreiheit der Frauen ein, insbesondere angesichts der vorherrschenden dunklen Straßen in der Stadt.

„Es gibt ein großes Problem mit Frauentoiletten. Wenn sie beispielsweise als Gebäude konzipiert sind, verfügen sie über die gleiche Anzahl an Kabinen für Männer und Frauen – obwohl Frauen unterschiedliche Bedürfnisse im Zusammenhang mit Menstruation und Schwangerschaft haben. Aber das wird immer noch nicht direkt berücksichtigt. Meistens liegt die Verantwortung für die Kinder bei der Frau. Und wenn eine Frau mit einem Baby auf die Toilette kommt, kann sie das Baby nirgendwo hinlassen“, erklärte eine Aktivistin von Peschkom während der Konferenz Tender City im Oktober 2022.

Öffentlicher Nahverkehr

Tscholpon Turdalijewa, Gender-Expertin und Professorin an der American University of Central Asia (AUCA) in Bischkek, berichtet über ihre Forschungen zur Verkehrsmobilität in Bischkek. „Ich denke, hier hängt das Konzept der Sicherheit im öffentlichen Raum in Bischkek auch mit dem sozialen, bildungsbezogenen und familiären Status von Frauen zusammen […]. Ich komme zu dem Schluss, dass es eher gefährlich als sicher ist, aber es hängt auch von diesen Mustern wie sozialem Status, Bildungshintergrund und beruflichem Hintergrund ab“, erklärt die Expertin.

Laut Turdalijewa mangelt es in Bischkek in Marschrutkas (Kleinbussen) und Bussen häufig an angemessenen Einrichtungen wie Rampen oder Aufzügen, die es Frauen mit Kinderwagen ermöglichen würden, problemlos einzusteigen. Dies stellt auch für andere Personengruppen, einschließlich Menschen mit Behinderungen, ein großes Problem dar.

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Zu den Hauptverkehrszeiten, wenn die meisten Menschen unterwegs sind, wird die Situation noch schwieriger, da die Transportdienste völlig überlastet sind. Dadurch entsteht ein Umfeld, in dem Passagiere, insbesondere junge Frauen, der Gefahr von Belästigungen und unerwünschten Berührungen ausgesetzt sind. Diese Erfahrungen sind unglaublich traumatisch und haben nachhaltige Auswirkungen auf die psychische Gesundheit und das Wohlbefinden der Opfer.

Anara (Name geändert), eine 22-jährigen Studentin, berichtet, dass sie in der Marschrutka täglich belästigt werde. „Wir haben ein wirklich schlechtes Transportsystem, insbesondere Marschrutkas. Und besonders in diesen Marschrutkas kommt es häufig zu Schikanen und sogar Gewalt gegen Frauen. Es passiert ständig. Wir können nichts dagegen tun, weil sie fast immer voll sind und es nicht genug Platz gibt, um weit voneinander entfernt zu stehen. Deshalb entschuldigen sich die Männer und sagen, dass es eng ist und ich nicht vorgehabt habe, dich zu berühren“, sagt die Studentin.

Eine andere Befragte meint, dass das Problem auch mit Erziehungsstandards zusammenhänge. „Ich denke, das hängt auch mit der Erziehung zusammen, in der Mädchen aufgefordert werden, keine Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, sich nicht aufreizend zu kleiden und nicht zu provozieren. Anstatt zu sagen, dass es keine Belästigung seitens der Männer und keine Schuldzuweisungen an die Opfer geben sollte. Ich weiß nicht, wie es jetzt ist, aber die Idee, dass sich Mädchen so kleiden sollten, dass sie die Aufmerksamkeit der Männer nicht auf sich zieht, wurde schon früher in unseren Köpfen kultiviert“, erklärt die 28-jährige Lehrerin.

Die Seilbahn als Lösung?

Kann eine Seilbahn die Probleme lösen und den öffentlichen Nahverkehr entlasten? Laut Bischkeks oberstem Stadtplaner Urmat Karybajew werden Seilbahnen oft als Transportmittel für Tourist:innen bezeichnet. In vielen Städten werden sie jedoch bereits als öffentliche Verkehrsmittel genutzt. Eine Seilbahn könne 2.000 Autos und 100 Busse ersetzen und 3.000 bis 4.000 Passagier:innen befördern. Daher werde der Bau einer Seilbahn in Erwägung gezogen.

Fest steht aber auch: Seit vielen Jahren versprechen Beamte, in Bischkek eine U-Bahn, Einschienenbahn oder nun eine Seilbahn zu bauen. Diese Versprechen sind aber bisher unerfüllt geblieben. Und eines der Hauptprobleme – die nach wie vor beklagenswerte Situation auf den Straßen – bleibt bestehen.

Sezim Askarbekova für Novastan

Aus dem Englischen von Robin Roth

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