Der Schneeleopard ist eines der symbolträchtigsten Tiere Kirgistans. Es ist jedoch nach wie vor schwierig, die seltene Raubkatze zu erforschen. Um die mit Artenschutz verbundenen Probleme besser zu verstehen, traf Novastan Sherry Young, Mitglied der Bischkeker Organisation „Snow Leopard Trust Kyrgyzstan“.
Im Jahr 2013 wurde in Bischkek das erste Internationale Forum zum Schutz des Schneeleoparden abgehalten, an dem zwölf Länder teilnahmen. Die unterzeichnete Erklärung legte den Grundstein für eine internationale Zusammenarbeit zu diesem Thema. Im Jahr 2017 zeigte das zweite Forum, dass die Rettung des Schneeleoparden ein aktuelles Problem bleibt. Die Gesamtpopulation ist nach wie vor durch Klimawandel und Wilderei bedroht.
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Die Nichtregierungsorganisation (NGO) Snow Leopard Trust (SLT) steht bei der Verteidigung dieses Tieres an vorderster Front. Sie ist in Kirgistan sehr aktiv und führt Maßnahmen zum Schutz der Population sowie ein umfangreiches Forschungsprogramm durch, und ist nach wie vor einer der wichtigsten Partner der internationalen Foren im Land. Ihre umfassende Tätigkeit in mehreren Ländern der Region verschafft der NGO einen umfassenden Überblick über die Herausforderungen in Bezug auf den Schutz des Schneeleoparden.
Novastan: Was ist die Mission von Snow Leopard Trust?
Sherry Young: Snow Leopard Trust ist die einzige Naturschutzorganisation, die sich ausschließlich dem Schneeleoparden widmet. Unser Hauptsitz ist in Seattle, USA, und wir sind in fünf Ländern aktiv: in China, Indien, Pakistan, der Mongolei und Kirgistan. Durch Forschung und Sensibilisierung tun wir unser Bestes, um dieses Tier zu verstehen und zu schützen.
Welche Rolle spielt SLT in Kirgistan?
Das SLT-Büro in Kirgistan gibt es seit den 2010er Jahren, aber wir sind seit 2002 in den Gemeinden im Leopardenrevier aktiv. Kirgistan ist wichtig für den Schutz der Schneeleoparden. In diesem Land wurde 2013 die Bischkeker Erklärung unterzeichnet, in der sich zwölf Länder verpflichtet haben, Maßnahmen zum Schutz des Tieres und seines Lebensraums zu ergreifen. Im Anschluss an diese Erklärung haben die Regierungen der jeweiligen Länder ihre Schutzmaßnahmen ausgebaut und die Investitionen erhöht. SLT war damals einer der wichtigsten Partner dieser Veranstaltung in Kirgistan.
Ihre Organisation führt viele Expeditionen vor Ort durch. Welche Rolle spielt die Forschung beim Schutz der Schneeleoparden?
Forschung ist bei einer solchen Mission von zentraler Bedeutung. Wir wissen nur sehr wenig über den Schneeleoparden. Das Tier ist ein Einzelgänger, und lebt in hohen Bergen in schwer zugänglichen Gebieten. Es ist sehr schwierig zu vielen Punkten genaue Daten zu erhalten. Die Population in Kirgistan wird auf 100 bis 200 Exemplare geschätzt, und diese Spanne ist weltweit die größte.
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Aus diesem Grund führt SLT zahlreiche wissenschaftliche Expeditionen auf kirgisischem Territorium durch. Indem wir Kameras an strategisch wichtigen Orten in den Bergen aufstellen, können wir die Exemplare in der Gegend zählen, Sie bei ihren Reisen verfolgen, Karten ihrer Gebiete erstellen usw. Diese Informationen sind wichtig, um unsere Schutz- und Präventionsmaßnahmen anzupassen. Vor kurzem führte uns eine Expedition in das Naturreservat Saryschat, südlich des Yssykköl-Sees. Mit den Kameras, die wir platziert haben, können wir sehen, ob Weibchen geworfen haben, und anhand des Fells können wir Tiere, die wir bereits kennen, identifizieren und ihre Bewegungen verfolgen…
Welchen Einfluss hat der Klimawandel auf die Schneeleoparden-Population?
Zusammen mit der Wilderei sind Veränderungen im Lebensraum eine der größten Bedrohungen für den Schneeleoparden. In beiden Fällen sind die Auswirkungen auf die Gesamtpopulation sehr schwer abzuschätzen. Obwohl das Thema umfangreich ist und die Daten sehr knapp sind, möchte ich persönlich die Auswirkungen der globalen Erwärmung auf Schneeleoparden untersuchen.
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Durch die Erhöhung der Durchschnittstemperatur können die Bäume in immer höheren Lagen wachsen. Da der Schneeleopard in einer felsigen Umgebung lebt, reduziert die Anhebung der Baumgrenze seinen natürlichen Lebensraum. Menschliche Aktivitäten wie Tourismus, Weidewirtschaft oder Bergbau sind ebenfalls zu berücksichtigen.
Wilderei bleibt ein vorherrschendes Problem in dieser Region. Was sind Ihre Methoden, um dieses Phänomen zu bekämpfen?
In diesem Punkt arbeiten wir vor allem mit lokalen Gemeinschaften zusammen. Wilderei bleibt eine Geißel, die tief in den Köpfen bekämpft werden muss. Deshalb haben wir eine Reihe von Maßnahmen zur wirtschaftlichen Entwicklung der ländlichen Gemeinden, die in der Nähe des Leopardenreviers leben, eingeführt. Diese Aktionen sollen die Bewohner davon abhalten, Schneeleoparden zu jagen, um ihr Fell zu verkaufen. Nach einer Vereinbarung mit vielen Gemeinden haben Frauen die Möglichkeit, handgefertigte Produkte aus Wolle herzustellen, die wir in Kirgistan und Europa weiterverkaufen wollen.
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Einige Dörfer haben ihre Einnahmen um 50 Prozent erhöht. Im Gegenzug verpflichtet sich die Gemeinde, den Schneeleoparden und seinen Lebensraum zu schützen. Jedes Jahr wird ihnen eine Spende zugesandt, aber sie wird annulliert, wenn ein Dorfmitglied wegen Wilderei verurteilt wird. So arbeitet das Dorf gemeinsam am Schutz des Schneeleoparden. Wir finanzieren auch spezielle Gehege, damit die Hirten ihre Herden vor Leopardenangriffen schützen können.
Wie sehen Sie die Zukunft des Schneeleoparden? Wird sich die Situation verbessern?
Ich hoffe es, aber es bleibt ein sehr verletzliches Tier. Im Jahr 2017 hat die Weltnaturschutzorganisation (IUCN) den Schneeleoparden von einer „stark gefährdeten Art“ zu einer „gefährdeten Art“ herabgestuft. Dies ist normalerweise eine gute Nachricht, aber diese Entscheidung basiert auf unzuverlässigen Schätzungen der Population. Es besteht die Gefahr, dass dem Schutz der Schneeleoparden weniger Aufmerksamkeit und Hilfe zuteilwird, während die Bedrohungen noch vorhanden sind. Auf der anderen Seite sind sich die Menschen in den betroffenen Ländern und Regionen zunehmend bewusst, wie wichtig es ist, dieses ikonische Tier zu erhalten. Wildhüter, Hirten und Schulkinder werden zunehmend für den Schutz des Lebensraums der Leoparden sowie für die Bedrohung durch Wilderei sensibilisiert.
Das Interview führte Antoine Lacome, Novastan-Redakteur in Bischkek
Aus dem Französischen von Robin Roth
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