Ein Gesetzesentwurf in Kirgistan zielt darauf ab, die Freiheiten von Nichtregierungsorganisationen und Menschenrechtler:innen einzuschränken. Mehrere Organisationen äußerten ihre Ablehnung und prangerten an, dass das Gesetz eine Gefahr für die Vereinigungsfreiheit darstelle.
Wie das kirgisische Nachrichtenportal Kloop berichtet, haben am 12. Juni eine Reihe von Nichtregierungsorganisationen (NGOs) das kirgisische Parlament Dschgorku Kengesch aufgefordert, einen Gesetzentwurf „über ausländische Agenten“ zurückzuziehen. Der Aufruf wurde von acht internationalen Menschenrechtsorganisationen unterzeichnet. Sie bezeichnen das Projekt als „gefährlich und schlecht durchdacht“.
Den Verfasser:innen des Appells zufolge berge seine Annahme das Risiko, „frühere Erfolge bei der Entwicklung der Zivilgesellschaft im Land zunichte zu machen und die Schlüsselrolle von Nichtregierungsorganisationen bei der Förderung der Menschenrechte, der Hilfe für Menschen in Not sowie bei der Umsetzung anderer Hilfsprogramme für die Bevölkerung zu untergraben“. Darüber hinaus rufen sie auch die internationalen Partner Kirgistans auf, sich gegen dieses Gesetz zu positionieren.
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Während einer Parlamentssitzung sagte der Oppositionsabgeordnete Dastan Bekeschew, der Gesetzentwurf würde „den gesamten NGO-Sektor zerstören“ und zu Arbeitslosigkeit führen. Er appellierte an die Initiatoren, „die negativen Folgen dieses Gesetzentwurfs zu überdenken“.
Ein Gesetz, das die Auflösung von Organisationen erleichtert
Bereits am 2. November hatte das kirgisische Ministerkabinett einen ersten Entwurf eines NGO-Gesetzes eingebracht. Der neue, von einer Gruppe aus 33 Abgeordneten initiierte Entwurf sieht vor, die Kontrolle über NGOs zu stärken. Das Justizministerium und die Generalstaatsanwaltschaft wären für die Überwachung und Überprüfung der Rechtmäßigkeit von NGO-Aktivitäten verantwortlich. Im Falle eines Verstoßes könnten diese per Gerichtsbeschluss aufgelöst werden.
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Das Gesetz sieht vor, dass sich NGOs vor dem 31. Dezember 2023 beim kirgisischen Justizministerium registrieren lassen müssen, andernfalls würden sie automatisch aufgelöst, erklärt die Internationale Föderation für Menschenrechte (FIDH). Ebenso wäre es ausländischen Staatsagehörigen untersagt, NGOs zu gründen. Organisationen, die finanzielle Unterstützung aus dem Ausland erhalten, müssten sich als „ausländische Agenten“ registrieren lassen. Schließlich würde das Gesetz von diesen Organisationen eine völlige Transparenz über ihre Aktivitäten verlangen: Sie müssten die Regierung über ihre Projekte informieren.
Russischer Einfluss
Laut FIDH handele es sich bei diesem Entwurf um eine Kopie des russischen Gesetzes „über ausländische Agenten“ aus dem Jahr 2012. „Wiederholte Versuche der kirgisischen Behörden, Gesetze einzuführen, die Russlands berüchtigtem Gesetz über ausländische Agenten ähneln, spiegeln den schädlichen Einfluss Russlands auf die Region wider und drohen, den Raum für die Zivilgesellschaft einzuschränken. Wir fordern das kirgisische Parlament dringend auf, den aktuellen Entwurf abzulehnen und alle bestehenden Beschränkungen der Vereinigungsfreiheit aufzuheben“, fordert Alice Mogwe, Präsidentin der FIDH.
Es bleibt anzumerken, dass der Dschgorku Kengesch zwischen 2013 und 2015 ein ähnliches Projekt zur Einschränkung der Freiheiten von NGOs in Kirgistan diskutiert hat. Die öffentliche Meinung hatte das Parlament jedoch davon abgehalten, solche Maßnahmen umzusetzen.
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„Dieser neue NGO-Gesetzentwurf ist keine isolierte Initiative, sondern die jüngste in einer Reihe repressiver Maßnahmen, die seit Januar 2021 verabschiedet wurden, als Präsident Sadyr Dschaparow an die Macht kam. Um diesen negativen Trend umzukehren, müssen die Rechte auf Pressefreiheit sowie Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit respektiert und geschützt werden“, erklärtGerald Staberock, Generalsekretär der Weltorganisation gegen Folter (OMCT).
Die Meinung kirgisischer Jurist:innen
Die kirgisische Bürgerrechtsorganisation Adilet hat das Gesetzesprojekt analysiert und warnt vor einer Bedrohung der Menschenrechte. Die Änderungen würden zu sehr strengen gesetzlichen Regelungen bei der Verwirklichung des Rechts auf freie Meinungsäußerung führen.
Ein weiteres Risiko sei das völlige Verschwinden des Menschenrechtssektors in Kirgistan. „Die wichtigsten demokratischen Institutionen, darunter die Meinungs-, Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit, die Beteiligung an der Regierung und die öffentliche Kontrolle, werden auf dem Territorium Kirgistans irgendwann unzugänglich werden“, glaubt Adilet. Das Gesetzesvorhaben gebe der Regierung uneingeschränkte Macht, in die Aktivitäten von NGOs einzugreifen.
Léane Vanier, Redakteurin für Novastan
Aus dem Französischen von Robin Roth
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