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Kirgistan: Behinderte demonstrieren für ihre Rechte in Bischkek

Taub, blind, körperlich oder geistig behindert: Am Freitag, dem 8. September, marschierten ungefähr 300 Demonstranten zwei Kilometer auf der Masaliewa-Allee in Bischkek. Sie forderten die Ratifizierung der Konvention der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen, das 2011 von der kirgisischen Regierung unterzeichnet wurde. Eine Reportage.

Taub, blind, körperlich oder geistig behindert: Am Freitag, dem 8. September, marschierten ungefähr 300 Demonstranten zwei Kilometer auf der Masaliewa-Allee in Bischkek. Sie forderten die Ratifizierung der Konvention der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen, das 2011 von der kirgisischen Regierung unterzeichnet wurde. Eine Reportage.

Eine junge Frau übersetzt die letzten Anweisungen der Polizei und der Organisatoren vor dem Beginn der Demonstration. „Los! Los! Wir gehen jetzt“, ruft eine Frau an der Spitze des Zuges. Mehrere Reihen von Rollstühlen eröffnen den Weg auf die riesige Masaliewa-Allee im Süden der kirgisischen Hauptstadt, die für die Veranstaltung teilweise geschlossen wurde.

Ukej Murataliewa führt stolz diesen ungewöhnlichen Tross in Blau und Gelb an. Die junge Frau im Rollstuhl ist die Präsidentin und Gründerin der Vereinigung der Mädchen mit Behinderungen „Nazik-Zyk“ („hübsches Mädchen“ auf Kirgisisch). Ihre NGO ist Teil der Bewegung „Janyryk“ („Echo“ auf Kirgisisch), die 35 Vereine verbindet, die zusammen zu dem Marsch für die Ratifizierung der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen aufgerufen haben. Der Text des Übereinkommens wurde 2006 verabschiedet und trat 2008 in Kraft. Während 160 Länder das Übereinkommen bereits ratifiziert haben, bleiben die zentralasiatischen Länder säumig. Kirgistan und Usbekistan haben es zwar unterzeichnet, jedoch nicht ratifiziert. Tadschikistan hat die Konvention noch nicht einmal unterschrieben.

In guter Hofffnung

Die kirgisischen Vereine sind jedoch guter Hoffnung, dass die Ratifizierung auf die Präsidentschaftswahlen am 15. Oktober folgt. Die aktuelle Regierung stellt sich nämlich gegen die Ratifizierung. „Kirgistan wird in den kommenden Wochen erhöhte Aufmerksamkeit erfahren. Das ist unsere Chance, gehört zu werden“, erklärt Ukej Murataliewa zuversichtlich. „Ich bin voller Hoffnung, dass dieses Jahr ein Gutes wird“.

Und sie ist damit nicht alleine. Die Vereine sind aus ganz Kirgistan gekommen, um bei der Demonstration dabei zu sein. Bukaradinow Vusbek ist aus Naryn, einer Stadt im Zentrum des Landes, angereist. „In meiner Stadt ist die große Schwierigkeit, dass es keine einzige Rampe gibt. Der öffentliche Verkehr ist unbenutzbar für Behinderte und das ist ein Grund für das große Problem der Arbeitslosigkeit“, führt der junge Mann aus, der darauf hofft, dass die Ratifizierung des UN-Textes diese Dinge ändern wird.

Die Konvention verbietet alle Formen der Diskriminierung und fördert die Autonomie von Menschen mit Behinderungen. Eine Autonomie ist in der heutigen kleinen zentralasiatischen Republik unmöglich, vor allem wegen dem Zustand der Straßen und den nicht behindertengerechten öffentlichen Verkehrsmitteln. Laut Ukej sind 172.000 von einer Form einer Behinderung in Kirgistan betroffen, ungefähr 3% der Bevölkerung. Die Ratifizierung der Konvention ist daher ein wichtiges soziales Thema.

Ein ewiger Kampf um Autonomie

Diese Demonstration ist nicht die erste Aktion, die „Janyryk“ organisiert, um für die Ratifizierung der Konvention zu kämpfen. „Der Kampf um unsere Rechte dauert nun schon 10 Jahre an“, bestätigt Ukej, „es ist keine Sache des Geldes, sondern eine Frage des politischen Willens“.

Im September 2015 hat die Bewegung der Vereine für die Rechte von Menschen mit Behinderung, aber auch für die Rechte von Frauen und Kindern, eine ähnliche Demonstration organisiert.

Heute dauerte der Marsch unter der brennenden Sonne fast zwei Stunden. Schon nach wenigen dutzenden Metern musste die Polizei einigen Teilnehmern weiterhelfen, sie konnten die Demonstration mit dem Auto beenden.
Der Marsch endet im Park des Sieges, wo die Rollstuhlfahrer mit den Bodenverhältnissen kämpfen, typisch für die Parks in Bischkek. Es gab keine Beschwerden oder Kommentare darüber: die Teilnehmer der Demonstration sind daran gewöhnt.

Clara Marchaud

Aus dem Französischen von Lukas Dünser

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