Nach der Kritik des kirgisischen Präsidenten Almasbek Atambajew in Richtung der kasachischen Regierung wurden an der Grenze zwischen beiden Ländern die Kontrollen verschärft. Wie die Bürger darunter leiden, berichtet Radio Azattyq, die kasachstanische Vertretung von Radio Free Europe. Novastan übersetzt und veröffentlicht den Beitrag mit freundlicher Genehmigung der Redaktion.
Die kirgisischen Unternehmer Chairulla und Asamat handeln auf dem „Altynorda“ Markt im Südosten von Almaty mit Obst. Wegen der mehrtägigen Wartezeiten für Lastwagen an der Grenze sind ihnen Waren „im Wert von zwei bis drei Millionen Tenge“ (zwischen 5000 und 8000 Euro) verdorben.
„Seitdem die Grenze zu Kasachstan quasi dicht ist, befinden wir uns in einer schwierigen Lage. Unsere Ladungen kommen nicht durch. Wegen der Wartezeit verdirbt die Ware. Wir bitten Nasarbajew (den kasachstanischen Präsidenten Nursultan Nasarbajew, Anm. d. Red.) und unseren Präsidenten sich zu einigen und die Grenze zu öffnen“, sagt Chairulla einem Radio Azattyq-Reporter.
Als die Reporter auf den Markt gingen, um andere kirgisische Händler zu finden, gab es dort keine mehr. „Man lässt sie nicht über die Grenze“, sagten kasachische Händler.
Der kirgisische Landwirt Iljasbek Pirimberdijew hat 18 Tonnen Äpfel dabei, kann aber mit seinem Lkw die Grenze nicht überqueren. Er steht in einer langen Schlange. Im Interview gab er an, dass „ein Drittel der Ladung schon angefangen hat zu faulen.“
„Ich transportiere Äpfel aus dem Gebiet Issikköl. Wir haben die Äpfel in den Gärten unserer Verwandten gesammelt. Zwei Wochen haben wir geerntet und eingeladen. Jetzt stehen wir hier schon fast drei Tage herum,“ sagt Pirimberdijew.
Lkw stehen tagelang Schlange
Die Schwierigkeiten entstehen durch die kasachischen Grenzkontrollen. Ein Fahrer, der anonym bleiben möchte, sagt, dass „die Kunden sie [die Kontrolleure, Anm. d. Red.] gewarnt haben, dass die Waren verderblich sind und dass der Schaden bei den Fahrern eingetrieben wird.“ Er weiß nicht, wie es jetzt weitergeht. Ein anderer Fahrer, der sich als Nurlan vorstellt, sagt, dass er die Grenze seit drei Tagen nicht passieren kann. „In der Zeit habe ich 70 Liter Diesel verbraucht“ empört er sich. Er will Pflaumen nach Karaganda transportieren.
Einige Fahrer geben an, schon seit fünf Tagen an der Grenze zu stehen. „Was haben wir mit der Sache zu tun?“ fragt einer von ihnen beleidigt. Das kirgisische Notfallministerium hat für die Menschen an der Grenze Zelte aufgestellt und versorgt sie mit Mahlzeiten und heißem Tee.
Noch ist unbekannt, wann die Situation an der Grenze gelöst wird. Von kasachischer Seite gibt es dazu bisher keine offiziellen Aussagen.
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Am 17. Oktober reichten die kirgisischen Behörden eine Beschwerde bei der Welthandelsorganisation (WTO) ein. Der Grund dafür war die „Verletzung der wichtigsten Normen des allgemeinen Abkommens über Tarife und Handel und des Abkommens zur Gründung der WTO,“ hieß es in einer Erklärung der kirgisischen Regierung.
Zuvor hatte sich der kirgisische Wirtschaftsminister im Zusammenhang mit der Situation an der Grenze mit einem Brief an seine Kollegen der Eurasischen Wirtschaftskommission gewandt. Der kasachische Nationalwirtschaftsminister Timur Sulejmenow rief dagegen am 17. Oktober dazu auf, die Maßnahmen zu verschärften Grenzkontrollen „nicht zu politisieren.“
Das sagen Experten
Der kirgisische Experte Emil Schurajew hatte sich zuvor dafür ausgesprochen, dass Atambajew so schnell wie möglich seine Worte zurücknimmt.
„Wenn sich die Situation weiter zuspitzt, wird es so weit kommen, dass beide Seiten ihre Diplomaten zurückziehen. Gleichzeitig widersprechen die geschlossenen Grenzen den grundlegenden Prinzipien und Zielsetzungen des Vertrags der Eurasischen Wirtschaftsunion. Natürlich ist Atambajew nicht alleine, aber er hat sich mehrmals undiplomatisch über Babanow [Kandidat bei der kirgisischen Präsidentschaftswahl 2017 Anm. d. Red.] ausgelassen. Die kasachische Regierung hat heftig auf diese Aussagen reagiert und sich erlaubt, Maßnahmen zu ergreifen, die beiden Ländern schaden. Die kirgisischen Behörden müssen diese Situation jetzt klären. Wir müssen der Situation an der Grenze ein Ende setzten“, sagt Schurajew.
Der kasachische Experte Kazbek Bejsebajew, der viele Jahre im diplomatischen Dienst gearbeitet hat, ist der Ansicht, dass sich die Lage an der Grenze sich noch verschlimmern wird.
„Als ein Mensch, der im diplomatischen Dienst gearbeitet hat, sage ich, dass ein Staatsoberhaupt solche Worte nicht an ein Nachbarland richten kann. Kirgistan ist zum Beispiel mehr abhängig von Kasachstan. Die Wege führen durch uns, verschiedene Waren. Aus diesem Grund muss die Regierung klären, welche Druckmittel Kasachstan hat. Das zu klären, Wege zu einer Lösung zu finden, ist Aufgabe der Diplomatie. Unser Land hat aufgehört, die Länder Zentralasiens zu schätzen. Das ist eine Schwäche unserer Diplomaten. Jetzt haben wir die Grenze geschlossen, in der Folge ist schon ein Mensch an der Grenze umgekommen. Das ist eine schwierige Situation“, sagt Bejsebaew.
Nurtaj Lachanuly, Radio Azatlyk
Aus dem Russischen von Folke Eikmeier
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