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Dschamilja – kirgisischer Roman par excellence

Der Roman Dschamilja des kirgisischen Autoren Tschingis Aitmatow gehört ohne Zweifel zu den Klassikern der Weltliteratur. Die 1959 veröffentlichte Geschichte beeindruckte schon viele Leser, nicht zuletzt den französischen Dichter Louis Aragon.

Dschamilja Briefmarke Kirgistan
Dschamilja ist das wohl berühmteste Werk der kirgisischen Literatur

Der Roman Dschamilja des kirgisischen Autoren Tschingis Aitmatow gehört ohne Zweifel zu den Klassikern der Weltliteratur. Die 1959 veröffentlichte Geschichte beeindruckte schon viele Leser, nicht zuletzt den französischen Dichter Louis Aragon.

Tschingis Aitmatow war noch keine 30 Jahre alt, als Dschamilja erschien. Louis Aragon, französischer Dichter und zu der Zeit überzeugter Kommunist, war an der Übersetzung beteiligt und schrieb das Vorwort zur ersten französischen Ausgabe.

Aitmatows Erzählkunst erweist sich als genauso spontan wie präzise. Der ehemalige Student des landwirtschaftlichen Instituts tat gut daran, die Feldarbeit für die Literatur aufzugeben. Seine Leser lässt er in die nordkirgisische Steppe reisen, ganz nah an das dortige Geschehen während des zweiten Weltkriegs.

Aitmatows Geschichte erzählt von der Selbstverleugnung und der bedingungslosen Liebe des jungen Sejit für Dschamilja, die Frau seines Bruders, der wie die meisten jungen Männer zur Front geschickt wurde. In diesem Sommer 1943 wird Dschamilja nur von Sejit und Danijar, der als Kriegsinvalide zurückgekehrt war, begleitet.

„Die schönste Liebesgeschichte der Welt“

Sein Vorwort beginnt Aragon jeoch nicht mit der Geschichte von Dschamilja. Er bezieht sich zuerst auf Rudyard Kiplings Kurzgeschichte „Die schönste Geschichte der Welt“, die, so Aragon, gar nicht ihrem Titel entspricht. So fügt er hinzu: „ich zögere noch, meine Meinung zu Dschamilja auszusprechen, aber doch, für mich ist es die schönste Liebesgeschichte der Welt.

Tschingis Aitmatow

Aitmatows Wörter wirken wie eine Handkamera: Man folgt Sejt, dem Erzähler der Geschichte, auf Schritt und Tritt. Sejt ist nicht einfach ein Zeuge des Geschehens, er analysiert es und gibt es in seiner einfachen Poesie weiter. Die kirgisische Natur sehen wir durch seine begeisterten, nach Farben und Bildern dürstenden Augen.

Die geliebte Frau beschreibt er ohne Umschweife, mit diskreter Sinnlichkeit: „Ich war stolz, dass sie meine Dschenge (Schwägerin, Anm. d. Red.) war, stolz auf ihre Schönheit und ihren Charakter voller Unabhängigkeit und Freiheit.“ Die Kraft der Erzählung liegt darin, dass Sejit nicht nur Dschamilja beschreibt, sondern auch ihre entstehende Liebe für einen Anderen.

Man ist ergriffen, wenn der scheu beobachtende Erzähler es endlich schafft, diese Liebe zu malen: „Ich konnte kaum glauben, dass ich etwas gemalt hatte, dass dem Gesehenen änhlich war“. In dem Moment scheint es, als würde sich der Autor direkt an die Leserschaft wenden.

 Eine außergewöhnlich leichte Entwicklung

Aitmatow schrieb nicht für westliche Leser, was seine Texte in deren Augen umso natürlicher erscheinen lässt. Für Aragon liegt „der seltsame Erfolg von Dschamilja darin, dass wir all das, was wir von einem unbekannten Land erfahren, vom Leben seiner noch stark an die patriarchalen Traditionen der Nomaden gebundenen Männer und Frauen […] von innen erfahren, von Leuten, für die das ganz natürlich ist […]. [S]o entwickelt sich die Erzählung mit einer außergewöhnlichen Leichtigkeit, die der kaum zur Reportage fähigen modernen Literatur so fehlt.“

Der Text lässt sich Zeit und entwickelt sich vor allem über „Zufälle“. Beim Lesen muss man sich damit abfinden, Zusammenhänge erst im Laufe der Geschichte zu verstehen. So lassen auch die meisten Übersetzungen kirgisische Schlüsselwörter im Original stehen, so dass die Leser sie sich merken können.

Für Aragon wie für uns entthront Aitmatow einige literarische Klassiker. „Dieser junge Mann“, so Aragon über Aitmatow, „schreibt von Liebe wie kein anderer. Oh Musset (französischer Dichter des 19. JH., Anm. D . Ü.) mein Freund, beneide diese Augustnacht der fernen kirgisischen Länder!

Trotz seiner Qualität bedurfte es des Lobs Aragons, um westliche Leser für den Roman zu interessieren. Jenseits der Lesehilfe ist Aragons Vorwort viel mehr noch eine sehr persönlich Empfindung des Romans. Er beschreibt den Roman im Stil Aitmatows: ohne Umschweife und voller Aufrichtigkeit.

Claire Jeantils

Aus dem Französischen von Florian Coppenrath

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