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Die Entstehungsgeschichte des kirgisischen Som

Kirgistan war die erste zentralasiatische Republik, die nach dem Ende der Sowjetunion eine eigene Währung einführte. The Open Asia hat Dmitryj Lisogorow, den Designer der  ersten Som-Scheine und des ersten kirgisischen Passes getroffen. Wir übersetzen den Artikel mit der freundlichen Genehmigung der Redaktion.

openasia romang 

Kirgisischer Som Währung
Entwürfe kirgisischer Som

Kirgistan war die erste zentralasiatische Republik, die nach dem Ende der Sowjetunion eine eigene Währung einführte. The Open Asia hat Dmitryj Lisogorow, den Designer der  ersten Som-Scheine und des ersten kirgisischen Passes getroffen. Wir übersetzen den Artikel mit der freundlichen Genehmigung der Redaktion.

In Kirgistan diskutiert man momentan über den Entwurf des zukünftigen biometrischen Passes und erst vor kurzem hat die kirgisische Nationalbank modifizierte 1000, 200, 100 und 50 Som Geldscheine in Umlauf gebracht. Auch ein grafisches Symbol für den Som, die kirgisische Währung, wurde nun definiert.

Das alles beweist, dass Kirgistan weiter an der Definierung seiner staatlichen Symbole arbeitet. Wie jede Änderung sind natürlich auch diese nicht unumstritten.

Ein passender Moment, also, um einen Blick auf die Geschichte zu werfen: Wie verlief die Arbeit an den ersten Entwürfen der kirgisischen Währung? Worum ging es in den Streitigkeiten um die erste Version des kirgisischen Passes? Dmitrij Lysogorow, grafischer Designer, Maler und Fotograf hat sowohl die erste Soms als auch den ersten kirgisischen Pass entworfen. „Open Asia online“ hat ihn getroffen.

Die erste zentralasiatische Währung

Als Kirgistan 1993 den Som einführte, gehörte es zu den ersten postsowjetischen Ländern mit einer eigenen Währung. Alle anderen zentralasiatischen Länder nutzten zu der Zeit noch den Rubel. Die Vorbereitungen für den Schritt begannen gleich nach der Unabhängigkeit.

Im Jahr 1991 waren mein Geschäftspartner Anatolij Zyganok und ich zur Nationalbank eingeladen“, erinnert sich Dmitrij Lysogorow. „Der Vorsitzende, Kemelbek Nanajew, bot uns an, die nationale Währung zu entwerfen. Als Honorar versprach er uns ein Auto oder eine Wohnung. Wir haben weder das eine, noch das andere jemals bekommen, aber die Arbeit war natürlich auch so für uns von großem Interesse“.

Dmitrij Lysogorow
Der Designer Dmitrij Lysogorow

Den Som zu designen war nicht nur interessant, sonder auch extrem schwierig. In Kirgistan gab es Anfang der 1990er keine Spezialisten auf dem Gebiet und natürlich auch keine Erfahrungswerte. Die Designer konnten auch nicht schnell nach Informationen „googeln“ oder ausländische Experten anschreiben, weil Kirgistan noch nicht ans Internet angeschlossen war.

Weder die Nationalbank noch die Grafikspezialisten nutzten damals Computer. „Man musste die Information Stück für Stück sammeln. Die erste Dienstreise ging nach Litauen, das bereits eine eigene Währung hatte. Aber der dortige Künstler konnte uns nichts besonderes sagen. Er hat uns nur vor seinem Fehler ermahnt, erst die Beamten und dann die Designer über die Arbeitsschritte zu informieren.

Das ließ sich natürlich auch in Kirgistan nicht vermeiden. Die Beamten beschlossen, die ersten Geldscheine in der Türkei zu drücken. Dort wurden überaus günstige Bedingungen geboten.

Anatolij und ich reisten mit einer kirgisischen Delegation nach Ankara, um uns mit dem Design und dem Druck von Geldscheinen vertraut zu machen. Wir wurden sehr gut empfangen. Aber meine Kollegen und ich waren überracht und etwas enttäuscht, dass der ganze Prozess dort manuell ablief“, so Lysogorow.

Aber wen interessiert die Meinung des Designers, wenn die Entscheidung schon auf höchster Ebene gefällt ist?

Während unseres Aufenthalts in Ankara wurde der türkische Tag der Republik im Hotel „Scheraton“ gefeiert. Dort war auch eine große kirgisische Delegation unter der Leitung des Präsidenten Askar Akajew anwesend. Dort haben wir ihn auch getroffen. Wir teiltem Akajew unseren Zweifel ehrlich mit. Er antwortete: ‚Was soll man machen, die erste Geldscheine sollen auf höhstem Niveau hergestellt werden. Wir müssen nach England“, erinnert sich Lysogorow.

Wettrennen mit Kasachstan

In Großbritannien machten sich die Designer mit mit dem ganzen Prozess des Gelddrucks vertraut. Dann begann die eigentliche Arbeit. Man informierte sie, dass sie innerhalb von drei Tagen die ersten Skizzen eines „provisorischen Som“ vorstellen sollten.

Man sagte uns, das es sehr wichtig sei. Wir sollten unsere Nachbarn überholen, damit war natürlich Kasachstan gemeint. Anatolij und ich warfen ein Los: Ich sollte an den Som arbeiten und er an den Tijins (Die Unterteilung des Som. Die ersten Tijins waren aus Papier, Anm. d. Red.)“

Die ersten Geldscheine, die 1993 gedruckt wurden, unterschieden nur durch ihren Wert und ihre Farbe voneinander.

Design Kirgistan Währung Som
Skizzen der ersten kirgisischen Som

Ehrlich gesagt gefielen mir die gedruckten Somsscheine gar nicht. Ich machte die Skizzen mit Buntstiften und viele Details wurden beim Druck nicht berücksichtigt. Auch die Papierqualität ließ sehr zu wünschen übrig. Einmal hat meine Frau eine meiner Hosen mit den neuen Scheinen gewaschen: Die Farbe war weggewischt. Ihre wirtschaftliche und wahrscheinlich auch politische Rolle haben die ersten Somscheine aber erfüllt“, so Lysogorow.

Unbekannter „Drucker“

Lysogorow und sein Kollege Zyganok arbeiteten weiter am Design der eigentlichen Somscheine.

Ohne Computer war die Arbeit sehr aufwändig. Wir haben jedes Detail der zukünftigen Scheine mit Gouache gemalt, mit dem Zoom fotografiert und dann ausgeschnitten, um der Gesamtkompisition einzelne grafische Elemente hinzuzufügen.“ Lysogorows Frau und sein Sohn mussten ihm manchmal dabei helfen.

„Ich arbeitete mit Pigmentdruck. Das ist ganz einfach, aber sehr aufwändig. Am Ende kommt ein optimales Bild dabei raus. Die Engländer fragten uns, welchen Drucker wir nutzten. Wir versuchten ihnen zu verstehen zu geben, dass wir ganz von Hand arbeiteten. Sie glaubten aber uns nicht“, erinnert sich der Designer lachend. „Mehrere Kommissionen arbeiteten am Som. Anatolij und ich waren nur für das Design verantwortlich. Man sagte uns lediglich, wen oder was die Scheine abbilden sollen. Auf dem Zehn-Som Schein sollte zum Beispiel ursprüglich der Schauspieler Muratbek Ryskulow abgebildet sein.

Auch hier hat das Los über der Arbeitsverteilung entschieden: Ich arbeitete an 1, 10, 20 Soms. Anatolij, jeweils, an 5, 50, 100“, fügt Lysogorow hinzu. „Der Zehn-Som Schein ist übrigens auch dadurch interessant, dass die Rückseite wegen des Personenwechsel von mir ausgearbeitet wurde und die Vorderseite von Anatolij Zyganok.

Die ersten Skizzen zeigten die Designer den Parlamentsabgeordneten, aber es gab dazu so viele Meinungen wie Abgeordnete. Um Zeit zu sparen, entschloss sich der Vorsitzende der Nationalbank, nicht mehr um die Absegnung des Parlaments zu bitten. Er schickte die Skizzen an ein Design Büro in den Niederlanden, das sehr davon angetan war. Auch dem Präsidenten Akaej wurden sie vorgelegt.

Kirgistan Währung Som
Entwürfe für die Som-Scheine mit kyrillischen und lateinischen Schriftzeichen

Einige Skizzen trugen Inschriften mit lateinischen Buchstaben. Damals erwog Kirgistan, nach dem Modell von Usbekistan auf die kyrillische Schrift zu verzichten. Man enschloss sich aber letztendlich, nichts zu riskieren.

Neuntausend Som für die Ausarbeitung der nationalen Währung.

Nach getaner Arbeit erhielten die Designer weder ein Auto, noch eine Wohnung. Sie wurden in frisch gedruckten Som bezaht: „Jeder von uns hat neuntausend Som bekommen. Wir haben sie sofort in Dollar umgetauscht, damalt waren das ungefähr viertausend US Dollar. Eine gute Entscheidung, wie sich herausstellte, denn der Som verlor sehr schnell an Wert.“

Danach beschäftigte sich Lysogorow nicht mehr mit dem Design der Somscheine: „Einerseits tat es mir Leid, weil ich schon viel Erfahrung und Kenntnisse erworben hatte. Aber es war Zeit für andere große Projekte.“

Die Entstehung des kirgisischen Passes

Im Jahr 2004 führte Kirgistan einen eigenen Pass ein und Lysogorow wurde kontaktiert, um das Design zu erarbeiten. „Erst musste ich das Staatswappen ‚korrigieren’“, gesteht Lysogorow. „Maler, nicht Designer hatten unser Wappen entworfen. Der genehmigte Entwurf war riesig, anderthalb mal anderthalb Meter. Niemand dachte damals daran, dass das Wappen bei einem Kleindruck zu einem Fleck wird, da alle Details zusammenfließen. Besonders bei einer Goldprägung.

Pass Kirgistan
Der von Lysogorow entworfene kirgisische Pass

Bei der Bearbeitung des Wappens beging Lysogorow aber einen „schlimmen ideologischen Fehler“: „Heute hört es sich natürlich lustig an. Damals machten die Abgeordneten aber so einen Rummel, dass mir das Lachen verging. Ich hatte die falsche Anzahl an Gipfeln in das Wappen gemalt. Ich hätte nie daran gedacht, die Gipfel zu zahlen, es hätten aber genau sieben sein sollen – nach der Anzahl der Gebiete“, erinnert sich Lysogorow.

Das englische Unternehmen, dass die Pässe druckte, beging einen weiteren ideologischen Fehler: „Sie wollten die Anzahl der Sicherheitselemente steigern und fügten von sich aus einen schwarzen Steinadler hinzu. Die Abgeordneten sahen das als Sabotageversuch“, so Lysogorow.

Noch etwas Kurioses: Das englische Unternehmen druckte die kirgisische Pässe in einer Filiale in Kenia: „Sie entschieden sich, dass man den asiatischen Skizzen noch ein paar Farben hinzufügen muss. Und man druckte die kirgisischen Pässe mit hellen roten und gelben afrikanischen Motiven. Natürlich wurden diese „Verschönerungen“ abgelehnt.“

A Propos: Die Pässe, die heute in Kirgistan im Umlauf sind, entsprechen nicht dem fertigen Design von Lysogorow. „Man bat mich, die Skizzen zur Einsicht zu senden. Danach arbeitete ich noch drei weitere Monate daran und modernisierte den Umschlag. Erst dann erfuhr ich, dass das Dokument schon längst gedruckt wurde: Sie meinten, er wäre auch so schon gut gewesen“, sagt der Designer.

Die Lysogorow-Dynastie

Auch heute arbeitet Lysogorow weiter als Designer. Er wird dabei von seiner Frau unterstützt: „Ich muss schon lange nichts mehr ausschneiden und kleben, sondern arbeite mit einer Software. Meine Frau ist Linguistin, für sie ist es ein Kinderspiel, sich Namen und Mottos für unsere Kunden auszudenken.

Die Ganze Familie arbeitet im Kunstgewerbe. Alexej Lysogorow, Dmitrij Lysogorows Sohn, ist ein anerkannter Designer. Dmitrijs Bruder Ewgenij ist Grafiker im Textilbereich. Seine Teppiche werden in den kirgisischen Museen ausgestellt. „Keine Ahnung, woher wir diese Lust auf Kunst haben. Mein Vater war beim Militär, meine Mutter Hausfrau. Aber der Bruder meiner Mutter – Pert Kusmitsch Antonenko – war Maler. Ich habe viel von ihm gelernt“, erzählt Lysogorow.

Schon in der Schule wollte er Designer werden, obwohl es damals solch einen Beruf gar nicht gab: „Zuerst war ich auf der hiesigen Kunsthochschule. Dann ging ich zur Armee und im Anschluss nach Leningrad, an die Kunst- und Industriehochschule namens Muchina. Ich hatte erst mit 30 meine Ausbildung im Bereich „industrielle Grafik und Verpackung“ beendet.“

Lest auch bei Novastan: Die Geschichte des ersten Designers der kirgisischen SSR

Dann arbeitete Lysogorow im Gesamtsowjetischen Institut für technische Ästhetik, nach seiner Rückkehr nach Kirgistan in einem Verlag und später in Moskau, wo er seine interessanteste Arbeitserfahrung im Bereich der Werbung für den Außenhandel erwarb. Lysogorow hat nicht nur den Som und den kirgisischen Pass entworfen, sondern auch Etiketten, Verpackungen, Corporate Designs, Logos, Bücher und Postmarken.

Kunst Dmitrij Lysogorow
Weitere Werke von Dmitrij Lysogorow

Das sowjetische Design stand den westlichen Vorbildern in vielerlei Hinsicht nach. Ich hatte aber das Glück, als Student oft Kontakt zu ausländischen Freunden zu haben. Auch später, bei der Arbeit am Som, bin ich viel herumgekommen. Heutzutage ist es aber viel einfacher, an Information zu gelangen. Man sieht das auch am allgemeinen Niveau des Designs im Land. Wir haben immernoch Nachholbedarf, jetzt aber zehn Jahre, nicht 50. Durch die Globalisierung werden die Designer aber bald nur noch an ihrem Talent gemessen, die Grenzen verschwinden“, erzählt Lysogorow. „Aber vielleicht irre ich mich auch“, fügt er mit einem Lächeln hinzu.

Natalja Timirbaewa
The Open Asia

Aus dem Russischen von Roman Gushchin

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