Ajdana Otorbajewa, 21 Jahre alt, spielt in der kirgisischen Fußballnationalmannschaft. In einem Beitrag für das Internetmagazin „sheisnomad“ erzählt sie über ihren Werdegang. Wir übersetzen den Beitrag mit der freundlichen Genehmigung der Redaktion.
Ich spiele seit 13 Jahren Fußball, aber meine Eltern sagen, dass ich schon spiele, seitdem ich vier bin. Als ich klein war, lief ich schon die ganze Zeit mit einem Ball herum.
Von der Schule in den Profifußball
Als ich in der ersten Klasse war, erfuhr ich von einem Fußballteam für Mädchen an meiner Schule. Aber der Sportlehrer hat mich zuerst nicht in das Team aufgenommen, ich sei noch zu klein dafür. Er mochte mich eh nicht besonders, weil ich ein Störenfried war. Bei meinem zweiten Versuch in der zweiten Klasse wurde ich dann genommen. Schon beim ersten Wettkampf wurde die Trainerin der Frauennationalmannschaft auf mich aufmerksam und lud mich zum professionellen Fußball ein. Ich war damals 8 Jahre alt.
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Die Trainerin meinte später, ihr sei schon damals meine Ballführung und Technik aufgefallen. Vom Körperbau her habe ich mich nie von anderen unterschieden, ich war aber sehr flink und konnte problemlos auch die schwierigsten Bälle bekommen. Wahrscheinlich schätzen die Trainer bis heute genau das an mir.
Im Team waren erwachsene Mädchen, neun bis zehn Jahre älter als ich. Ich habe mich vor ihnen geniert und bin fast zwei Jahre nicht zum Training gegangen. Ich kam nur zu den Turnieren. In der vierten Klasse ging ich dann regelmäßig zum Training, um körperlich in Form zu sein und nicht hinter den anderen Mädchen zurückzubleiben.
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Es gab eine Zeit, als meine Beine nicht mehr mitmachten und ich ungefähr ein Jahr nicht spielen konnte. Die Ärzte sagten, dass ich nie wieder Fußball spielen könne. Das war eine sehr schwierige Zeit, in der ich viele Schmerzen hatte und außerdem die Angst, nie wieder auf das Feld zurückkehren zu können. Zum Glück erholte ich mich allmählich und fand zum Sport zurück. Heute schätze ich jede Trainingsminute. Früher erlaubte ich mir, zu faulenzen und das Training ausfallen zu lassen, aber heute hat der Fußball für mich Priorität.
Der Frauenfußball in Kirgistan
Wir haben im Land sieben Fußballteams. Einen Klub in Bischkek, in Kant und den anderen großen Städten außer Batken und Naryn. Jedes Jahr findet eine Meisterschaft statt, zwei oder drei Runden. Die besten Spielerinnen aus den sieben Klubs kommen in die Nationalmannschaft.
In meiner Familie hat man mir nie gesagt: „Du bist doch ein junges Mädchen, du sollst kein Fußball spielen“. Ich bin das siebte Kind und habe sechs ältere Schwestern. Sie haben mich immer unterstützt. Meine Mutter half mir, meine Trainingstasche zu packen und wenn ich nicht gehen wollte, zum Beispiel im Winter, als es kalt war, haben sie mich immer motiviert.
Ich wollte Journalistin werden, verspätete mich aber zur Aufnahmeprüfung. Mich haben immer die humanitären Fächer interessiert, daher schrieb ich mich für die Philologische Fakultät ein. Da ich ein bisschen schreibe, wollte ich die Grundlagen des korrekten Lesens und Schreibens erlernen. Ich glaube ein Mensch, der lesen und schreiben kann, findet immer eine Beschäftigung. In der Zukunft würde ich gerne ein Buch über meine Erfahrungen herausbringen. Im Moment schreibe ich kleine Notizen, aber bislang reicht mein Wortschatz und das literarische Können nicht aus.
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Wenn es den Fußball nicht gegeben hätte, wäre ich wahrscheinlich ein schlimmes Mädchen gewesen und hätte mich mit Nichtsnutzen umgeben. Aber dafür hatte ich keine Zeit, ich ging immer zum Training, jeden Tag zwei bis zweieinhalb Stunden. Darüber hinaus brachte ich es fertig, schon morgens im Hof zu spielen, dann zum Training zu gehen und abends wieder, nachdem ich die Trainingstasche in den Busch geworfen hatte, mit den Jungs zusammen nach dem Ball zu hetzen.
Perspektiven
Leider wird dem Frauenfußball in unserem Land weniger Beachtung geschenkt, als den männlichen Kollegen. Es gibt Einschränkungen und Diskriminierung. Ich bin davon überzeugt, dass die Männer an der Macht denken, dass Fußball keine Frauensportart ist. Aber Frauenfußball nimmt an Bedeutung zu. Viele kleine Mädchen werden von den Eltern zum Training gebracht.
In Kirgistan verlassen die Mädchen sehr früh den Sport, im Alter von 23 bis 24 Jahren. Sie heiraten dann entweder oder gehen Geld verdienen, um für sich zu sorgen. Wenn du weiter für irgendeinen Club spielst, bekommst du nur ein Stipendium über 5000 Som (knapp 70 Euro). Wegen der Fluktuation wird unsere Nationalmannschaft immer jünger und daher gibt es immer mehr Spielerinnen, denen die Erfahrung fehlt.
Ich bin 21 Jahre alt und für unseren Fußball werde ich schon alt. Wenn ich zum Training gehe, witzeln die Mädchen und sagen, dass „die Alte“ gekommen ist. Kommentare wie „wozu spielst du Fußball, heirate lieber“ erscheinen oft in sozialen Netzwerken unter meinen Fotos.
Ich bin traurig, dass die Mädchen in unserem Fußball nicht träumen können und nicht wissen, wohin sie gehen sollen. Sie kommen zum Training, trainieren, vertreiben ihre Zeit und gehen nach Hause. Es gibt kein professionelles Ziel, es ist mehr ein Hobby.
Warum es mir hier schon zu eng wird und ich ins Ausland gehen will? Um stärker zu werden, muss man mit Starken spielen.
Auf die Frage, ob ich, wenn es notwendig wäre, meine Staatsbürgerschaft ändern und für ein anderes Land spielen würde, habe ich immer mit „nein“ geantwortet. Aber heute sage ich „ja“. Ich weiß, dass das hilft, unseren Mädchen neue Perspektiven aufzuzeigen. Falls ich im Ausland in den besten Clubs spielen und womöglich bei den Welt- oder Europameisterschaften mitmachen werde, dann wird es, denke ich, ihre Motivation steigern. Auch wenn ich mal ein anderes Land vertreten sollte, bleibe ich nach wie vor Kirgisin.
Mit Ajdana Otorbajewa sprach Alina Dschetigenowa
sheisnomad.com
Aus dem Russischen übersetzt von Margarete Buch