Mit insgesamt mehr als 150 Fällen in drei Ländern führt Zentralasien Eindämmungsmaßnahmen gegen den Coronavirus ein. Kasachstan ist mit 80 Fällen am stärksten betroffen, gefolgt von Usbekistan (55 Fälle) und Kirgistan (44 Fälle). Turkmenistan und Tadschikistan melden keine Virusinfektion. Ein Überblick über die Situation.
Zentralasien hat den Kampf gegen die Ausbreitung des Coronavirus Covid-19 eingeleitet. In den drei seit Mitte März betroffenen Ländern (Kasachstan, Kirgistan und Usbekistan) wurden Quarantäne- und Eindämmungsmaßnahmen eingeführt. Der Ausnahmezustand ist jetzt die Norm, wobei immer strengere Regeln zu befolgen sind.
Die betroffenen Staaten haben auch Instrumente entwickelt, um in Echtzeit über die Lage zu informieren. So wurden in Kirgistan, Kasachstan und Usbekistan zum Beispiel zweisprachige Webportals eingerichtet. Auch öffentliche Kanäle des in der Region beliebten Messaging-Dienstes Telegram dienen der Information der Bevölkerung, insbesondere für Kasachstan und Kirgistan.
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Gleichzeitig bestehen Zweifel an der Qualität der von Russland bereitgestellten Tests. Die Region wird fast ausschließlich aus Moskau beliefert. Laut dem Leiter der Abteilung für Infektionskrankheiten der St. Petersburger Polytechnischen Universität seien russische Tests im Vergleich zu den in Europa produzierten „hundertmal weniger empfindlich“ und würden Krankheitserreger nur bei einer hohen Konzentration erkennen, berichtet die russische Zeitung Nowaja Gazeta. Auch gibt es kaum Angaben zur Anzahl der durchgeführten Tests. Die Zahl der Fälle könnte also viel höher sein als angekündigt.
Novastan bietet einen Überblick über die Situation in der Region, Land für Land.
Kirgistan verhängt den Ausnahmezustand
Am Mittwochmorgen, dem 25. März, wurden in Kirgistan 44 Fälle von Covid-19-Coronavirus-Infektionen registriert. 41 von ihnen in Bezirken im Süden des Landes, insbesondere in der Umgebung der Städte Osch und Dschalal-Abad. Die Hauptstadt Bischkek meldet drei Fälle. Nach Angaben der Behörden ist der Gesundheitszustand der infizierten Personen „relativ zufriedenstellend“, nur eine 70 Jahre alte Person befände sich auf der Intensivstation. Mehr als 600 Personen stehen unter medizinischer Beobachtung.
Das Epizentrum der Epidemie ist der Bezirk Susak, in der Nähe von Dschalal-Abad, mit 17 von 42 Fällen. Zu den Betroffenen gehören sowohl Pilger, die von der Omrah aus Mekka zurückgekehrt sind, als auch Menschen, die mit ihnen in Kontakt waren.
Seit dem 25. März, wurde in allen Bezirken mit mindestens einem Fall von Coronavirus der Ausnahmezustand ausgerufen, erst einmal bis zum 15. April. Der entsprechende Präsidialerlass legt unter anderem eine absolute Ausgangssperre von 20.00 Uhr bis 7.00 Uhr fest. Tagsüber können BürgerInnen nur mit einem Ausweis und einem Formular, das ihren Weg beschreibt, in Lebensmittelgeschäfte, Apotheken und medizinische Einrichtungen gehen. Eine Ausnahme gilt für Personen, die in bestimmten Sektoren arbeiten, wie der Lebensmittelproduktion. Taxidienste und der öffentliche Verkehr wurden eingestellt.
Darüber hinaus haben nur Personen Zugang zu Gebieten im Ausnahmezustand, die dort offiziell ansässig sind. Während der Zugang zu Bischkek über 12 Gesundheitsposten kontrolliert wird, kontrollieren 14 weitere Posten den Verkehr innerhalb des Landes. Einige Regionen, die nicht vom Ausnahmezustand betroffen sind, wie Yssyk-Köl, haben ebenfalls den Zugang für die Bewohner eingeschränkt.
Darüber hinaus hat Kirgistan alle Inlandsflüge mit Ausnahme der Transporte von medizinischem Personal gestrichen. Die internationalen Flugverbindungen beschränken sich auf die wöchentlichen Flüge zwischen Bischkek und Moskau/Novosibirsk und zwischen Osch und Moskau.
Maximale Eindämmung in Usbekistan
Usbekistan meldet nach Angaben des Gesundheitsministeriums 55 Fälle von Coronavirus, ohne Angaben zu deren Verteilung nach Regionen zu machen. Unter ihnen waren mindestens 30 Personen von einem Auslandsaufenthalt zurückgekehrt, die anderen hatten Kontakt zu ihnen. Darüber hinaus meldete der nationale Chefarzt Baxrom Almatov am 24. März einen Infektionsfall einer Person ohne intensiven Kontakt mit zuvor infizierten oder aus dem Ausland zurückgekehrten Personen. „Diese Kette wird weitergehen“, zitiert ihn das usbekische Medium Gazeta.uz.
Seit dem 24. März steht die Hauptstadt Taschkent offiziell unter Quarantäne und ist für Nichtansässige gesperrt. Das russische Medium Fergana News beschreibt die Atmosphäre: Desinfektionen von Autos an Gesundheitsposten am Eingang der Stadt, alle Passagiere und der Fahrer müssen ihre Aufenthaltspapiere zur Einfahrt vorlegen. Darüber hinaus müssen alle Märkte und Nicht-Lebensmittelläden geschlossen bleiben.
Am Vortag war eine Regelung in Kraft getreten, die alle Personen in Taschkent dazu verpflichtet, in der Öffentlichkeit Masken zu tragen. Wer sich nicht daran hält, riskiert eine Geldstrafe von mehr als 200.000 Soum (ca. 22 Euro), bei Rückfälligkeit dreimal so viel. Um die Verfügbarkeit von Masken zu gewährleisten, muss die heimische Produktion zwischen 500.000 und zwei Millionen Masken pro Tag liefern.
Darüber hinaus hat Usbekistan seine Grenzen vollständig geschlossen. Die Grenzposten arbeiten nur für Ausländer, die das Land verlassen wollen, und usbekische Bürger, die zurückkehren wollen. Für die Rückführung der letzteren sind Charterflüge geplant. Innerhalb Usbekistans wurden alle Inlandsflüge ausgesetzt.
Schließlich gibt es auch gute Nachrichten für die Personen in Quarantäne: Die Regierung hat es verboten, Internet- und Telefonverbindungen für die nächsten zwei Monate abzuschalten, auch wenn die Rechnungen unbezahlt bleiben. Die Schulden bleiben in dem Fall jedoch bestehen. Strafgelder für verspätete Zahlungen für Wasser und Abwasser werden während der Quarantänezeit aufgehoben. Diese Maßnahmen sind Teil eines Maßnahmenpakets zur Abfederung der sozioökonomischen Auswirkungen der Krise.
Kasachstan jagt Maskendiebe
Kasachstan erlebt das schnellste Wachstum der Pandemie in der Region. Nachdem am 24. März 68 Fälle gemeldet wurden, beschäftigen nun 80 Fälle die politische Klasse des Landes. Am 25. März schließt sich die Stadt Shymkent im Süden des Landes den vom Coronavirus infizierten Städten mit ihrem ersten Fall an, beschreibt Tengrinews. Am stärksten sind die Hauptstadt Nur-Sultan und die wirtschaftliche Metropole Almaty mit 41 bzw. 31 Fällen betroffen.
Nachdem Kasachstan am 16. März den Ausnahmezustand ausgerufen hatte, stellte es Almaty und Nur-Sultan seit dem 19. März unter Quarantäne. Die Eindämmung, die bis zum 15. April dauern soll, könnte verlängert werden, warnte der kasachische Gesundheitsminister Eljan Birtanov. „Die Verlängerung des gesundheitlichen Notstands wird von der epidemiologischen Situation abhängen“, erklärte Birtanov in einem Video, das auf der Facebook-Seite des Ministeriums gepostet wurde. Der Minister schätzte auch, dass der Höhepunkt der Epidemie „in der ersten Aprilhälfte“ eintreten sollte, so das kasachische Medium Zakon.kz.
Der Minister will zuversichtlich sein. „Wir hoffen, dass die Zahl der Fälle bis zum 15. April allmählich zurückgeht. Sie wird abnehmen“, wird Birtanov von Tengrinews zitiert.
Um die Epidemie zu bekämpfen, jagt die kasachstanische Regierung derzeit Diebe und Menschen, die verteuerte Masken verkaufen, berichtet Zakon.kz. Infolgedessen wurden 3 Millionen Masken und 16 Tonnen hydro-alkoholisches Gel dem Gesundheitspersonal zur Verfügung gestellt.
Darüber hinaus haben Geschäftsleute einen Fonds von 40 Millionen US Dollar (36,9 Millionen Euro) für bedürftige Familien eingerichtet, so die Medienagentur Informburo.kz. Vier Tage lang werden 7.000 Familien von dieser Hilfe profitieren, die von Mitgliedern des kasachischen Parlaments kontrolliert wird.
Turkmenistan verstärkt seine internen Kontrollen
In Turkmenistan gibt es offiziell keinen Fall von Coronavirus. Es war das erste Land in der Region, das Anfang März seine Grenzen schloss und ein strenges Testverfahren für die wenigen Ausländer einführte, die in sein Hoheitsgebiet einreisen. Mehr als drei Wochen nach diesen ersten Maßnahmen meldet Aschgabat weiterhin keine Fälle.
Wie jedoch Fergana News beschreibt, hat sich mindestens eine Turkmenin in Zypern mit dem Coronavirus angesteckt.
Der Transport zwischen den Regionen des Landes wurde weitgehend eingeschränkt. Wie Radio Azatlyk, die turkmenische Version des US-Medienunternehmens Radio Free Europe, berichtet, müssen Menschen, die von Region zu Region reisen, ein ärztliches Attest mit sich führen. Dazu gehören eine Blutuntersuchung und eine Röntgenaufnahme der Brust.
Als weiteres Zeichen eines unausgesprochenen Kampfes hat Aschgabat eine Übergangsregelung für die Ankunft von Waren im Land getroffen. Wie Fergana News erklärt, müssen seit dem 24. März in das Land einfahrende Lastwagen ihre Waren an der Grenze lassen, ehe sie von turkmenischen Transportunternehmen ins Land gebracht werden.
Tadschikistan organisiert weiterhin öffentliche Veranstaltungen
Wie Turkmenistan hat auch Tadschikistan bisher keinen Fall von Coronavirus gemeldet. Seit Anfang Februar wurden jedoch mehr als 5.000 Menschen in Quarantäne gestellt, von denen mehr als 3.000 noch immer dort sind, beschreibt das tadschikische Medium Avesta.tj.
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Seit dem 20. März sind alle Flugverbindungen nach Tadschikistan ausgesetzt, mit Ausnahme von Charterflügen zur Rückführung tadschikischer Bürger aus Russland. Darüber hinaus hat das Land am 24. März seine Landgrenze zu Kirgistan bis auf weiteres geschlossen, nachdem es zuvor seine Grenzen zu China, Afghanistan und Usbekistan geschlossen hatte.
Es gibt jedoch weder Eindämmungsmaßnahmen innerhalb des Landes noch Beschränkungen für öffentliche Veranstaltungen. Wie das tadschikische Medienunternehmen Asia Plus feststellt, wurden entgegen den Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation mehrere öffentliche Feiern zum persischen Neujahrsfest in Nourouz organisiert. Seit dem 20. März sind öffentliche Gebete in Moscheen wieder erlaubt, nachdem alle betreffenden Einrichtungen desinfiziert wurden.
Etienne Combier und Florian Coppenrath
Novastan.org
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