(Dieser Artikel erschien ursprünglich beim russischen Businessmagazin „Sekret Firmy“. Wir übersetzen ihn mit der freundlichen Genehmigung der Redaktion.)
Die Bitcoins und ihre Zukunft sind weltweit ein Thema. Manche verbieten sie, andere verdienen an ihnen. In manchen Entwicklungsländern sind Kryptowährungen ein Weg, um das Leben der Bürger zu vereinfachen. Kirgistan ist einer der Orte, in dem die Probleme der Bitcoin-Wirtschaft und die Fülle ihrer Möglichkeiten zu beobachten sind. Eine Reportage aus Bischkek.
Die Pizzeria Dolce Vita ist ein guter Ort, um vor der Sommerhitze in Bischkek zu fliehen. Die Kundschaft ist bunt: Ein Mädchen mit weißen Bändchen im Haar feiert ihren fünften Geburtstag mit ihren Freunden und Erwachsenen, die sich um die Torte kümmern.
Dahinter eine Gruppe Fünfzigjähriger beim Bier. Aus einer anderen Ecke hört man Englisch. Zwischen den Tischen strahlt das Lächeln von Giorgio, einem Italiener, der seit 20 Jahren in Bischkek lebt.
Damals öffnete er die erste Pizzeria Kirgistans, die sich seitdem kaum verändert hat. Einfache Möbel aus massivem Holz, Tüll an den Fenstern, Bilder „mit italienischen Motiven“ an den Wänden: Eine Zeitreise in die 1990er.
Der Eistee wird in Bierkrügen serviert und kostet acht Hundertstel eines Bitcoins. Zur Zahlung reicht Giorgio sein Smartphone mit dem QR-Code seines Bitcoin-Geldbeutels.
Nach ein paar Minuten Ringen mit der Internetverbindung geht die Zahlung durch. Das Dolce Vita ist der einzige Betrieb in Kirgistan, in dem man mit Bitcoins zahlen kann. In der Pizzeria steht auch das erste Bitcoin-Terminal Zentralasiens.
Dieses Terminal wurde vor zwei Jahren von lokalen Technologie-Enthusiasten ins Land gebracht: Nasik Tschonojewa und ihr italienischer Mann Emanuele Costa. Beide arbeiten in der Finanzbranche. Mit dem Terminal kann man Dollar in Bitcoins tauschen. Am Eingang des Dolce Vita steht nun neben den Visa- und Mastercard-Logos auch die Inschrift „Bitcoins“.
„Es kamen sehr viele Leute zur Vorstellung des Terminals. Vor allem Banker. Auch Angestellte der Nationalbank. Alle waren neugierig zu erfahren, was es damit auf sich hat. Damals hatten nur sehr wenige bei uns von Bitcoins gehört“, erinnert sich Nasik bei einer Pizza mit Artischoken.
Schwieriger Anfang
Nasik ist gerade aus Japan zurückgekehrt, wo sie mit Emanuele ein Startup beriet, das mit Kryptowährungen arbeitet. Bitcoins sind ein Hobby für die beiden. Ihr Hauptgewerbe ist die Firma Kyrstone, die sich mit Investitionsmanagement beschäftigt.
Für dieses Unternehmen schrieb Emanuele, der bereits für Goldman Sachs und Barclays gearbeitet hat, einen Algorithmus, um jederzeit die profitabelsten Finanzanlagen auszumachen.
„Wir haben vor drei, vier Jahren von Bitcoins erfahren. Anfangs haben wir 1500 US Dollar in Bitcoins gewechselt. Damals wuchs ihr Wert sehr schnell auf 20 US Dollar, dann auf 50. Und dann immer weiter“, erzählt Nasik. „Irgendwann kam uns die Idee, ein Terminal zu kaufen.
Zu dem Zeitpunkt erschien das Terminal Lamassu, das mit 6000 US Dollar mehr als dreimal günstiger war als die zuvor käuflichen Terminals. Die Entwickler haben speziell für uns ein russisches Interface erstellt. Ein halbes Jahr nach der Bestellung stand es bei uns.“ Das Ergebnis war zunächst enttäuschend.
Die Bitcoins verloren stark an Wert (im Sommer 2015 lag ihr Wert am niedrigsten, um 230 US Dollar). Alle lokalen Zeitungen schrieben über das Terminal, aber ohne Ergebnisse. Die ersten Monate blieb es unbenutzt.
Das Ehepaar erwog sogar, es wieder zu verkaufen. Der kirgisische Bitcoin-Markt wurde dann aber von Unternehmern gerettet, die begannen, ausländische Produkte in Bitcoins zu kaufen. Manche chinesischen Lieferanten bieten bis zu 8 Prozent Rabatt bei Zahlungen in Bitcoins. Auch westliche Firmen unterstützen die Kryptowährung: Microsoft und Dell bieten Ermäßigungen für Bitcoin-Nutzer.
Heute nutzen monatlich drei, vier Personen das Terminal. Jeden Monat werden Bitcoins im Wert von 1500 US Dollar gekauft.
„Natürlich müssen wir noch lange warten, bis die Investition in das Terminal ihre Früchte trägt, aber wir haben uns entschieden es stehen zu lassen. Jetzt wo sich ein gewisses Interesse zeigt“, sagt Emanuele mit einem starken italienischen Akzent und lächelt.
Erfolge
Der bischkeker Programmierer Alexej Baryschnikow arbeitet für ein Start-up. Vor ein paar Jahren fand er eine Heimarbeit in Australien. Später begann dieselbe Firma die Entwicklung der Bitcoin-Börse Independent Reserve, wozu er wieder eingestellt wurde.
Noch bevor die Börse funktionierte, konnten die Gründer eine halbe Million US-Dollar Investitionen anziehen. Die Vorbereitung dauerte eineinhalb Jahre und sie wurde im Oktober 2014 eröffnet. Innerhalb eines Jahres wuchs die Kundenzahl auf 2000 Personen.
Die Ergebnisse entsprechen dem Business Plan des Start-ups. Und es gibt noch Wachstumspotential. Zum Vergleich: Die zwei größten Bitcoin-Börsen Austaliens (CoinJar und BitTradeAustralia) haben zusammen 40 000 Nutzer.
Wie Baryschnikow erklärt, gibt es im Internet schon Konkurrenz zwischen solchen Börsen. Independent Reserve gewinnt ihre Nische dank einer strengen Positionierung. „Wir haben ein seriöses Design, keine Hipster-Bilder. Wir möchten, dass die Nutzer uns als Geschäftsleute sehen“, sagt er.
Baryschnikow hofft, dass er eines Tages ein eigenes Geschäft mit Kryptowährungen in Bischkek eröffnen kann. „Ich würde sehr gerne selbst eine online-Tauschbörse für Bitcoins eröffnen. Ich habe bereits Gespräche mit Internetgeschäften und Business Katalysatoren geführt und beobachtet, dass es dafür eine Nachfrage gibt. Leider ist die Gesetzeslage nicht hilfreich. Ich möchte legal daran arbeiten, anders ist es einfach sinnlos“.
Die Benutzererfahrung
Mussa Maschitow benutzt schon seit vier Jahren Bitcoins. 2011 studierte er Finanzen in London, ein Kommilitone riet im dazu, Kryptowährungen zu kaufen. Er kaufte 100 Bitcoins für 3000 US Dollar.
Nach zwei Jahren, als der Bitcoin-Kurs auf 100 US Dollar stieg, verkaufte er sie. Heute hält Maschitow keine Ersparnisse in Bitcoins, nutzt sie aber regelmäßig um Waren aus den Vereinigten Staaten und Europa zu kaufen.
Einst kaufte er sogar ein paar Iphones zum Wiederverkauf, aber so weit sind Bitcoins nicht verbreitet. Nicht genug für ein groß angelegtes Geschäft dieser Art.
Vor kurzem schloss er seine Firma, die Flugtickets nach Europa verkaufte. Die russische Krise reicht bis nach Kirgistan und viele können sich die Flüge ins Ausland nicht mehr leisten.
Mussa zog nach Moskau und gründete ein neues Geschäft zur Miete und Untermiete von Immobilien. Er ist aber eine seltene Ausnahme. Die Mehrheit der Einwohner Kirgistans haben nicht nur nie mit Bitcoins gehandelt, sondern wissen noch nicht einmal nicht von ihrer Existenz.
Eine neue Chance für Fremdarbeiter
So auch Asimbek, der vor drei Jahren aus seinem Dorf in Kirgistan nach Moskau gezogen ist. Von seinem Smartphone aus geht er jeden Tag ins Internet, hat aber von Bitcoins nie gehört. Er sagt, dass es Probleme mit den Geldüberweisungen in die Heimat gibt.
Üblicherweise verliert er 500 Rubel bei jeder Transaktion. Das sind drei Prozent seines Monatslohns. Für Asimbek wie für andere ist das ein starker Anreiz, Bitcoins zu nutzen. Genau wie all die, die nicht mehr für SMS zahlen wollten, heute Internet-Messenger nutzen.
Polina Potapowa
Redakteurin für das russische Businessmagazin „Sekret Firmy“
Aus dem Russischen übersetzt von Florian Coppenrath