Startseite      Wie sich die Familie Abdukadyr an der Korruption in Zentralasien bereicherte und ein globales Geschäftsimperium aufbaute

Wie sich die Familie Abdukadyr an der Korruption in Zentralasien bereicherte und ein globales Geschäftsimperium aufbaute

Im Jahr 2019 deckte das Investigativ-Organ OCCRP das Handelsmonopol der Abdukadyr-Familie auf, das auf Bestechung und vermutlich auch Schmuggel beruht. Seitdem sind sie nur noch mächtiger geworden: Die Abdukadyrs haben neue politische Verbindungen und milliardenschwere Investitionsprojekte in aller Welt. Den Artikel übersetzen wir mit freundlicher Genehmigung der Redaktion von Kloop. Zahlreiche Fotos befinden sich im Originalartikel.

Collage: James O'Brien / OCCRP
Collage: James O'Brien / OCCRP

Im Jahr 2019 deckte das Investigativ-Organ OCCRP das Handelsmonopol der Abdukadyr-Familie auf, das auf Bestechung und vermutlich auch Schmuggel beruht. Seitdem sind sie nur noch mächtiger geworden: Die Abdukadyrs haben neue politische Verbindungen und milliardenschwere Investitionsprojekte in aller Welt. Den Artikel übersetzen wir mit freundlicher Genehmigung der Redaktion von Kloop. Zahlreiche Fotos befinden sich im Originalartikel.

Ein 43-stöckiger Wolkenkratzer an der Uferpromenade von Dubai. Ein Elitehotel im Zentrum des alten Samarkand. Ein Londoner Herrenhaus mit sieben Schlafzimmern. Ein Gaspipelinenetz, das eine Stadt in Kasachstan versorgt. Eine neue Untersuchung von OCCRP, Radio Ozodlik, Kloop und Vlast hat ergeben, dass all diese milliardenschweren Vermögenswerte ein und derselben Familie gehören.

Die Abdukadyrs halten sich aus gutem Grund bedeckt. Im Jahr 2019 wurde aufgedeckt, wie der Clan zu seinem Vermögen gekommen ist: Der älteste der vier Brüder, Habibula Abdukadyr, schuf ein Handelsmonopol, das riesige Gewinne einbrachte und auf dem Versand chinesischer Waren nach Kirgistan, Usbekistan und in andere Länder basierte – alles mit Unterstützung korrupter Zollbeamter.

Als die kirgisische Bevölkerung von den Zollmanipulationen erfuhr, gingen viele auf die Straße und protestierten, woraufhin Abdukadyr die Korruption eingestand. Dennoch ist die Familie nicht zur Rechenschaft gezogen worden. Ihre Unternehmen in Deutschland, den Vereinigten Staaten, der Türkei und anderen Ländern, in die sie das gewaschene Geld geschleust haben sollen, wurden nicht geschlossen. Was die Abdukadyrs mit diesem Geld gemacht haben, bleibt ein Geheimnis.

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Der Clan hat in den letzten Jahren in neue legale Unternehmen investiert. Unternehmens- und Grundbucheinträge, staatliche Investitionsaufzeichnungen, interne Unternehmensdokumente und andere Quellen deuten darauf hin, dass die Abdukadyrs mindestens zwei Milliarden Dollar in Projekte und Luxusgüter auf verschiedenen Kontinenten investiert haben (eine Schätzung, in der Vermögenswerte von unbekanntem Wert nicht enthalten sind).

Das meiste Geld floss in die den Abdukadyrs vertraute zentralasiatische Region, wo der Clan ganze Stadtteile, Zollterminals und sogar ein islamisches Studienzentrum baut. In Usbekistan zählen sie zu den größten „ausländischen Investoren“. Die örtliche Führungselite und sogar die Staatsführung akzeptierte die Abdukadyrs bereitwillig, obwohl ihr mutmaßliches Schmuggelimperium und ihre Geldwäschesysteme zu diesem Zeitpunkt bereits seit über drei Jahren bekannt waren.

Abdukadyrs Geldwäscher deckt Schmuggelimperium auf

Das Schmuggelimperium, das Habibula Abdukadyr aufgebaut haben soll, wurde erstmals von Ayerken Saimaiti aufgedeckt, einem Geldwäscher, der sich 2019 an eine Gruppe von Journalist:innen wandte. Er legte zahlreiche Dokumente vor und enthüllte, dass er persönlich Hunderte von Millionen Dollar für den Abdukadyr-Clan aus Zentralasien von Bankkonten in verschiedenen Ländern abgehoben hatte.

Wenige Wochen nach seinem letzten Treffen mit Journalist:innen wurde Saimaiti in Istanbul erschossen – die Hintermänner des Mordes sind noch nicht gefunden. Es gelang ihm jedoch, genügend Informationen weiterzugeben, so dass Abdukadyrs Machenschaften aufgedeckt werden konnten. Der Clan verschaffte sich einen Vorteil, indem er sich mit Raimbek Matraimov, dem damaligen stellvertretenden Leiter des kirgisischen Zolls, zusammenschloss. Abdukadyrs Fahrzeuge wurden ohne Weiteres durchgelassen, während die Ladungen der Konkurrenz blockiert wurden. Auf diese Weise monopolisierte die Familie die Handelskanäle, über die Waren aus China in die zentralasiatischen Länder befördert werden, und verdiente ein riesiges Vermögen.

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Die meisten der über Kirgistan gelieferten Schmuggelwaren wurden über den Abu-Sahii-Markt an der Umgehungsstraße von Taschkent weiterverkauft. Anschließend musste das Geld sicher aus Usbekistan auf ausländische Bankkonten gebracht werden. Nach Angaben von Saimaiti wurde das Geld in den Rädern von Lastwagen versteckt und über die Grenze zurück nach Kirgistan gebracht. Die bewaffneten Männer lieferten das Geld dann an Saimaiti, der es auf Bankkonten vor Ort einzahlte. Um den Anschein der Legalität zu erwecken, fälschte er Dokumente und gab an, das Geld auf seinem eigenen Markt in Kirgistan verdient zu haben.

Das Geld musste schließlich ins Ausland geschafft werden. Manchmal heuerte Saimaiti einkommensschwache Personen an, z. B. Taxifahrer, die das Geld in Taschen nach Istanbul transportierten. Viele der Transaktionen erregten Verdacht, wie aus Dokumenten des US-Finanzministeriums hervorgeht. Dennoch funktionierte das System weiter. Spätere Ermittlungen ergaben, dass Saimaiti fast eine Milliarde Dollar aus dem Land abgezogen hatte.

Großteil der gewaschenen Gelder kehrt nach Zentralasien zurück

Mit dem von ihnen veruntreuten Geld kauften die Abdukadyrs unter anderem eine Villa in Dubai oder ein Haus in den Vereinigten Staaten. Ein Großteil des Geldes landete in den Vereinigten Arabischen Emiraten: Eine lokale Holdinggesellschaft baut in Dubai zwei Wolkenkratzer und das Unternehmen hat Pläne für ein 24-stöckiges Hotel.

Das meiste Geld scheint jedoch dorthin zurückgeflossen zu sein, wo alles begann: Abdukadyrs Unternehmen sind zu Investoren in Multimillionen-Dollar-Projekte in Zentralasien geworden. Dazu gehören Palvan Insaat Turizm Lojistik Sanayi Ticaret (Türkei), AKA-Petroleum (Deutschland) und Urumqi Kailingda International Trade Co. (China). Die Jahresabschlüsse vieler Unternehmen liegen nicht vor, sodass nicht mit Sicherheit gesagt werden kann, dass sie das von Saimaiti erhaltene Geld investiert haben. Die Abdukadyr-Firmen in Deutschland und im Vereinigten Königreich, die ihre Bilanzen veröffentlichen, sind jedoch kaum oder gar nicht kommerziell tätig und verfügen über keine anderen Finanzierungsquellen.

Abdukadyrs in Usbekistan und Kirgistan als „ausländische Investoren“ bezeichnet

Das Geld der Abdukadyrs wurde so weit legalisiert, dass viele Projekte des Clans in Zentralasien als wichtige ausländische Investitionen bezeichnet werden. Das investierte Geld stammt tatsächlich von Abdukadyrs Unternehmen in der Türkei, Deutschland und anderen Ländern. Die Verwaltung in Taschkent hat ein Video veröffentlicht, in dem sie eine der usbekischen Fabriken des Clans als „ausländisches Unternehmen“ bezeichnet, das „fortschrittliche Technologie und Ausrüstung“ einsetzt und „bereits 325 Arbeitsplätze geschaffen hat.“

Für ihre Projekte werden den Abdukadyrs regelmäßig staatliches Land zur Verfügung gestellt: Eine Reihe ihrer Fabriken befindet sich in Sonderwirtschaftszonen, die steuerliche und andere Vorteile bieten. Sie genießen auch andere Privilegien: Die Regierung hat möglicherweise dazu beigetragen, dass das von den Abdukadyrs kontrollierte Zollterminal und Logistikzentrum am internationalen Flughafen von Taschkent den Markt beherrscht. Der Clan steht auch hinter einem Projekt in Turkestan, der „geistigen Hauptstadt der türkischen Welt“, das als persönliches Geschenk des Präsidenten Usbekistans, Shavkat Mirziyoyevs, an das benachbarte Kasachstan gilt.

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Auch in Kirgistan sind solche Netzwerke zu beobachten: Präsident Sadyr Dschaparow verdankt seine derzeitige Position in gewissem Maße früheren Ermittlungen gegen die Abdukadyrs. Nachdem das Abdukadyr-Imperium und dessen Verbindungen zu Raimbek Matraimov aufgedeckt worden waren sowie die von diesem unterstützte politische Partei bei unfairen Parlamentswahlen den zweiten Platz belegte, gingen viele empörte Bürger:innen Kirgistans auf die Straße. Die Wahlergebnisse wurden annulliert und hinter den Kulissen wurde Dschaparow Präsident.

Bei seinem Amtsantritt versprach er, die weitverbreitete Korruption im Land zu bekämpfen. Matraimow gestand seine Beteiligung an Abdukadyrs Machenschaften und übergab mehrere Grundstücke an den Staat. Inzwischen scheint jedoch der mutmaßliche Organisator des Untergrundimperiums, Habibula Abdukadyr, zu einem wertvollen ausländischen Investor geworden zu sein. Im März dieses Jahres nahm er zusammen mit Präsident Dschaparow an zwei Zeremonien teil, die den Baubeginn einer neuen Moschee und eines großen Wohnkomplexes in Bischkek markierten. Wie sich herausstellte, handelte es sich dabei um Abdukadyrs Projekte.

Was die westliche Experten dazu meinen

David M. Luna, ehemaliger US-Diplomat und Exekutivdirektor der International Coalition Against Illegal Economies, meint, dass der Kampf gegen die Korruption kontinuierlich geführt werden muss: „In Autokratien zwingt der korrumpierende Einfluss von Kriminellen die herrschenden Eliten dazu, ihre Taschen zu füllen und schmutziges Geld zu waschen. Und in Demokratien, in denen die Kleptokratie regiert, verstärkt der Machtmissbrauch durch korrupte Beamte oft missbräuchliche Machtsysteme und provoziert Instabilität, was zum Zusammenbruch von Volkswirtschaften führt.“

Christian Lasslett, Professor für Kriminologie an der Universität Ulster, der sich konkret mit den Abdukadyrs beschäftigt, ist der Meinung, dass deren Investitionen der Wirtschaft und der politischen Freiheit Usbekistans und Kirgistans schaden: „Solche Investitionen nähren die Kleptokratie. So sollte eine freie Marktwirtschaft nicht funktionieren. Das ist einfach politische Klientelpolitik.“

OCCRP, Radio Ozodlik, Kloop & Vlast

Aus dem Russischen von Michèle Häfliger

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