Um das 10. Jahrhundert herum wurden die entscheidenden Weichen dafür gestellt, dass der Islam in Zentralasien zu der Mehrheitsreligion wurde, die er heute ist. Frantz Grenet, ein französischer Historiker und Spezialist auf diesem Gebiet, hat auf einer Konferenz das Zusammenspiel der Religionen detailliert beschrieben.
Zentralasien ist heutzutage überwiegend muslimisch. Doch im 10. Jahrhundert gab es hier eine bedeutsame Koexistenz verschiedener Religionen. Zu diesem Thema hat am 2. März eine Konferenz stattgefunden. Sie wurde von dem französischen Historiker Frantz Grenet in Kooperation mit dem Zentrum für zentralasiatische Studien der Universität von Indiana organisiert und für alle Interessierten frei zugänglich online abgehalten.
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Bei angenehmer Atmosphäre, nur gelegentlich von den Unwägbarkeiten der digitalen Kommunikation unterbrochen, stellte Grenet das 10. Jahrhundert aus religionsgeschichtlicher Perspektive dar. In Zentralasien, wo schon Juden, Christen, Manichäer und Zoroastrier lebten, konnte sich der Islam in diesem Jahrhundert ausbreiten. Ausgehend von seinen eigenen Forschungen und den seiner Kollegen half der Historiker den Teilnehmern ein komplexes und wenig bekanntes Thema zu verstehen.
Koexistenz der Religionen
Um die historische Situation des 10. Jahrhunderts zu erklären, setzte Frantz Grenet in seiner Darstellung schon einige Jahrhunderte früher an. Als der Islam im 8. Jahrhundert in die Region kam, war gemäß dem Forscher schon „eine überraschende Vitalität“ anderer Religionen zu beobachten. Im 5. Jahrhundert v. Chr. breitete sich das Judentum in der Region aus. Seine Ausbreitung steht mit dem Achäminidenreich (559-330 v. Chr.) in Verbindung. Dieses reichte vom heutigen Libyen bis nach Pakistan. Babylonien, eine Region im heutigen Irak, beheimatete damals eine große jüdische Gemeinde, die sich über ganz Zentralasien, vor allem nach Samarkand ausbreitete. Wie Dokumente aus dem 11. Jahrhundert belegen, waren Juden in den Staatsapparat Afghanistans eingebunden und im Herrschaftsgebiet der Chasaren im heutigen Kasachstan wurde das Judentum von der türkischen Aristokratie sogar zur Staatsreligion erhoben.
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Auch der Manichäismus spielte in Zentralasien eine wichtige Rolle. Er gelangte im 3. Jahrhundert mit der Ankunft der Sassaniden (224-651) in die Region wie die Klöster in Baktrien und Samarkand bezeugen. Samarkand war ein religiöser Knotenpunkt von herausragender Bedeutung für die Religionsgeschichte Zentralasiens. Von hier aus aus kam der Manichäismus nach Xinjiang und schuf so eine Achse zwischen Samarkand und Turpan. In der Nähe dieser Stadt fand man illustrierte manichäische Manuskripte, die sich heute in Berlin befinden. Der Manichäismus ist eine synkretistische Religion, die islamische, christliche und buddhistische Elemente in sich vereint. Sowohl seine Entstehung als auch seine Ausbreitung sind eng mit der Entwicklung dieser drei Religionen verknüpft.
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Ungefähr zur gleichen Zeit wie der Manichäismus kam das Christentum nach Zentralasien. 30 Kilometer entfernt von Samarkand, in der Stadt Urgut, finden sich Überreste einer Kirche aus dem 8. Jahrhundert. Von hier aus breitete sich das Christentum über China bis in die Mongolei aus. Schließlich gelangte mit den Sassaniden auch der Zoroastrismus nach Zentralasien. Zahlreichen Quellen zufolge führten die Mitglieder dieser Religionsgemeinschaft ein zurückgezogenes Leben und entwickelten neue landwirtschaftliche Bewässerungstechniken.
Die Ausbreitung des Islams
Zwar gelangte der Islam schon zuvor über Handelsrouten nach Zentralasien, aber erst mit dem 8. Jahrhundert begann er sich hier nennenswert im Zuge der arabischen Expansion in die heutigen Usbekistan und Kasachstan auszubreiten. Allmählich wurde der Islam zur dominierenden Religion, respektierte dabei aber auch die anderen, bereits bestehenden Religionen. Samarkand spielte als bedeutendes Zentrum der Papierproduktion auch bei der Ausbreitung des Islam eine entscheidende Rolle. Im Jahr 1000 hatte sich der Islam in Zentralasien konsolidiert und von dort weiter nach Indien und in das heutige Pakistan verbreitet.
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Michel Tardieu, ein Kollege von Frantz Grenet, wies darauf hin, dass sich diese Epoche durch eine ganz neue Art und Weise des religiösen Zusammenlebens auszeichnete. Grenet unterstrich dabei aber auch, dass die Archäologie nicht mehr als eine Ahnung von diesem Zusammenleben vermitteln könne. Herauszufinden, wie es damals wirklich und im Einzelnen gewesen sei, sei sehr kompliziert.
Mathis Puyo, Redakteur für Novastan
Aus dem Französischen von Lucas Kühne
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