Tadschikistan stand 2020 auf Platz 2 der Länder, deren BürgerInnen die meisten russischen Pässe erhalten haben. Eine Rekordzahl von 63.000 TadschikInnen erhielt im letzten Jahr die Staatsbürgerschaft des Landes. Der Artikel erschien am 18. Februar 2021 im englischsprachigen Original auf Voices on Central Asia. Wir übersetzen ihn mit freundlicher Genehmigung der Redaktion.
Das Jahr 2020 hat die Mobilität von Menschen auf der ganzen Welt massiv gebremst, mit Domino-Effekten für die Migration und deren Legalisierung – also den Empfang von Aufenthaltsrecht regulierenden Dokumenten. Die Schließung von Grenzen, inklusive derer zwischen Russland und den zentralasiatischen Republiken, bedeutete, dass mehr als die Hälfte der WanderarbeiterInnen nicht nach Russland gelangen konnten, während diejenigen, die ihre Jobs verloren, zurück in ihre Heimat mussten. Zum Glück derer, die blieben, gewährten die russischen Behörden angesichts eines Arbeitskräftemangels Erleichterungen: Sie verlängerten Dokumente und stoppten Deportationen.
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So hat die Russische Föderation, obwohl die Pandemie die Zahl der MigrantInnen wohl bremste, eine Rekordzahl von Pässen an neue Staatsangehörige ausgestellt – fast 660.000! Hier ist eine Übersicht über die offiziellen, vom russischen Innenministerium veröffentlichten Migrationszahlen. Sie zeigen einige bemerkenswerte Trends über ZentralasiatInnen in Russland.
Neue RussInnen
Circa 145.000 Menschen aus Zentralasien wurden 2020 russische Staatsangehörige. Das sind etwa 20.000 mehr als im vorigen Jahr. Der Zuwachs geht vor allem auf das Konto tadschikischer BürgerInnen, welche damit die KasachstanerInnen als die zentralasiatische Gruppe mit den jährlich meisten erhaltenen russischen Pässe überholten. Weltweit landet Tadschikistan auf diesem eigentümlichen Ranking nur hinter der Ukraine, aus welcher hunderttausende ehemalige oder derzeitige Staatsangehörige russische Pässe erhalten haben. 2020 erhielten fast 410.000 UkrainerInnen die russische Staatsbürgerschaft durch einen vereinfachten Prozess; damit stellen sie 63 Prozent aller neuen RussInnen in diesem Jahr.
Die ehemaligen sowjetischen Republiken (ausgenommen der baltischen Staaten, Georgien und Turkmenistan) erhalten ihr traditionelles Interesse an der russischen Staatsbürgerschaft, was sich auch in einer fünfstelligen Zahl an Bewerbungen widerspiegelt. Unter allen zentralasiatischen Republiken wurden 2020 mehr neue RussInnen als 2019 verzeichnet – nur mit Ausnahme von Kasachstan mit einem Rückgang um 7.000 im Vorjahresvergleich. In Kasachstan sind es insbesondere ethnische RussInnen, die sich um eine russische Staatsbürgerschaft bewerben.
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Sollten vereinfachte Verfahren für legale Wanderarbeit implementiert werden, ist es möglich, dass die Zahl der ZentralasiatInnen, welche eine russische Staatsbürgerschaft erlangen wollen, sinkt. Letztlich ist der Grund für den Nationalitätenwechsel die Möglichkeit, legal und ohne Einschränkungen oder eine teure Arbeitserlaubnis in der Russischen Föderation zu arbeiten. Dies könnte die relativ geringe BewerberInnenzahl aus Kirgistan erklären, da KirgisInnen durch Regelungen der Eurasischen Wirtschaftsunion ohnehin bereits mit ihrem eigenen Pass in Russland arbeiten können.
Die relativ niedrige Zahl von UsbekInnen, welche die russische Staatsbürgerschaft erlangen (weniger als zum Beispiel ArmenierInnen und fast so viele wie MoldauerInnen und AserbaischanderInnen) lässt sich durch das strikte Verbot von doppelten Staatsbürgerschaften erklären – diese müssen durch den Präsidenten selbst unterzeichnet werden. Ferner bewerben sich UsbekInnen und TurkmenInnen eher für eine Staatsbürgerschaft außerhalb der GUS-Staaten. Einige TurkmenInnen erhielten bis 2003 eine doppelte Staatsbürgerschaft mit Russland, jetzt können sie das Land allerdings nicht mehr ohne Visum betreten.
Werdende RussInnen
In Russland müssen potentielle StaatsbürgerInnen zunächst eine Aufenthaltsgenehmigung erhalten. 2020 taten dies fast 225.000 Menschen – 40.000 mehr als im Vorjahr. Dieser Zuwachs geht insbesondere auf ZentralasiatInnen zurück. Tadschikistan verzeichnet dabei die größte Anzahl erhaltener Aufenthaltsgenehmigungen (50.000). UkrainerInnen erhielten weniger als 37.000, gefolgt von KasachstanerInnen und UsbekInnen mit jeweils etwa 25.000.
In der Zählung derjenigen, die am Ende des Jahres mit einer gültigen Aufenthaltsgenehmigung lebten, lagen Tadschikistan und Usbekistan auf Platz zwei und drei hinter der Ukraine. Zu Neujahr besaßen weniger als 125.000 UkrainerInnen eine Bleiberechtskarte in Russland (30.000 weniger als im Vorjahr). AserbaidschanerInnen (60.000) und ArmenierInnen (56.000) belegten die restlichen Plätze der Top 5. Insgesamt hatten mehr KasachstanerInnen als BelarussInnen (35.000) eine russische Aufenthaltsgenehmigung. Bei den TurkmenInnen waren es allerdings weniger als bei den VietnamesInnen (11.000).
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Seit Ende 2019 wurden russische Aufenthaltsgenehmigungen ohne Ablaufdatum vergeben (zuvor musste das Dokument alle fünf Jahre erneuert werden). So müssen Menschen mit Aufenthaltsgenehmigungen nicht mehr den zeitaufwändigen und entkräftenden Prozess durchlaufen, um letztendlich auch die Staatsbürgerschaft zu erlangen. Das war wahrscheinlich der Sinn der Neuregelung.
Das Gleiche gilt für die vorübergehende Aufenthaltsgenehmigung (Razreshenie na vremennoe prozhivanie, RVP). Tadschikistan und Kasachstan sind der Ukraine auch in der Zahl der BürgerInnen voraus, die im letzten Jahr eine RVP erhalten habe. Aber wenn wir all diejenigen zusammenzählen, die mit einer vorläufigen Aufenthaltsgenehmigung 2020 in Russland lebten, stehen die zentralasiatischen Republiken noch hinter der Ukraine.
2021 senkte Russland die Quote für die Anzahl von ausländischen BürgerInnen, die eine RVP erhalten können, um 35 Prozent. Während 2020 mehr als 60.000 solcher Genehmigungen zur Verfügung standen, wird es 2021 lediglich 40.000 geben. Allerdings gibt es auch Menschen, die sich für eine RVP unabhängig von der Quote bewerben können.
Arbeiten in Russland…
…war schwierig im letzten Jahr. Grenzen waren geschlossen, Geschäfte und Firmen waren im Lockdown. Weiterhin bleiben die Grenzen Russlands für BürgerInnen aus Tadschikistan, Usbekistan und Turkmenistan geschlossen und es ist fraglich, wann sie wieder öffnen [seit 1. April wurde die Einreise aus Tadschikistan und Usbekistan unter bestimmten Bedingungen wieder ermöglicht, Anm. d. Red.].
Dementsprechend ist die Zahl der legalen ArbeitsmigrantInnen aus Zentralasien um mehr als die Hälfte gesunken – um 58 Prozent aus Kirgistan, 57 Prozent aus Tadschikistan, 56 Prozent aus Kasachstan und 53 Prozent aus Usbekistan.
Dennoch erreichten Russland 2020 mehr als 2,3 Millionen Menschen – davon viele aus Zentralasien – sei es vor der Grenzschließung im Frühling 2020 oder nach ihrer Wiedereröffnung.
2020 erhielten 145.000 ansässige ZentralasiatInnen russische Pässe. Fast 400.000 mehr leben mit Aufenthaltsgenehmigungen in Russland und könnten sich potenziell zukünftig um die russische Staatsbürgerschaft bewerben. Millionen junger ArbeiterInnen suchen Arbeit in der Russischen Föderation.
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Was bedeuten diese Zahlen? Sieht es nach einer Masseneinwanderung aus den zentralasiatischen Ländern aus? Ja. Wird Zentralasien seine Bevölkerungen verlieren? Nein.
Angesichts der hohen Geburtenraten stehen die Demographien Zentralasiens weiterhin unter Druck. Aber es ist deutlich, dass eine wachsende zentralasiatische Diaspora in Russland gedeiht, betrachtet man die Zahlen derer, die in Russland legal und illegal arbeiten. Im nächsten Jahr werden wir mehr über die absolute Zahl der in Russland lebenden ZentralasiatInnen erfahren – wenn die Ergebnisse des für diesen Herbst geplanten Zensus veröffentlicht werden.
Aus dem Englischen von Gregor Bauer
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