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Wie Transfrauen in Tadschikistan diskriminiert werden

Transmenschen erleben in vielen Ländern der Welt Diskriminierung. In der konservativen tadschikischen Gesellschaft sind insbesondere Transfrauen davon betroffen.

Photo: Wikimedia Commons

Transmenschen erleben in vielen Ländern der Welt Diskriminierung. In der konservativen tadschikischen Gesellschaft sind insbesondere Transfrauen davon betroffen.

Anlässlich der internationalen Kampagne „16 Tage Aktivismus gegen geschlechtsspezifische Gewalt“ hat Asia-Plus ein besonderes Projekt gestartet, bei dem Frauen aus Tadschikistan über die Diskriminierung sprechen, der sie ausgesetzt sind.

Transmenschen werden von der modernen Wissenschaft als eine Variante der Norm wahrgenommen. In Tadschikistan ist diese Personengruppe jedoch nicht nur auf alltäglicher, sondern auch auf systemischer Ebene Diskriminierung ausgesetzt. Transpersonen können keinen Job finden, keine medizinischen Leistungen erhalten und keine relevanten Dokumente erhalten. Transfrauen werden in dieser Hinsicht besonders diskriminiert.

„Nichts über uns ohne uns“ ist ein bekannter Slogan, der auch von Journalist:innen beachtet wird, die über gefährdete Bevölkerungsgruppen berichten. Das heißt, um das Problem von betroffenen Menschen besser zu verstehen, sollte die Hauptinformationsquelle eben ein betroffener Mensch sein. Allerdings sind Transfrauen in Tadschikistan einem so hohen Maß an Stigmatisierung und Diskriminierung ausgesetzt, dass sie aus Angst um ihre Sicherheit zögern, mit lokalen Journalist:innen zu sprechen (auch nicht anonym).

Die neuesten Materialien über Transpersonen in der lokalen Presse stammen aus den Jahren 2017–2018. Seitdem hat sich die Situation für sie sowohl in Tadschikistan als auch in Russland, wohin einige versuchten zu gehen, verschlechtert. In der Folge haben Transfrauen jegliche Kommunikation mit Journalist:innen verweigert.

Um über Transfrauen zu sprechen, verwenden wir hier die Meinung einer Expertin und die anonyme Geschichte einer tadschikischen Transfrau, die auf der Projektwebsite REAct veröffentlicht wurde.

Die Geschichte von Renata

Renata (Name geändert) beschloss, aus Russland, wo sie arbeitete und lebte, in ihr Heimatland zurückzukehren, um ihren Geschlechtsstatus im Pass zu ändern. Ihre Pläne wurden jedoch nach ihrer Ankunft durchkreuzt. Polizisten zeigten Interesse an ihrem Privatleben, als Renata zur Polizeistation ging, um ihre inhaftierte Freundin zu unterstützen.

Nachdem die Strafverfolgungsbehörden erfahren hatten, dass sie eine Trans-Person ist, begann ein intensives und aufdringliches Verhör und ihr Telefon, das viele persönliche Daten enthielt, wurde beschlagnahmt.

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Obwohl Renata später freigelassen wurde, gab man ihr Telefon nicht zurück und untersuchte weiterhin den Inhalt. Anschließend wurde Renata erneut vorgeladen. Man beschuldigte sie, Pornografie verschickt zu haben, wobei es sich in Wirklichkeit um Fotos von einer Brustoperation handelte, die sie an eine Freundin geschickt hatte.

Keine Erwähnung im Antidiskriminierungsgesetz

Tatsächlich spiegelt diese Geschichte nur einen kleinen Teil der Probleme wider, mit denen Transfrauen in Tadschikistan konfrontiert sind. Trotz der Tatsache, dass Trans-Sein nicht strafbar ist, sind diese Menschen gezwungen, ständige Demütigungen nicht nur durch normale Bürger:innen, sondern auch durch Vertreter:innen der Behörden zu ertragen. Es gibt praktisch keinen Ort, an dem sie Hilfe bekommen und ihre Rechte schützen können.

„Transfrauen versuchen nicht einmal, ihre Rechte zu schützen, da sie im Voraus wissen, wie ihre Versuche, die Polizei zu kontaktieren, enden werden. Am häufigsten versuchen sie, Tadschikistan zu verlassen. Unser Land ist leider kein sicherer Ort für solche Frauen“, sagt Larisa Alexandrowa, Spezialistin für Gleichstellung der Geschlechter und Menschenrechte.

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Sie erklärt, dass es in Tadschikistan eine systemische Diskriminierung von Transfrauen gebe: „In Tadschikistan wird auf Entscheidungsebene nicht über andere sexuelle Orientierungen und Geschlechtsidentitäten gesprochen. Ein Beispiel ist das kürzlich verabschiedete Gesetz zur Gleichstellung und zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung.“

„Bei der Diskussion des Gesetzentwurfs wurde darauf hingewiesen, dass zu den verbotenen Diskriminierungsgründen auch die sexuelle Orientierung und die Geschlechtsidentität zählen. Aber im bereits verabschiedeten Gesetz finden Sie nichts dazu. Glücklicherweise gab es Formulierungen, die einen Schutz auch für Menschen anderer sexueller Orientierung und Geschlechtsidentität vorsahen, diese wurden aber offensichtlich nicht aufgeführt, obwohl diese Gruppen in unserer Gesellschaft der größten Diskriminierung ausgesetzt sind“, sagt Larisa.

Kein Zugang zu grundlegenden Dienstleistungen

Laut der Spezialistin haben Transfrauen in Tadschikistan keinen Zugang zu den wichtigsten Dienstleistungen – medizinischen und sozialen. Weder werden bei Jugendlichen Besonderheiten identifiziert, noch können sie eine:n Psycholog:in aufzusuchen noch gibt es Regeln für eine Hormontherapie.

Nach dem Übergang zum anderen Geschlecht ist es für sie nahezu unmöglich, ihre Dokumente zu ändern. In der Folge können sie grundlegende Dienstleistungen wie den Gang in die Klinik, die Eröffnung eines Bankkontos, die Arbeitssuche oder die Ausreise nicht in Anspruch nehmen. Dabei gibt es in den Gesetzen Tadschikistans keine Verbote für die Änderung der Dokumente einer Person, die das Geschlecht geändert hat.

„Im Gesetz „Über die staatliche Registrierung von Personenstandsurkunden“ ist die Grundlage für Änderungen an Dokumenten die Aufzeichnung der Änderung des Vor- und Nachnamens sowie des Vatersnamens. Die Standesämter geben eine Stellungnahme zu einer Namensänderung ab, wenn ihnen ein [vom Gesundheitsministerium] ausgestelltes Dokument in der festgelegten Form zur Geschlechtsumwandlung vorgelegt wird. […] Als Gender-Expertin habe ich mich mit einem offiziellen Brief an das Ministerium gewandt, in dem ich um Klärung einiger Details gebeten habe“, sagt Larisa.

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In Ihrem Brief stellte sie folgende Fragen: „Wurden nationale Standards für die Bereitstellung medizinischer und sozialer Versorgung für Transgender und Transsexuelle auf der Grundlage des Krankheitsklassifizierungssystems der Weltgesundheitsorganisation genehmigt? […] Gibt es Formulare zur Geschlechtsumwandlung, die von medizinischen Organisationen ausgestellt werden, um Korrekturen, Änderungen oder Ergänzungen im Personenstandsregister vorzunehmen?“

Die Antwort des Gesundheitsministeriums lautete jedoch wie folgt: „Auf dem Territorium Tadschikistans wurden in öffentlichen medizinischen Einrichtungen keine chirurgischen Eingriffe zur Geschlechtsumwandlung durchgeführt.“

Ohne dieses Formular wird das Standesamt die Geburtsurkunde und auch den Reisepass nicht ändern. Transfrauen werden gezwungen, mit einem Reisepass zu leben, der auf den Namen eines Mannes ausgestellt ist, und wenn ihnen dieser vorgelegt wird, drohen ihnen zumindest Beleidigungen und Demütigungen. Gleichzeitig verursachen Transmänner, die mit Reisepässen auf weiblichen Namen leben, keine solche Aggression seitens der patriarchalischen Gesellschaft.

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„Die Gerichte sind ebenfalls diskriminierend; sie schicken Transmenschen zu forensischen Untersuchungen und unterziehen sie dort demütigenden Verfahren. Forensiker sind auf diesem Gebiet keine Spezialisten; sie zwingen sie, sich auszuziehen, untersuchen ihre Genitalien und führen Chromosomentests durch. Solche Untersuchungen und Analysen stellen jedoch keine Feststellung von Transgender dar. Dort sollten Psychiater und Endokrinologen anwesend sein, die Schlussfolgerungen ziehen, auf deren Grundlage eine Geschlechtsumwandlung möglich ist. Nach internationalen Standards ist die Geschlechtsumwandlung übrigens eine der Therapiemethoden für Transmenschen“, sagt Larisa.

Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation sind in etwa 0,3 – 0,5 Prozent der Bevölkerung eines jeden Landes trans. Demnach gibt es in Tadschikistan bei einer Bevölkerung von 10 Millionen zwischen 30.000 und 50.000 Transmenschen.

Asia-Plus

Aus dem Russischen von Robin Roth

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