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Internationale Marken eignen sich zentralasiatische Ornamente an

International bekannte Mode- und Luxusmarken haben in den letzten Jahren vermehrt Ornamente und Muster aus dem zentralasiatischen Kulturraum übernommen. Über die Herkunft der Vorlagen und die Geschichte der lokalen Stoffverarbeitung wird dabei jedoch selten informiert. In diesem Artikel werden Chancen und Risiken der Kommerzialisierung zentralasiatischer Ornamente diskutiert.

Näherinnen sticken tadschikische Ornamente. Foto: Schuchrat Sadijew, Wikimedia Commons
Näherinnen sticken tadschikische Ornamente. Foto: Schuchrat Sadijew, Wikimedia Commons

International bekannte Mode- und Luxusmarken haben in den letzten Jahren vermehrt Ornamente und Muster aus dem zentralasiatischen Kulturraum übernommen. Über die Herkunft der Vorlagen und die Geschichte der lokalen Stoffverarbeitung wird dabei jedoch selten informiert. In diesem Artikel werden Chancen und Risiken der Kommerzialisierung zentralasiatischer Ornamente diskutiert.

In Zentralasien scheinen nur wenige schon einmal etwas von kultureller Aneignung gehört zu haben. Während sich die Menschen darüber freuen, dass sich ihre kulturell-ethnologischen Motive und nationalen Stoffe auf den globalen Massenmärkten verkaufen und globale Modedesigner inspirieren, vergessen laut Expert:innen die Regierungen in der Region, dass dies den Ländern keinen Nutzen bringt.

Kulturelle, ethnologische Motive und traditionelle nationale Muster der zentralasiatischen Länder haben in den letzten Jahren Design- und Modeschöpfer:innen globaler Marken neue Ideen für Kollektionen gegeben. Die kontrastreichen Farbschemata, die Farbvielfalt, die eleganten und natürlichen Texturen der Stoffe werden genutzt und geschätzt. Allerdings geben nicht immer und nicht alle Designer:innen die Herkunft der Motive an.

Lest auch bei Novastan: Textilien, Teppiche und Geometrie: Stoffproduktion in Zentralasien

Zentralasiatische Muster, Stoffe und traditionelle Bekleidung sind in westlichen Ländern gefragt. In den letzten zehn Jahren haben internationale Marken häufig nationale Stoffe wie Adras, Ikat und andere traditionelle zentralasiatische Muster in ihre Kollektionen aufgenommen. Die britische Modemarke Burberry beispielsweise hat 2014 Fragmente turkmenischer Teppiche für das Design von Handtaschen verwendet. Bei der Kreation von Modekollektionen mit Ethno-Designs nennen globale Marken jedoch nicht immer die Herkunft der Stoffe und Designs.

Was ist kulturelle Aneignung?

Die Übernahme oder Verwendung von Elementen einer Kultur durch Angehörige einer anderen Kultur wird allgemein als kulturelle Aneignung bezeichnet. Dabei handelt es sich um ein negatives Phänomen, da die Aneignung auf kolonialistische Weise erfolgt: Kulturelle Elemente werden von Angehörigen der dominanten Kultur kopiert und außerhalb ihres ursprünglichen kulturellen Kontextes verwendet.

Ein Beispiel für kulturelle Aneignung ist das Werk von Elvis Presley. Zu Beginn seiner Karriere sang er den Song Hound Dog, der ihn an die Spitze der Charts katapultierte, zu seinem Markenzeichen wurde und ihn zu einem reichen Mann machte. Problematisch ist, dass dieses Lied bereits vor ihm von der afroamerikanischen Sängerin Big Mama Thornton gesungen wurde. Obwohl das Lied für die Sängerin bereits ein Erfolg war (es ist eines der bekanntesten Lieder von Big Mama), war es Presley, der den größten „Profit“ aus Hound Dog zog.

Mit Blick auf den zentralasiatischen Kontext wurde beispielsweise eine Jurte, die traditionelle Behausung der Nomad:innen Zentralasiens, in den Schweizer Bergen zu einem Modegeschäft für Luxusartikel umfunktioniert. Ende 2022 eröffnete ein Modehaus in den Schweizer Bergen im Ferienort St. Moritz einen Pop-up-Store in einer Jurte, dem traditionellen Wohnhaus der zentralasiatischen Nomadenbevölkerung.

Kasachstans zweifelhaftes Schutzkonzept

Kasachstan verfügt über ein Schutzkonzept zur Förderung des immateriellen Kulturerbes des Landes. Die Hauptaufgabe des Konzepts besteht darin, das immaterielle Kulturerbe der Menschen in Kasachstan zu pflegen, zu erhalten und bekannt zu machen.

„Nationale Ornamente und Muster werden als Objekte von materiellem Wert betrachtet, während die Art und Weise, wie sie hergestellt werden, zum immateriellen Kulturerbe gehört“, so Vertreter:innen des Ministeriums für Kultur und Sport der Republik Kasachstan.

Insgesamt befürworten die kasachstanischen Behörden die freie Verbreitung von Mustern, Ornamenten und anderen immateriellen Kulturgütern aus Kasachstan im Ausland. Innerhalb Kasachstans gelten jedoch strengere Regeln. Will eine Privatperson oder ein Unternehmen eine Bezeichnung, die ein kulturelles oder historisches Gut darstellt, als Markenzeichen verwenden, so muss dies von den staatlichen Behörden genehmigt werden. Eine „Aneignung“ ist also nicht gewährleistet.

Schattenseiten der Verbreitung zentralasiatischer Muster in der Modewelt

Neben den positiven Aspekten der Förderung nationaler traditioneller Muster in der Weltmode stellen die zentralasiatischen Expert:innen auch negative Aspekte fest.

„Es ist eine gute Sache, dass unsere Stoffe und Muster immer öfter in der weltweiten Mode auftauchen. Das ist das Verdienst unserer Designer und natürlich auch der Ausländer, der Gäste unseres Landes, die unsere nationale Kleidung bei uns kaufen. Aber ich kritisiere, dass die Weltmarken in den europäischen Ländern bei der Gestaltung ihrer Kollektionen nicht auf die Herkunft unserer Muster hinweisen. Das fördert unsere Kultur und ihre Wiedererkennbarkeit nicht“, meint eine Kulturwissenschaftlerin aus Taschkent, die nicht namentlich genannt werden möchte.

Natalja Sultanowa, Vorsitzende des kirgisischen Designerverbandes, stellt fest, dass es praktisch unmöglich ist, Forderungen an globale Marken zu stellen:

„Selbst vor Gericht ist es unrealistisch, etwas zu erreichen“, sagt sie. „Die Gerichte akzeptieren solche Klagen nicht, weil fast jedes Modell eine Veränderung oder Stilisierung des Originals aufweist, so dass es sehr schwierig ist, hier etwas zu beweisen.“

Nach Angaben des kirgisischen Kulturministeriums ist es nicht möglich, globale Marken zu verpflichten, auf die Urheberschaft der kirgisischen Kultur hinzuweisen.

„Nationale Muster sind Teil der Volkskunst, und all das Wissen und die Fertigkeiten wurden von Generation zu Generation weitergegeben. Die Muster gehören den Menschen, deshalb können wir Marken nicht verbieten, sie in ihren Werken zu verwenden“, erklärt Atyrkul Seyizova, Leiterin der Abteilung für die Erhaltung und Entwicklung des kulturellen Erbes.

Tadschikische Stickereikunst „Chakan“ – Teil des UNESCO-Kulturerbes

2018 hat die Stiftung der Vereinten Nationen für Bildung, Wissenschaft und Kultur (UNESCO) die tadschikische Stickereikunst „Chakan“ in die Liste des immateriellen Kulturerbes aufgenommen.

Was die anderen Ornamente betrifft, so hat das Land sie noch nicht in eine eigene Marke umgewandelt, sagte Abdulfattach Amini, Leiter des Forschungsinstituts für Kultur und Information des tadschikischen Kulturministeriums. Das bedeutet, dass das Land die Ornamente nicht für sich beanspruchen kann und andere sie frei verwenden können.

„Gegenwärtig verfügen die Behörden über kein gültiges Dokument, das bestätigt, dass diese Muster tadschikisches Eigentum sind. Das einzige Dokument, das bestätigt, dass es sich um tadschikisches Kulturgut handelt, ist die UNESCO-Liste des immateriellen Kulturerbes, die als Grundlage dienen kann und in tadschikischer und englischer Sprache verfügbar ist“, schließt der Experte.

Die UNESCO-Konvention von 2003 besagt, dass jeder Staat das Recht hat, alle auf seinem Territorium gemachten Funde als Teil seiner Kultur zu deklarieren.

Kommerzialisierung zentralasiatischer Muster: Chancen und Risiken

Die Verwendung nationaler Motive in der globalen Mode kann die Grundlage für eine größere Anerkennung des kulturellen Erbes eines Landes schaffen, aber auch zu einem Verlust der ursprünglichen Bedeutung und des Wertes dieser Motive führen. So ist der tadschikische Kulturexperte Dschonibek Asroriyon besorgt über die Verwendung nationaler Motive durch globale Marken zu reinen Werbe- und Handelszwecken ohne Rücksicht auf die kulturelle Bedeutung dieser Symbole.

Auch in Usbekistan gibt es keine Praxis des Schutzes nationaler Muster gegen unbefugte Nachahmung. Das Kulturministerium gab an, bisher keine entsprechenden Maßnahmen ergriffen zu haben. Experten stellen fest, dass die legale Nutzung nationaler Kulturdenkmäler, insbesondere von Mustern und Textilien, nicht geregelt ist.

„Das könnte zusätzliche finanzielle und andere Einnahmen für die Staatskasse bringen. Aber alle hier denken, dass allein die Tatsache, dass unsere Muster von Weltmarken verwendet werden, schon Ehre und Ansehen bedeutet“, äußert sich ein Kulturkritiker aus Taschkent, der nicht namentlich genannt werden möchte.

Suchra Dosmetowa, Architektin am Nationalen Institut für Kunst und Design in K. Bechsod, stellt ebenfalls fest, dass Muster und Stoffe, die zum nationalen Erbe Usbekistans gehören, für das Land gewinnbringend sein könnten. Sie empfiehlt der Regierung, nicht nur auf den Schutz des geistigen Eigentums zu achten, sondern auch nationale Marken finanziell zu unterstützen, die moderne Kollektionen mit nationaler Identität entwerfen.

Laut der aus Kirgistan stammenden Designerin Tatjana Worotnikowa sind Kleidungsstücke von Weltmarken wie Mango oder Zara modern und bequem zugleich und damit alltagstauglich. Um traditionelle Kleidung populär zu machen, müsse man sie umgestalten, modisch und bequem machen.

Nasgul Kaarowa, Gründerin und Direktorin des Modehauses KESHTE (Kirgistan), betont, dass auf nationaler Ebene Kontrolle und Qualitätssicherung eingeführt und ein Marketingplan erstellt werden sollten, um moderne Kleiderkollektionen mit nationalem Flair zu unterstützen:„Und nur dann wird die Kleidung wirklich schön, qualitativ hochwertig und tragbar sein. Moderne nationale Kleidung wird an Bedeutung gewinnen und für immer im Trend bleiben.“

Die kommerzielle Nutzung zentralasiatischer Ornamente, um den Verkauf von Modemarken zu fördern, wird von einigen Expert:innen kritisch gesehen.

Wiedereröffnung sowjetischer Produktionsstätten?

Tadschikistan betreibe die Produktion von Atlasstoffen [tadschikische Satintextilien – Anm. von Novastan] ineffizient. Dies erschwere den Schutz traditioneller nationaler Muster. Usbekistan hingegen unternehme alles, um millionenfach solche Stoffe zu produzieren, die in der internationalen Modewelt ausgestellt werden, meint der bekannte tadschikische Designer Chursched Sattorow, der seit zwanzig Jahren in diesem Bereich tätig ist.

Zur Wiederbelebung tadschikischer nationaler Muster schlägt er vor, gemeinsam mit der Industrie- und Handelskammer des Landes und anderen Produktionsunternehmen die während der Sowjetzeit betriebenen Seidenfabriken wieder in Betrieb zu nehmen und die Produktion des nationalen Stoffes in großem Umfang wieder aufzunehmen.

„Laden Sie Designer ein und bieten Sie ihnen eine ordentliche Summe Geld, um die nationalen Muster wiederzubeleben und mit der Produktion und dem Handel dieser Art von Stoffen zu beginnen. Nur so können wir zeigen, dass diese Muster uns gehören und dass wir unsere Kultur schützen können“, sagt Sattorow.

Abdulfattach Amini, schlägt vor, dass sich die Behörden auf internationales Recht berufen und mit Unternehmen zusammenarbeiten, die tadschikische Muster aufgreifen. Außerdem sollten sie zum Schutz der Urheberrechte Materialien veröffentlichen, die die Geschichte und Symbolik der einzelnen Muster erklären.

Die Redaktion von Cabar

Aus dem Russischen von Berenika Zeller

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