Aija Ibraimowa ist trotz ihres jungen Alters eine sehr engagierte und gefragte Malerin. Ihre Gemälde zeigen die ihr vertrauten kirgisischen Bergdörfer, die Vielfalt der Bazare, Männer und Frauen, die ruhig ihrer Dinge gehen. Vor allem aber zeigen sie Kinder. Wir übersetzen Aijas Gespräch mit Gulmira Dscheenbekowa von Yntymak.kg mit der freundlichen Genehmigung der Redaktion.
Aija passt gerne auf Kinder auf. Wie sie sagt, liegt das daran, dass Kinder nichts als Wäme und Sanftheit ausstrahlen. „Es ist ärgerlich, dass wir von Kindesbeinen an als „Gastarbeiter“ erzogen werden. Als ob das eine Priorität sein sollte. Wenn die Kinder eine normale Ausbildung bekämen, könnten sie selbst über ihre Zukunft entscheiden. Wir sollten eher Wissenschaftler, Künstler, Filmemacher und Manager erziehen. Diese Kinder sind doch unsere Zukunft“, sagt sie zu Beginn des Gesprächs.
Wann haben Sie angefangen, zu malen?
Ich male, seitdem ich mich erinnern kann. Ich denke, dass wenn Eltern ihren Kinder zuhören, diese ihnen viel Interessantes über ihre Zukunfstvorstellungen erzählen. Meine Mutter hat mir zugehört…
Können Sie sich an Ihren ersten Zeichnungen erinnern?
Das war so ein kindlich abstraktes Bild: sehr expressiv und irgendwie sogar verrückt. Ich habe zum Beispiel, den Ausspruch „Die Beine wachsen aus den Ohren“ (russisches Sprichwort „nogi rastut ot uschej“, welches bedeutet, dass man sehr lange Beine hat, Anm. d. Ü.) wörtlich verstanden und als eine bestimmte Art Schönheit interpretiert. Ich habe also eine Frau mit Wimpern und Ohren gemalt, aber ohne Körper. Auf ihrem Kopf wuchsen Beine und lose Haare. Ich war vier Jahre alt, als ich mir diese Figur ausgedacht habe.
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Hat Ihre Mutter Sie in irgendeiner Art und Weise gefördert oder beeinflusst?
Nach Abschluss der neunten Klasse, sagte mir meine Mutter, ich solle mir ernsthaft überlegen, mich für eine architektonische Hochschule zu bewerben. Mama wollte meiner Leidenschaft etwas Pragmatisches abgewinnen. Sie meinte, dass ich unbedingt in dieser Richtung weiterstudieren solle.
Ich entchied mich für zwei Hochschulen: Die Fachhochschule für Architektur und Bauarbeit und die „Tschujkow“ Kunsthochschule. In der Fachhochschule nahmen sie an dem Tag aber keine Dokumente an und so ging ich weiter.
An der Kunsthochschule hat es mir sofort gefallen. Ich habe dort ungewöhnliche und begeisterte Jugendliche getroffen, die in Hausschuhen durch die Flure gingen. Mir schien, dass hier künstlerische und persönliche Freiheit herrscht.
Ich schrieb mich an der Fakultät für Design ein und dachte, dass ich später an der Staatlichen kirgisischen Universität für Bauwesen, Verkehrswesen und Architektur (KGUSTA) Architektur studieren würde.
Was zeigen Ihre aktuellen Bilder?
Heute zeigen sie eher Positives und Freude. Die Themen nehme ich aus dem Leben, aus unserem Kirgistan.
Was kann Sie inspirieren?
Die Arbeiten, die ich im Rahmen meines Studiums angefertigt habe, sind alle mit meiner Heimat verbunden. Wenn ich eine wissenschaftliche Arbeit über Jurten schreibe, lese ich zuerst sehr viel darüber, vor allem von kirgisischen Autoren, um mich zu inspirieren und ein Gefühl für das Objekt zu bekommen. Momentan arbeite ich an einem Gemälde, das auf Tschingis Aitmatows Geschichte „Die frühen Kraniche“ basiert.
Ich habe immer das gemacht, was ich mag. Ich bin sehr glücklich, dass mein Hobby zu meinem Beruf und meinem Lebenssinn geworden ist.
Verdienen Sie etwas mit Ihrem Hobby? Wo haben Sie Ihre Bilder schon ausgestellt?
Für den Sommer plane ich zwei Ausstellungen: „Jugendliche Kirgistans“ und „Dordoj – der Basar der schwierigen Schicksale“. Ich habe natürlich auch schon an unterschiedlichen Ausstellungen für junge Maler teilgenommen: sechs studentische Ausstellungen in Bischkek, drei in Moskau und eine in Petrosawodsk (in Russland, Anm. d. Ü.).
Ob ich etwas damit verdiene? Nein, bisher interessiert es mich auch nicht. Meine Bilder, ihre Entstehung, meine Heimat und die Menschen, die ich male, bereiten mir genug Freude.
Um von etwas zu leben und um Pinsel, Farben und Leinwände kaufen zu können, male ich Wände und Plakate für die Filmindustrie.
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Aija, Sie haben bestimmt häufig in Ihrem Leben gezweifelt. Wann wurden Ihnen klar, dass Sie den richtigen Weg gewählt haben?
2013 wurde ich zufällig zur „Fakultät für Szenenbildner für Film und Fernsehen“ zugelassen, an der russischen staatlichen Universität namens Gerasimow. Obwohl, nichts geschieht im Leben per Zufall. Das war wahrscheinlich ein Zeichen des Himmels.
Haben Sie Vorbilder?
Das scheint wie eine sehr einfache Frage, ist aber immer schwer zu beantworten. Ich habe viele Vorbilder. Menschen, die mich inspirieren und begeistern. Vor allem meine Familie: meine Mutter, Großeltern, Onkel, Tanten, Neffen und Nichten.
Meine Großmutter Rosa Kasimova Teltaewa hat mich großgezogen. Sie hat mich als starke und zielstrebige Person erzogen. Sie ist eine unglaubliche Optimistin und hat erstaunlich viel Geduld, Lebensweisheit und ein großes Gefühl für Gerechtigkeit, was ich bis heute bewundere. Sie war die Person, die mir am nächsten stand und ist ein Teil von mir geworden. Ich erinnere mich heute noch an viele Details aus unseren Gesprächen, an jeden Moment mit ihr. Wissen Sie, wenn man an den Menschen denkt, den man liebt, füllt das die Seele mit Wärme. Diese Wärme gibt Kraft.
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Es ist sehr schade, dass ich mich nicht an meinen Großvater erinnern kann, weil er sehr früh gestorben ist. Aber die Erinnerung an ihn lebt durch die vielen Erzählungen meiner Verwandten in mir. Sie sprechen viel davon, wie gerecht und wahrheitstreu er war. Ich wünsche mir sehr, seinem Erbe alle Ehre zu tragen.
Kann man gleichzeitig talentiert und erfolgreich sein?
Eine gute Frage. Ich denke, dass ein erfolgreiche Maler nicht immer der talentierteste ist und am besten malt. Erfolg und Kunst sind unterschiedliche Sachen. Für mich macht nicht der Erfolg einen talentierten Maler aus, sondern seine Persönlichkeit, die gekonnt wichtige Themen, die die Gesellschaft bewegen, aufgreift. Das können soziale, religiöse, historische oder kulturelle Themen sein. Selbst wenn man beispielsweise einfache – dafür aber bewegende – Karikaturen malt, wie Bidstrup, ist das für mich Erfolg. Wobei sich ein solcher Erfolg vom traditionellen Erfolg untersscheidet, der sich mehr in Preisen und Geschenken ausdrückt.
Auf Aijas Bilder: Szenen aus dem kirgisischen Alltag
Wovon träumen Sie?
Mein größter Traum ist es, in jedem kirgisischen Bezirk Kulturschulen zu eröffnen. In der Sowjetzeit gab es Kulturhäuser, trotz aller Kritik waren das keine schlechten Orte. Ich möchte sehr, dass alle Kinder im Land lernen und Kultur erfahren können, dass sie in solchen Häusern ihre Talente und Träume realisieren können. Sie könnten dort Ausschnitte von „Manas“ hören oder lesen, sich mit den Werken von Satar Aitijew, Dschambul Dschumabaew, Bolot Schamschiew vertraut machen.
Unsere Kinder sollen verschiedene Kulturen kennenlernen und sich entwickeln, indem sie neue Welten für sich entdecken. All das muss von früher Kindheit an gemacht werden, deshalb wünsche ich mir die Eröffnung von Kulturschulen in ganz Kirgistan so sehr.
Mit Aija Ibraimowa sprach Gulmira Dscheenbekowa
Yntymak.kg
Aus dem Russischen von Sobira Majidowa