Am Mittwoch veröffentlichte die Organisation Reporters without Borders (RWB) ihren berühmten Index erstmals für das Jahr 2016. Nordeuropäische Länder (Finnland, Niederlande, Norwegen) führen die Rangliste an. Unter den drei am schlechtesten bewerteten ist auch dieses Jahr ein Vertreter Zentralasiens zu finden. Für die größten Negativschlagzeilen der Region zeichnet allerdings ein anderes Land verantwortlich. Die Region im Überblick.
Ständiger Aufsteiger: Kirgistan
Kirgistan kann auf eine breite pluralistische Medienlandschaft verweisen. Es verbessert sich im Vergleich zum Vorjahr nochmals um drei Plätze und landet so auf Rang 85. Allerdings gibt RWP weiterhin große Herausforderungen für die kirgisische Presse zu Bedenken. So bestehen eine konsistente Selbstzensur und schadhafter Einfluss der großen Medieneigentümer. Außerdem wird das kirgisische Parlament aller Voraussicht nach ein Gesetz gegen „homosexuelle Propaganda“ nach russischem Vorbild verabschieden. Der entsprechende Gesetzesentwurf, der seit über zwei Jahren Teil der öffentlichen Debatte ist, wurde nach den Parlamentswahlen im Oktober von den neuen Abgeordneten wieder aufgegriffen. Im letzten Jahr, so argumentiert RWP, wurde ferner ein Journalist wegen Präsidentenbeleidigung zu einer Geldstrafe von zwei Millionen Som (etwa 26.000€) verurteilt..
Am 21. April forderte das UN-Menschenrechtskomitee die kirgisischen Behörden auf, den Journalisten Azimzhan Askarov aus der Haft zu entlassen. Es sah als bewiesen an, dass Askarov in einem Scheinprozess verurteilt, zu Unrecht in Haft gesetzt und gefoltert wurde. Der Journalist usbekischer Abstammung dokumentierte 2010 die ethnisch-politisch motivierten Auseinandersetzungen zwischen Kirgisen und Usbeken im Süden des Landes. Er wurde anschließend wegen Anstiftung zu öffentlicher Unruhe und Beihilfe zum Mord angeklagt und verurteilt.
Größter Verlierer: Tadschikistan
Mit riesigem Abstand und gigantischem Absturz folgt Tadschikistan auf Rang 150. Weltweit fällt das Land mit 34 Plätzen am tiefsten. Mit Verweis auf terroristische Bedrohungen werden oppositionelle Gruppen verboten und unabhängige Medien geschlossen. Journalisten drohen stundenlange Befragungen durch die Polizei, Einschüchterungen und Erpressung. Die komplette Überwachung der Medien ist Routine geworden. Blogs und Online-Magazine werden permanent geblockt.
Bedrohliche Lage für das Regime: Kasachstan
Die ökonomische Krise und das Alter des Präsidenten Nursultan Nasarbajews setzen die führende Elite unter Druck. 2013 wurden die meisten unabhängigen Medien verboten. Neue oppositionelle Zeitungen werden binnen weniger Monate geschlossen. Der Staat verfolgt oppositionelle Journalisten juristisch und kontrolliert das Internet mit Argusaugen. Die Regierung führte außerdem neue Gesetze ein, die es Offiziellen erlauben, Medienkanäle individuell zu schließen und hohe Strafen zu verhängen. Das Land bleibt auf dem 160. Rang von 180 untersuchten Staaten.
Druck nach innen und außen: Usbekistan
Sechs Plätze (166.) hinter Kasachstan findet sich der usbekische Staat. Mindestens neun namentlich bekannte Journalisten sitzen in von RWB als unmenschlich eingestufter Haft. Darunter Muhammad Bekjanov, der 2013 noch den Ehrenpreis der RWB für unabhängigen Journalismus erhielt. Die Printmedien unterliegen einer vollständigen Kontrolle usbekischer Behörden. Auch online nehmen staatliche Überwachung und Einfluss zu. Gezielt wird, laut RWB, auch auf Exiljournalisten Druck ausgeübt.
„Infernales“ Schlusslicht: Turkmenistan
Turkmenistan verfügt laut RWB über die drittgeringste Pressefreiheit weltweit. Hinter dem Land liegen nur noch Nordkorea und Eritrea. Die drei Schlusslichter werden von der Organisation als „infernal trio“ bezeichnet. Als freier gelten sogar verrufene Staaten wie China, Saudi-Arabien oder Jemen.
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RWB wirft den Behörden vor, aus Turkmenistan ein „schwarzes Loch für Informationen“ zu machen. Journalismus gibt es faktisch nur loyal zur Regierung. Einem als unabhängig identifizierten Journalisten drohen Gefängnis sowie Folter und der Staat kontrolliert die Medien absolut. Satellitenschüsseln wurden abgeschraubt, um die eigene Bevölkerung vom Konsum ausländischer Medien abzuhalten.
Gregor Bauer
Chefredakteur