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Kasachstan: Präsident schlägt Referendum zur Abschaffung des Senats vor

In seiner jährlichen Ansprache an die Nation hat Präsident Qasym-Jomart Toqaev eine Diskussion über die Abschaffung des Senats angestoßen. Er möchte 2027 in einem Referendum darüber entscheiden lassen.

Kasachstans Präsident Qasym-Jomart Toqaev möchte ein Einkammerparlament einführen, Photo: akorda.kz

In seiner jährlichen Ansprache an die Nation hat Präsident Qasym-Jomart Toqaev eine Diskussion über die Abschaffung des Senats angestoßen. Er möchte 2027 in einem Referendum darüber entscheiden lassen.

In seiner traditionellen Eröffnungsrede vor dem Parlament hat Kasachstans Präsident Qasym-Jomart Toqaev am 8. September die Abschaffung des Senats vorgeschlagen. Dies berichtet das kasachstanische Nachrichtenportal Tengri News. Toqaev hatte dem Senat selbst zehn Jahre lang vorgestanden. Nun möchte das Staatsoberhaupt, eine nationale Debatte zu diesem Thema anregen – mit dem Ziel, 2027 ein Referendum abzuhalten.

Das Oberhaus des kasachstanischen Parlaments zeichnet sich durch ein ungewöhnliches Wahlsystem aus. Von den 50 Senator:innen werden 40 indirekt von einem Wahlkollegium gewählt, das die 17 Regionen des Landes vertritt. Die restlichen 10 werden direkt vom Präsidenten ernannt. Im Gegensatz dazu werden die Mitglieder des Unterhauses, auch Mäjilis genannt, direkt gewählt.

Eine Reform des Parlaments erfordert zunächst eine präsidiale Erklärung, in der das Staatsoberhaupt seinen Wunsch nach einem Regierungswechsel bekundet. Nach der Rede vom 8. September ist dieser erste Schritt bereits getan.

Der zweite Schritt wäre die Einsetzung einer Verfassungskommission, die mit der Ausarbeitung des Gesetzesentwurfs für die neuen Bestimmungen beauftragt wäre. Für die Verabschiedung dieser Änderungen gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder lässt der Präsident sie per Referendum verabschieden – wofür er sich offenbar entschieden hat – oder sie werden von einer qualifizierten Mehrheit beider Kammern gemeinsam angenommen. Nach der Verabschiedung der Änderungen ist die Regierung verpflichtet, die nächsten Parlamentswahlen nach dem neuen Modell vorzubereiten.

Ein Projekt mit Vorteilen und Risiken

Präsident Toqaev betonte, die Abschaffung des Senats werde den Gesetzgebungsprozess beschleunigen und den Einfluss des Parlaments stärken, das im institutionellen Modell eine wichtigere Rolle spielen werde. Ihm zufolge könne sich das Einkammersystem positiv auf die sozioökonomische Entwicklung des Landes auswirken, indem es die Entscheidungsfindung vereinfacht und die Rolle der politischen Parteien durch Parteilisten stärkt.

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Allerdings werfe das Vorhaben laut The Diplomat auch Fragen auf: Die Abschaffung des Oberhauses birgt die Gefahr, die Vertretung abgelegener Regionen zu schwächen, die bisher durch den Senat gewährleistet wurde.

Die Verpflichtung der Abgeordneten, auf Parteilisten zu stehen, könnte die direkte Verbindung zwischen Wählenden und ihren Vertreter:innen verringern. Denn die Opposition ist in Kasachstan mehr Schein als Sein. Toqaev selbst räumte ein, dass diese Änderung zu gravierend sei, um sie schnell umzusetzen. Er betonte die Notwendigkeit einer breiten öffentlichen Debatte vor einem Referendum.

Eine Reform zum Machterhalt?

Hinter einer solchen Reform könnte sich auch ein anderes politisches Ziel verbergen. Der Politologe Dosym Satpaev glaubt, dass die Entscheidung den Weg für den nächsten Präsidenten ebnen soll.

„Toqaevs aktueller Vorschlag zielt höchstwahrscheinlich nicht auf eine Demokratisierung des parlamentarischen Systems selbst ab, sondern vielmehr auf die Vorbereitung einer neuen Machtübergabe, bei der der Sprecher des Einkammerparlaments seinen verfassungsmäßigen Status auf der Liste der Kandidaten nach dem Präsidenten automatisch erhöht“, so Satpaev gegenüber EuroNews.

Hinter dem Gerede von Effizienz und der Stärkung der Rolle des Parlaments vermutet der Politologe Dimash Aljanov hingegen, dass Toqaev vor allem die Voraussetzungen dafür schaffen will, selbst an der Macht zu bleiben. Seit der letzten Verfassungsreform von 2022 darf der Präsident sein Amt lediglich für eine einzige Amtszeit ausüben. Diese endet 2029.

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„Die Verfassungsänderungen werden höchstwahrscheinlich das Ziel verfolgen, die Amtszeiten des Präsidenten auf Null zu setzen. Wir kennen die vollständige Liste der Änderungen noch nicht. Aber unter dem Vorwand, die Verfassung zu ändern, um ein Einkammerparlament zu schaffen, können sie in aller Stille wichtigere Änderungen durchsetzen, wie zum Beispiel die Neufestlegung der Amtszeit des Präsidenten oder die Einführung des Amtes eines Vizepräsidenten“, meint Aljanov.

So oder so könnte der Vorschlag eines Einkammerparlaments als weiterer Schritt einer Strategie zur Machtkonsolidierung interpretiert werden. Es bleibt abzuwarten, ob das für 2027 versprochene Referendum tatsächlich zu demokratischer Legitimation führt oder ob es lediglich ein weiteres Instrument zur Festigung der Macht sein wird.

Evan Chaisson für Novastan

Aus dem Französischen übersetzt und ergänzt von Robin Roth

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