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Mit dem „Architectural Guide Almaty“ die Stadt entdecken

Mit dem im Mai bei „DOM publishers“ erschienenen „Architectural Guide Almaty“ führt die Journalistin Edda Schlager durch die Architekturgeschichte von Kasachstans Wirtschaftsmetropole. Eine Rezension.

Neu erschienen: „Architectural Guide Almaty“, Photo: Robin Roth / Novastan

Mit dem im Mai bei „DOM publishers“ erschienenen „Architectural Guide Almaty“ führt die Journalistin Edda Schlager durch die Architekturgeschichte von Kasachstans Wirtschaftsmetropole. Eine Rezension.

Almaty, Kasachstans südliche Metropole und ehemalige Hauptstadt, ist in erster Linie für seine Lage am Übergang der Steppe ins Hochgebirge und damit einhergehend als Tor ins Tian-Shan bekannt. Dabei hat die offiziell rund zwei Millionen Einwohner:innen zählende Stadt, die vielleicht nicht unbedingt zu den schönsten, wohl aber zu den interessantesten Zentralasiens gehört, ein vielseitiges architektonisches Erbe, das es näher kennenzulernen gilt.

Dieser Aufgabe hat sich der auf Architekturbücher spezialisierte Berliner Verlag „DOM publishers“ angenommen, indem er den Ende Mai erschienenen „Architectural Guide Almaty“ vorlegt. In dem Bewusstsein, dass ein Buch über Almaty mehr eine Nische bedient, als dass die Stadt an einer der touristischen Hauptrouten läge, erschien dass Werk in englischer Sprache, um so seine Reichweite zu erhöhen.

Die Autorin Edda Schlager, Verfasserin des ebenfalls bei „DOM publishers“ erschienenen „Architekturführer Duschanbe“, ist sicherlich zu den versiertesten westlichen Kenner:innen Almatys zu zählen. Die freie Journalistin lebte zwei Dekaden in der Stadt und berichtete von hier aus für verschiedene deutsche Medien. Dabei erlebte sie die – nicht nur städtebaulichen – Umbrüche, die das heutige Bild der Stadt mitprägen „on the ground“. Erfahrungen, die dem Buch an vielen Stellen zugutekommen.

Fundierte Einführung

Fast die Hälfte des 360 Seiten starken Buches entfallen auf die Einleitung, wobei es sich hierbei eigentlich um eine Sammlung einführender Texte handelt, die die Lesenden mit architekturellen, städtebaulichen und stadthistorischen Besonderheiten Almatys vertraut machen. Lediglich der erste dieser Texte, in dem Schlager in erfrischend persönlicher Weise darlegt, wie sie selbst zur „Almatinka“ – also Einwohnerin Almatys – wurde, stellt demnach eine Einleitung im eigentlichen Sinn dar.

Im darauffolgenden Kapitel führt die Autorin kompakt durch die Geschichte der 1855 als russisches Militärfort gegründeten und 1867 unter dem Namen Wernyj ausgebauten Stadt. Verheerende Erdbeben 1887 und 1911 sind dafür verantwortlich, dass aus jenen frühen Jahren der Stadt wenig Bausubstanz erhalten blieb. Der Aufstieg der mittlerweile zu Alma-Ata umbenannten Stadt zur Hauptstadt der Kasachischen SSR 1936 prägte ebenso das architektonische Erbe der Stadt, um nur einen weiteren Meilenstein der Stadtgeschichte zu nennen.

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Da dieses Wissen um die Stadtgeschichte für ein Verständnis der städtebaulichen Prozesse unerlässlich ist, sollte dieses Kapitel unbedingt gelesen werden. Historische Fotografien und Stadtpläne, die den Text untermalen, tragen nicht unwesentlich zu diesem Verständnis bei. Bei den weiteren Texten, die teils von Schlager selbst, teils von Gastautorinnen verfasst wurden, sei es den individuellen Interessen der Lesenden überlassen, welche man lesen und welche überblättern möchte. Ein persönlicher Lesetipp sind dabei die Kapitel zur Fassadenkunst und Metro.

115 Objekte

Im Hauptteil, der gut die zweite Hälfte des Buches ausmacht, stellt die Autorin 115 Objekte in einzelnen, in der Länge variierenden Texten vor. Jeder dieser Texte wird von Angaben zu Adressen, Architekt:innen und Baujahr eingeleitet und mindestens mit einem Bild illustriert. Zwar würde man sich zu manchem Objekt großformatigere und vor allem mehr Fotos wünschen. Da es sich aber nicht um einen Bildband, sondern um einen kompakten und gut transportablen Reiseführer handelt, ist es leicht, darüber hinwegzusehen.

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Die Sortierung der Bauwerke erfolgt dabei in fünf Abschnitten, von denen sich jeder einer Epoche oder Strömung widmet. Wer eine Einteilung nach geographischen Aspekten bevorzugen würde, kommt dennoch auf seine Kosten. Karten am Ende des Buches, in denen alle Objekte verzeichnet sind, machen es möglich, die Stadt quartiersweise zu erkunden. Darüber hinaus ist jeder einzelne Text mit einem QR-Code versehen, der auf die jeweiligen Koordinaten des Objekts in Google Maps führt und somit die Orientierung während einer Stadterkundung erleichtert.

Bauwerke aus fünf Epochen

Der erste Abschnitt behandelt Bauwerke aus der Zarenzeit. Neben der Christi-Himmelfahrt-Kathedrale sind es vor allem vereinzelte Kaufmannshäuser, die das letzte große Erdbeben von 1911 überstanden haben. Der zweite, ebenfalls aufgrund der geringen Anzahl erhaltener Gebäude recht schmale Abschnitt widmet sich dem Konstruktivismus. Neben den für diese Strömung typischen Gebäuden wie etwa der Hauptpost hebt die Autorin erfreulicherweise auch jene hervor, die renoviert statt restauriert wurden und somit von ihrem konstruktivistischen Äußeren wenig bewahrt haben.

Auf ein weiteres Kapitel zur „stalinistischen Architektur“ mit ihren teils neo-klassizistischen Prachtbauten folgt der umfangreichste Abschnitt zum „Sowjetischen Modernismus“ – einer Strömung, die das Stadtbild Almatys wie keine andere prägt.  Dieses Kapitel umfasst einige der ikonischsten Bauwerke der Stadt, wie etwas das Hotel Kasachstan oder die Eisschnelllaufbahn von Medeu.

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Im letzten Abschnitt wendet sich Schlager dann dem „Kasachischen Modernismus“ zu, also jenen Bauwerken, die seit der Unabhängigkeit des Landes 1991 entstanden sind. Hier profitiert das Buch erheblich von der profilierten Kenntnis der Autorin, die weite Teile der geschilderten städtebaulichen Transformation vor Ort miterlebt hat. Als erfahrene Journalistin legt sie dabei auch ein Augenmerk auf jene Objekte, die nicht frei von Kontroversen sind – wie etwa den das Bergparnorama verstellenden Nurly-Tau-Komplex oder das inmitten eines Nationalparks auf dem 3200 Meter hohen Talgar-Pass gelegene „Tenur Eco Hotel“.

Dass die Transformationsprozesse noch nicht abgeschlossen sind, verdeutlicht sich daran, dass auch das neue Flughafenterminal oder das „Almaty Museum of Arts“ – beide erst im vergangenen Jahr fertiggestellt – in das Buch aufgenommen wurden. Von einigen der Architekturbüros zur Verfügung gestellte Querschnitte und Projektionen gewähren darüber hinaus tiefere Einblicke in modernes urbanes Bauen.

Längst überfällig

Mit dem „Architectural Guide Almaty“ führt Edda Schlager kenntnisreich und kurzweilig durch 170-Jährige Architekturgeschichte von Kasachstans südlicher Metropole. Dabei stellt sie eine bemerkenswert breite Palette an Bauwerken vor, die von Sakralbauten über öffentliche Gebäude, Sport- und Kulturstätten, bis hin zu Wohnkomplexen, Bahnhöfen, dem Flughafen und dem Fernsehturm reicht.

So ist ein Buch entstanden, das im handlichen Format ein detailliertes Bild des heutigen Almaty mit all seinen architekturellen Facetten zeichnet und das – der Nische zum Trotz – längst überfällig war. Ein Buch, das vor allem Lust macht, Almaty (neu) zu entdecken.

Edda Schlager: Architectural Guide Almaty, 360 Seiten, DOM publishers, ISBN 978-3-86922-727-6 , Berlin 2025

Robin Roth für Novastan

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