Kasachstans Tourismussektor wächst. Gleichzeitig sieht das Land sich mit den Folgen des Klimawandels konfrontiert. Hinzu kommt, dass unkontrollierte Besucherströme das Ökosystem von Nationalparks belasten. Dabei gibt es genug Regulierungsansätze. Ein Gespräch mit der Ökologischen Gesellschaft „Green Salvation“.
Kasachstan wird als Reiseziel stetig attraktiver. Dies zeigte sich zuletzt im Oktober 2024, als „Lonely Planet“, der weltweit führende Reiseführerverlag, Kasachstan als eines der Best in Travel 2025-Reiseziele auserkor. Tourismus ist aber keine Einbahnstraße. Auch wenn Touristen zum wirtschaftlichen Wachstum eines Landes, einer Region oder eines Unternehmens beitragen, hinterlässt er Spuren. Durch den Transport ausgestoßene Abgase und liegengebliebener Müll belasten Mensch, Tier und Natur, was sich insbesondere auf fragile Natur negativ auswirkt. Die negativen Folgen von Tourismus können durch Gegenmaßnahmen gemildert werden, doch sind viele Naturreservate und -parke nicht auf eine etwaig große Anzahl von Besuchern eingestellt.
„In einem vernünftigen Rahmen kommt der Tourismus allen zugute. Übermäßiger Tourismus ist jedoch ein ernstes Problem, das in vielen europäischen Ländern bereits zu öffentlichen Protesten und zur Besorgnis der Regierungen führt. Auch wir sehen uns zunehmend mit ähnlichen Problemen konfrontiert. Übermäßiger Tourismus zerstört die Grundlagen der touristischen Aktivität“, meint der Vorsitzende der Ökologischen Gesellschaft „Green Salvation“ Sergeı Kuratov.
„Green Salvation“ beobachtet seit vielen Jahren die Umweltsituation in den Nationalparks der Region Almaty. Als NGO wenden sie sich ständig an die zuständigen Stellen mit der Forderung, Gesetzesverstöße zu ahnden und Gesetzesänderungen vorzuschlagen. Ihre Arbeit trägt damit zum Umweltschutz in Kasachstan bei. Gemeinsam mit der internationalen Gemeinschaft ist es ihr u. A. bisher gelungen, das Projekt zum Bau einer Hochspannungsleitung durch die Nationalparks Şaryn und Altynemel zu ändern oder den Bau eines Skigebiets im Kök-Jaılau-Plateau zu verhindern.
Ein steter Kampf
Eine der Hauptaufgaben von „Green Salvation“ besteht in der Überwachung von Regierungsorganen und Korruptionsbekämpfung. Darüber hinaus stellt die offizielle Anerkennung von Nationalparks, wie Ile-Alatau, ein wichtiges Anliegen dar. „Green Salvation“ wehrt sich regelmäßig juristisch gegen Vorhaben von Lokalregierungen, um die Umsetzung wirtschaftlicher Interessen in solchen Parks auszubremsen und Pufferzonen einzurichten.
Bei einem Rechtsstreit, der 2016 losbrach, stieß die Organisation jedoch auf taube Ohren. Die Lokalregierung Almatys ging nicht auf Anschuldigungen seitens der Aktivisten ein; ein Verstoß gegen Artikel 10 Absatz 2 Unterabsatz 11 des Gesetzes der Republik Kasachstan „Über besonders geschützte Naturgebiete“ wurde bemängelt. Erst im Mai 2023 gab ein Richter am Obersten Gerichtshof den Aktivisten Recht mit der Begründung, das Gebiet sei von internationaler Bedeutung und sollte daher besonders geschützt werden. Das Urteil ist von zukunftsweisender Bedeutung, da es die Dimension der Korruption in Umweltschutzinitiativen offenlegt.
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2023 wurden in Kasachstan 2257 Tausend Tonnen umweltschädliche Abgase ausgestoßen, was im Vergleich zu 2019 eine Verringerung von knapp elf Prozent darstellt. Gleichzeitig lässt sich aber eine Diversifizierung von Energiequellen feststellen: Insbesondere der Ausstoß von Kohlenwasserstoffen, vornehmlich Methan, das in einem Zeitraum von zwanzig Jahren bis zu 86-mal klimaschädlicher als Kohlenstoffdioxid ist, wird von der Regierung weiter gefördert; ein Anstieg von etwa 8,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.
Wachsender Tourismussektor
Tourismus macht weltweit einen Anteil von über neun Prozent des globalen Bruttoinlandsprodukts aus; in Kasachstan etwas über drei Prozent. Kasachstan steht laut dem Travel & Development Index (TTDI) Mai 2024 auf Platz 52, was einen Anstieg um sechs Plätze seit 2019 bedeutet. Der TTDI gibt Auskunft über einen Bündel von Faktoren, die sich positiv oder negativ auf die Entwicklung des Tourismussektors auswirken.
Die negativen Folgen des Tourismus für Nationalparks lässt sich schon anhand der vielen Bauvorhaben, insbesondere in den letzten Jahren, ablesen: Der Bau von Parkplätzen, Restaurants und Unterkünften stellen das Ökosystem der Nationalparks unter Druck. Im „Nationalen Entwicklungsplan der Republik Kasachstan bis 2029“ wird auch auf die Notwendigkeit hingewiesen, „die negativen Auswirkungen des Tourismus auf die Umwelt zu verringern“. „Es ist notwendig, verantwortungsbewusstes Verhalten zu fördern und die Kontrolle über den Tourismus zu verstärken, einschließlich der Kontrolle von Geschäften“, heißt es im Monitoring-Bericht von Green Salvation vom Oktober 2024.
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„Es ist wichtig, den Tourismus in den Siedlungen zu entwickeln. Aber auch hier ist die Situation traurig. Das Beispiel der Siedlung Talğar, die zum UNESCO-Weltkulturerbe gehört, zeigt die Vernachlässigung der historischen und kulturellen Stätten. Um Touristen anzulocken, muss man ernsthaft arbeiten. Deshalb ist es am einfachsten, die Natur zu ‘entwickeln‘ und Gewinne aus ihr herauszuquetschen“, sagt Kuratov.
Es ist tatsächlich möglich, hohe Touristenzahlen für den eigenen Vorteil zu nutzen. Dies zeigt das Beispiel des Nationalparks auf den Galapagos-Inseln. Harte Kontrollen zielen darauf ab, die Natur sauber zu halten und den negativen Einfluss des Tourismus zu begrenzen. Viel mehr noch ist ein gewisses Naturbewusstsein in die Gesellschaft eingekehrt. Schon in den Schulen wird der Wert des Nationalparks und die Notwendigkeit, ihn zu erhalten, mitgegeben. Die Einnahmen aus dem Tourismus werden für die Erhaltung der Flora und Fauna sowie in Bildungs- und Artenerhaltungs-Projekte reinvestiert. Die Insel hat zudem eine maximale Besucherzahl festgesetzt.
„Taza Qazaqstan“ – Umdenken in der Beziehung zur Umwelt?
Nicht allein der Tourismus, aber vor allem Dinge des alltäglichen Lebens sind eine große Herausforderung für Länder wie Kasachstan mit vielen Nationalparks und reicher Natur. Dies hängt nicht zuletzt von der Mentalität der Besuchenden ab: Wie verhalte ich mich und was sollte ich nicht tun, damit die Reinheit der Natur beibehalten werden kann? Das Konzept des Ökotourismus hat in den vergangenen 10 Jahren erheblich an Bedeutung gewonnen.
Es ist ein gewisses Umdenken im Reisen zu erkennen, das die Umgebung und die örtlichen Gegebenheiten der persönlichen Freifahrt vorzieht. Komfort und Selbstentfaltung sind keine konträren Konzepte; vielmehr vereinen Ansätze des Ökotourismus persönliches Wohlbefinden mit einem erhöhten Verantwortungsbewusstsein. Ökotourismus baut genau auf dieser Frage auf.
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Die Weltorganisation für Tourismus (UNWTO) verbindet in ihrer Definition des 2002 geprägten Begriffs Reisen zur Wertschätzung von Natur und Tradition in Naturgebieten mit einem Fokus auf den pädagogischen Wert. Zeitgleich soll dadurch die negative Auswirkung auf die Umgebung möglichst geringgehalten und die Instandhaltung der Naturgebiete zielorientiert getragen werden. Das schließe die wirtschaftliche Komponente mit ein und solle den lokalen Gemeinden zugutekommen.
Im April 2024 wurde die Initiative „Taza Kazakhstan“ durch den Präsidenten der Republik Kasachstan eingeführt. Die Kampagne verfolgt das Ziel, die Umweltsituation im Land durch Aufräumaktionen, Müllsammlungen, Begrünung der Gebiete und Bildung zu verbessern. Seit 2019 haben sich fast 6,2 Millionen Menschen beteiligt, 1,1 Millionen Tonnen Abfall gesammelt und etwa 1,6 Millionen Bäume gepflanzt. Obwohl die Kampagne in ihrer Grundidee förderlich ist, stoßen Aktivisten auf Schwierigkeiten in der Umsetzung. „Im Allgemeinen ist die Initiative positiv zu bewerten. Aber wir erleben immer wieder Situationen, in denen lokale Behörden und Geschäftsleute die Gesetze missachten und damit gute Bemühungen zunichtemachen“, bedauert Kuratov.
Anton Genza für Novastan