Turkmenistan hat mit seinen großen Gasreserven alle Vorteile, um durch den Bau einer transkaspischen Pipeline eine ernsthafte Gasversorgungsalternative für Europa zu werden. Aber es scheint, dass dies aufgrund der ablehnenden Haltung Russlands nicht so einfach sein wird.
Am 15. Februar hat Turkmenistans Präsident Serdar Berdimuhamedow Besuch aus Russland erhalten. Alexei Miller, der Präsident des russischen Unternehmens GazProm, reiste für einen Kurzaufenthalt in die turkmenische Hauptstadt Aschgabat. Dort traf er auch den ehemaligen Präsidenten und derzeitigen Vorsitzenden des VolksratesGurbanguly Berdimuhamedow. Der Besuch wurde von der turkmenischen Regierung als „Beitrag zur Stärkung der produktiven Zusammenarbeit im Brennstoff- und Energiesektor und im Allgemeinen als Beitrag zum weiteren Ausbau der russisch-turkmenischen Beziehungen“ angekündigt.
Expert:innen sehen jedoch eher einen Versuch Moskaus, seinen Einfluss auf die Außenpolitik Turkmenistans und insbesondere auf seine Gasexporte geltend zu machen. Angesichts westlicher Sanktionen gegen russisches Gas könnte Turkmenistan mit seinen viertgrößten Gasreserven der Welt eine interessante Alternative für Europa darstellen.
Der Traum von der transkaspischen Pipeline
Russland ist keinesfalls der Hauptabnehmer von turkmenischem Gas. Dies ist mit großem Abstand China, das bis zu viermal mehr importiert, erklärt Radio Azattyq, der kasachstanische Dienst von Radio Free Europe. Russische Beamte scheinen jedoch immer noch ein Mitspracherecht bei turkmenischen Gasexporten zu haben. Radio Azatlyk, der turkmenische Dienst von Radio Free Europe, berichtete mit Verweis auf den Telegram-Kanals Vzgliad na Vostok [„Blick nach Osten“, Anm. d. Red.], dass das Projekt einer durch das Kaspische Meer verlaufenden Pipeline von Turkmenistan nach Aserbaidschan durch Russland blockiert werde.
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Diese Informationen wurden weder von GazProm noch von den turkmenischen Regierungsmedien bestätigt oder auch nur kommentiert. Die Zurückhaltung Russlands gegenüber dem Bau einer transkaspischen Pipeline ist jedoch seit langem bekannt und wurde im Dezember 2022 von einem Senator des russischen Gebiets Astrachanerneuert. Aus „Umweltschutzgründen“ sei die Transkaspische Route kategorisch unmöglich.
Der wahre Grund ist zweifellos geopolitisch. Seit dem Beginn des Krieges in der Ukraine und den gegen Russland verhängten Sanktionen für seine Rohstoffexporte will der Kreml dem Westen keine anderen Alternativen bieten. Das seit den 1990er Jahren diskutierte Projekt einer transkaspischen Pipeline zwischen Turkmenistan, der Türkei und Europa könnte aber eine solche Alternative sein, erinnert der Journalist Bruce Pannier in einem Artikel für das Foreign Policy Research Institute.
Exporte in Richtung Süden
Vielmehr möchte der Kreml Turkmenistan lieber in Richtung eines Gaskartells lotsen. Wie die Nachrichtenagentur Atalayar im Juli berichtete, plant Russland die Einrichtung eines solchen Kartells mit dem Iran und wahrscheinlich in Zukunft auch mit Qatar. Russland würde die turkmenischen Behörden dazu drängen, im Rahmen von Vertriebsabkommen mehr über den Iran in die Türkei zu exportieren, erklärt „Vzgliad na Vostok“. Moskau hofft darauf, in Zukunft russisches Gas über Kasachstan und Turkmenistan in den Iran und von dort nach Pakistan und Indien zu exportieren.
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Eine Situation, die Turkmenistan nicht wirklich zuträglich ist. Laut John Roberts, Experte für Energiesicherheit und Mitglied des Beirats der Trans Caspian Company, wird die zentralasiatische Republik höchstens 5 Milliarden Kubikmeter Gas pro Jahr in die Türkei exportieren können. Zudem würde Turkmenistan in eine Abhängigkeit vom Iran geraten, erläutert Annette Bohr, Forscherin der Denkfabrik Chattam House, gegenüber Radio Azattyq.
Russlands Gas-Strategie in Zentralasien
Russland verfolgt mit seinem Handeln in Turkmenistan die gleiche Strategie wie in ganz Zentralasien und versucht, seinen Einfluss und seine Märkte in ehemaligen Sowjetrepubliken zu bewahren. Bereits im Dezember 2022 hatte Moskau die Gründung einer trilateralen Gas-Union mit Kasachstan und Usbekistan vorgeschlagen. Die beiden zentralasiatischen Regierungen waren jedoch nicht gewillt, Russland die Kontrolle über ihre Gasinfrastruktur zu bieten.
Wie Eurasianet berichtet, unterzeichneten die beiden zentralasiatischen Republiken aber im Januar 2023 schließlich Roadmaps, die eine bilaterale Basis mit Gazprom vorsehen. Der usbekische Dienst von Radio Free Europe veröffentlichte am 9. Februar einen Investigativ-Artikel, der enthüllte, wie eine Gruppe lokaler und russischer Konglomerate die Kontrolle über den größten Teil der usbekischen Öl- und Gasindustrie übernahm.
Emma Collet, Redakteurin für Novastan
Aus dem Französischen von Robin Roth
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