Ortsbezeichnungen, Gebrauchsgüter und andere Attribute einer neuen Realität, in der wir im Jahre 2026 leben sollen. Was plant die usbekische Politik? Der folgende Artikel erschien im Original in der Online-Zeitung Sarpa-Media. Wir übersetzen ihn mit freundlicher Genehmigung der Redaktion.
Wer hat sich das Neue Usbekistan ausgedacht?
Das erste Mal Erwähnung erhielt das Neue Usbekistan im September 2021. Damals fand der 10. Kongress der Liberal-Demokratischen Partei statt, auf dem alle Teilnehmer:innen dazu aufgerufen waren, die erneute Kandidatur von Shavkat Mirziyoyev als Vertreter der Partei für die bevorstehenden Präsidentschaftswahlen endgültig zu unterstützen. Shavkat Mirziyoyev (Präsident seit 2016, Anm. der Redaktion) präsentierte die Grundideen seines Wahlprogramms mit dem Titel Strategie des Neuen Usbekistans. Die Zustimmung, die er damit bei den Anwesenden erntete, brachte ihm schließlich die einstimmige Unterstützung seiner Präsidentschaftskandidatur ein. Das Zentrum für wirtschaftliche Forschung analysierte die Rede des Präsidenten. Die meist erwähnten Wörter waren: Volk – 77 Mal, Neu – 57 Mal; Usbekistan – 39 Mal; Sozial – 24 Mal; Bildung – 26 Mal; Wirtschaft – 29 Mal.
Die schöne neue Welt
Zeitgleich mit dem Wahlprogramm stellte der Präsident seine Buch „Die Strategien des Neuen Usbekistans“ vor. Dieses umfasst 500 Seiten und sieben Abschnitte:
- Strategie des Neuen Usbekistan
- Bürgerfreundlicher Staat
- Entwicklung der Volkswirtschaft
- Gerechte Sozialpolitik
- Spirituelle Entwicklung
- Sicherheit und Außenpolitik
- Usbekistan und globale Probleme
Dem Buch zufolge wurde vorgeschlagen, das Budget für das Erreichen der Ziele auf 230 000 Euro festzusetzen. Das Ministerium für Entwicklung und Fortschritt wies den Vorschlag jedoch bereits zum zweiten Mal zur Überarbeitung zurück. Doch dies hält Interessierte der ganzen Republik keineswegs davon ab, sich mit dem Werk des Präsidenten vertraut zu machen: 2021 kauften Wirtschaftsorganisationen im ganzen Land Bücher und Plakate zu diesem Thema im Wert von insgesamt 160 000 Euro.
Gebrauchsgüter des Neuen Usbekistans
Das Neue Usbekistan ist nicht nur eine lose Idee. Es stützt sich auch auf handfeste „Dinge“ und Veranstaltungen. Die Wichtigsten davon sind:
- Das Buch des Präsidenten
- Die Zeitschrift Neues Usbekistan, herausgegeben von der Usbekischen Botschaft in Russland, Polen und der Türkei, anlässlich des 30-jährigen Unabhängigkeits-Jubiläums
- Plakate in Schulen und Universitäten
- Ein Schreibwettbewerb für Studenten unter dem Motto „Wir bauen das Neue Usbekistan eigenhändig auf“, organisiert vom Zentrum für Spiritualität und Aufklärung des Bildungsministeriums
- Die Zeitung Neues Usbekistan, die beinah unbemerkt aus der Wahrheit des Ostens hervorging. Ebendiese Zeitung veröffentlichte das erste und einzige Interview des Präsidenten mit der lokalen Presse. Darin sprach er erstmals über die Schaffung des Neuen Usbekistans und der „dritten Wiedergeburt“. Später erschien das Interview in gebundener Ausgabe auf Russisch, Usbekisch und Englisch mit einer Auflage von 95 000 Exemplaren.
Baudenkmäler des Neuen Usbekistans
Die neue Ideologie der letzten Jahre findet sich auch in Toponymen wieder. Immer mehr Objekte tragen die Widmung „Dem Neuen Usbekistan“ im Namen:
- Der Neue Park, in dessen Mitte sich das Unabhängigkeits-Monument befindet
- Die Neue Straße
- Das 250 Hektar große Einkaufszentrum Neues Usbekistan
- Die Universität Neues Usbekistan, in der die Lehre auf Englisch stattfindet
- Die Neuen Mehrfamilienhäuser: 250 000 Wohnungen im ganzen Land
Ein strategischer Plan
Die Entwicklungsstrategie des Neuen Usbekistans ist auch eine juristische Angelegenheit. Das entsprechende Gesetz unterteilt sich in sieben Abschnitte und 100 gesteckte Ziele. Eine Arbeitsgruppe aus 30 Köpfen trägt die Verantwortung für deren Realisierung. Schenkt man diesem Plan Glauben, leben wir schon 2026 im Neuen Usbekistan.
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In der letzten Regierungszeit von Präsident Mirziyoyev galt noch eine andere Strategie: Die Aktionsstrategie in fünf vorrangigen Bereichen. Über sie wurden ebenfalls Abhandlungen geschrieben und Plakate gedruckt. Die neue Strategie erscheint als „logische“ Fortsetzung der alten. Zwar findet man in der bisherigen Strategie mehr Pläne und Projekte als Ergebnisse und Berichte, aber vielleicht haben wir einfach nur schlecht gesucht?
Und das alte Usbekistan?
Auf der einen Seite ist das Neue Usbekistan ein ernstzunehmendes Projekt mit rechtlichem Fundament. Auf der anderen Seite ist es Ideologie. Darüber hinaus ist das Konzept des Neuen Usbekistans auch ein Indikator für die Aktivität des Präsidenten, der Einhaltung seiner Wahlversprechen und Teil seines durchdachten Images. Beim Amtsantritt des Präsidenten im Jahre 2016 kam der Wunsch nach „etwas Neuem“ sowohl von der internationalen Gemeinschaft als auch von der Bevölkerung auf; dieses „Neue“ schwebte aber noch in der Luft. Jetzt, in der zweiten Amtszeit, wurde die Gegenüberstellung von Neuem und altem Usbekistan zu einem eher konzeptionell gestalteten Merkmal der neuen Regierung. Lest auch auf Novastan: Klarer Himmel, rote Pfützen: Politische Entwicklungen in Usbekistan nach den Protesten in Karakalpakstan Der rote Faden in allen Aussagen über das neue Usbekistan ist das Thema Rechte, Würde und Interessen der Menschen. Offensichtlich ist dies der Hauptunterschied zwischen dem Neuen Usbekistan und dem „alten Usbekistan“, bekannt für Menschenrechtsverletzungen, Verschlossenheit, Unbeweglichkeit auf Regierungsebene, mangelnde Meinungsfreiheit und nicht funktionierende demokratische Institutionen.
Aus dem Russischen von Arthur Siavash Klischat Noch mehr Zentralasien findet ihr auf unseren Social Media Kanälen, schaut mal vorbei bei Twitter, Facebook, Telegram, Linkedin oder Instagram. Für Zentralasien direkt in eurer Mailbox könnt ihr euch auch zu unserem wöchentlichen Newsletter anmelden.