Dieses Jahr nimmt Kirgistan erstmals mit einem eigenen Pavillon an der 59. Ausgabe der Biennale von Venedig teil. Die Auswahl der Künstler, die das Land vertreten werden, ist jedoch umstritten.
Kirgistan, das in vergangenen Jahren Teil des Gemeinschaftspavillons für Zentralasien war, wird auf der nächsten Biennale in Venedig auf eigenen Füßen stehen. Die Kunstmesse, die vom 23. April bis zum 27. November stattfinden wird, steht unter dem Motto „The Milk of Dreams“. Die 1895 gegründete Biennale ist eine angesehene internationale Ausstellung für zeitgenössische Kunst, die alle zwei Jahre in Venedig stattfindet. Kasachstan und Usbekistan werden 2022 ebenfalls einen unabhängigen Pavillon haben, merken die Organisatoren an.
Ein Außenseiter in der kirgisischen Kunstszene
Der iranische Künstler Firuz Farman Farmayan wird Kirgistan mit dem Werk „Gates of Turan“ vertreten. Es handelt sich um „eine facettenreiche Installation, die die immaterielle Substanz von Mythos und Erinnerung durch die Versorgung mit archaischen Kosmogonien durch sakrales Material untersucht“, erklärte er auf seinem Instagram-Account.
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Auf die Frage nach der Wahl des Künstlers erklärte das kirgisische Kulturministerium am 7. Februar, dass Firuz Farman Farmayan in enger Zusammenarbeit mit der Kunststudentin Nurzat Dscheenbek kyzy, kirgisischen Handwerkern und einem Netzwerk von Handwerkerinnen sowie Mitgliedern eines Vereins an einer Skizze der Installation gearbeitet habe, berichtete das kirgisische Medium Kaktus. Für das Kulturministerium ist die Teilnahme kirgisischer Künstler:innen und Kunsthandwerker:innen eine Gelegenheit, ihre Fertigkeiten und Techniken zu zeigen. Auf der Website der Biennale ist jedoch nur Farmayan gelistet.
„Ein Fehler“
Diese Entscheidung wird daher von der kirgisischen Kunstgemeinschaft kritisiert. Die künstlerische Leiterin Aida Sulewa erklärte auf ihrer Facebook-Seite, die Entscheidung des Kulturministeriums, einen ausländischen Künstler zur Biennale zu schicken, sei „ein Fehler“ gewesen. „Die venezianische Biennale ist eine Ausstellung zeitgenössischer Kunst aus einem Land, das seine Präsenz auf der Weltkarte der Kunst markiert, die Aufmerksamkeit der Weltgemeinschaft auf sich zieht und die Befreiung vom Kolonialismus bekräftigt“, fügte sie hinzu. Sulowa machte auch deutlich, dass Künstler:innen in Kirgistan die Kosten für die Organisation von Ausstellungen in der Regel aus eigenen Mitteln finanzieren und in Abwesenheit eines lokalen Kunstmarktes „überleben, so gut sie können“. „Meine Sorge hat nichts mit seiner [Farmayans] ethnischen Zugehörigkeit zu tun. Die Presse schweigt zu seiner Staatsbürgerschaft – es hat sich herausgestellt, dass er aus Europa kommt“, behauptet Sulewa, die von Novastan kontaktiert wurde.
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„Es gibt einen Mangel an Kommunikation zwischen dem Kulturministerium und der Kunstszene in Kirgistan“, fügt Sulewa hinzu. Die kirgisischen Künstler:innen „sind verzweifelt und können einen weiteren Verrat durch das Ministerium nicht ertragen“, das ihnen bereits seine mangelnde Unterstützung bei kulturellen Veranstaltungen demonstriert hat, sagt sie. So war zum Beispiel die feministische Kunstausstellung Feminnale, die 2019 im Museum der Schönen Künste in der kirgisischen Hauptstadt Bischkek stattfand, vom kirgisischen Kulturminister Asamat Dschamankulow teilweise zensiert worden. Mehrere konservative Aktivist:innen waren in die Ausstellung eingedrungen, hatten die Werke als provokativ empfunden und die Schließung der Veranstaltung gefordert. Die Direktorin des Nationalen Kunstmuseums, Mira Dschangatschewa, war aufgrund zahlreicher Drohungen gegen sie und das Personal der Einrichtung gezwungen, von ihrem Amt zurückzutreten.
Auch Kasachstan mit einem umstrittenen Pavillon
Der kirgisische Pavillon ist nicht der Einzige aus Zentralasien, der kritisiert wird. So wird Kasachstan durch das Künstlerkollektiv ORTA vertreten sein, wie die lokalen Behörden am 1. Februar auf einer Pressekonferenz im Museum für Schöne Künste in Almaty bekannt gaben. Diese Tatsache wurde Novastan von der Kuratorin Dilda Ramazan, die an dieser Konferenz teilnahm, dargelegt. Die Künstler werden ein mysteriöses Projekt rund um Sergej Kalmykow vorstellen, einen russischen Künstler, der in der kasachischen Kunstszene sehr umstritten ist, einen exzentrischen Lebensstil pflegt und dessen mystische Gemälde viele Jahre lang unbekannt blieben, merkt der lokale Zweig des russischen Onlinemediums MK an.
„Wir entdeckten die ergreifende Schönheit von Sergej Kalmykows Texten und wurden von seinem Genie angesteckt“, beschreibt das ORTA-Kollektiv, das sich für seine Aufführung ausschließlich von Kalmykows Texten inspirieren ließ, so das kasachische Medium 5Qmedia. So wird auch die Auswahl des kasachischen Pavillons von der lokalen Kunstgemeinschaft kritisiert, „die kein Mitspracherecht bei der Auswahl des Vertreters des Pavillons auf der Biennale hatte“, wie die Kuratorin Ramazan gegenüber Novastan beklagt. „Das ORTA-Kollektiv ist mit dem Sektor der Biennale von Venedig nicht vertraut“, führt sie aus. Die kasachischen Künstler seien „mit dieser Wahl nicht zufrieden“.
Charlayne Vilmer
Novastan France
Aus dem Französischen von Florian Coppenrath
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