Fast drei Jahre ist es her, dass die Feminnale, ein feministisches Kunstfestival in Kirgistans Hauptstadt Bischkek, für kontroverse Schlagzeilen sorgte und einen Skandal auslöste. Vergleichbare Ausstellungen gab es seitdem nicht mehr in Bischkek. Nun gründete die Organisatorin der Feminnale, Altyn Kapalova, das erste Museum für Feministische und Queere Kunst in Zentralasien. Novastan hat sie getroffen, um über dies und weitere Projekte zu sprechen. Die Aktivistin, Künstlerin und Kinderbuchautorin Altyn Kapalowa ist durch ihren Kampf für mehr Gendergleichberechtigung, Frauenrechte und Rechte queerer Menschen immer wieder in den kirgisischen Medien. Mit Hilfe von Kunst möchte Sie auf die Probleme Aufmerksam machen, mit denen diese Gesellschaftsgruppen konfrontiert sind.
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Dieses Ziel verfolgte auch die Feminnale, die Kapalowa im November 2019 in Bischkek kurierte. Die Ausstellung befasste sich thematisch mit den Rechten von Frauen und der LGBTQIA+ Community, Abtreibung und Nacktheit. Kurz nach der Eröffnung wurde sie jedoch vom Ministerium für Kultur zensiert und die Direktorin des Museums für Schöne Künste, Mira Dschangaratschewa, reichte unter Druck der Öffentlichkeit ihre Kündigung ein. Nach längerer Funksille gründete Kapalova nun das Museum für Feministische und Queere Kunst. Ein künstlerischer Raum, der mit den patriarchalen Strukturen brechen möchte und als Plattform dient. Wir treffen die herzliche und selbstbewusste Altyn Kapalova in ihrem Atelier, wo sie gerade an einem großen Teppich knüpft, einem Geflecht aus dicken roten Schnüren, die das Geflecht der Gewalt gegenüber Frauen thematisieren soll. Novastan: Wie ist die Idee für ein Museum für Feministische und Queere Kunst entstanden? Altyn Kapalowa: Die Eröffnung unseres Museums war sozusagen eine Reaktion auf die Ereignisse während der Feminnale. Da wir danach keine Partner mehr fanden, die mit uns zusammenarbeiten wollten, entschlossen wir uns unser eigenes Museum zu eröffnen. Zunächst nannten wir es „Museum für Feministische Kunst“ und später kam mir die Idee, auch queere Künstler:innen einzuschließen. Queere Menschen gehören in Kirgistan zu einer Gesellschaftsgruppe, deren privates Leben enorm eingeschränkt ist und der auch der Zugang zur Kunstwelt verwehrt bleibt. So entstand das Museum für Feministisch und Queere Kunst. Lest auch bei Novastan: Bischkek: Die Direktorin des Museums der Schönen Künste kündigt wegen feministischer Ausstellung Wir haben angefangen Kunstwerke zu kaufen und bekamen auch einige Spenden. Zwar sind wir kein Museum im klassischen Sinne, das heißt wir haben keine Räumlichkeiten, wir verfügen aber über eine stetig wachsende Sammlung mit über 100 Kunstwerken von überwiegend zentralasiatischen Künstler:innen. Unsere Sammlung umfasst Bilder, digitale Kunst, Skulpturen, Textilarbeiten usw. Wie kann man sich ein Museum ohne Räumlichkeiten vorstellen? Ich denke das Verständnis von Museum hat sich in den letzten Jahren weiterentwickelt. Unser Museum ist als eine Institution zu verstehen. Es ist ein Instrument, um Wissen zu generieren, neue Gedanken zu teilen und auch ein Ort des Protests. Unser Museum ruft verschiedene Projekte ins Leben und beherbergt ein offenes Atelier für alle die sich daran beteiligen und künstlerisch tätig werden möchten. Zudem arbeiten wir gerade daran auch den digitalen Raum zu nutzen. Wir erstellen eine Webseite mit einer digitalen Ausstellung der ersten Feminnale und unserer Sammlung.
Was sind das für Projekte und Veranstaltungen? Unser ArtCycling Projekt zum Beispiel: Im Sommer planen wir ein Kunstprojekt mit dem Fahrrad am Yssykkölsee zum Thema Bewegungsfreiheit von Frauen. Während unserer Tour treffen wir kirgisische Künstlerinnen aus der Region und veranstalten Workshops mit Ihnen. Das Thema der physischen Freiheit knüpft an eine Studie an, die ich vor einiger Zeit durchgeführt habe. Bei der kam heraus, dass viele Frauen in Kirgistan ihre Ehemänner um Erlaubnis bitten müssen, um das Haus zu verlassen um Freunde, Familie oder Verwandte zu treffen. Weitere Projekte unseres Museums sind regelmäßige Workshops in unserem Atelier zu unterschiedlichen Themen. Auch die nächste Feminnale ist ein Projekt unseres Museums. Es wird also eine zweite Feminnale geben? Ja, die zweite Feminnale ist für November dieses Jahres geplant. Allerdings stehen wir noch vor einigen Herausforderungen. Es ist sehr schwierig Räumlichkeiten zu finden, was weniger an der Finanzierung als an den Ereignissen vom letzten Mal liegt. Ich bin aber zuversichtlich, dass wir eine kreative Lösung finden werden. Unser Museum und die nächste Feminnale kann in diesem Sinne als Protest gegen die Zensur des Kulturministeriums gesehen werden.
Der internationale Frauentag steht vor der Tür. Habt ihr etwas Besonderes für den 8. März geplant? Am 8. März öffnen wir unser Atelier und stellen Materialien für alle, die sich Plakate und Banner für den Marsch in der Stadt basteln wollen zu Verfügung. Ehrlich gesagt haben wir gerade keine Kraft noch mehr zu organisieren und begrüßen sehr die Aktionen der anderen queer feministischen Gruppen in Bischkek. Wir leben in einem Land, wo Gewalt an Frauen tagtäglich passiert und in den sozialen Netzwerken regelmäßig darüber berichtet wird. Für uns ist sozusagen jeder Tag der 8. März.
Mit Altyn Kapalowa sprach Inka Rommel Redakteurin für Novastan.org
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