Um gegen die Abholzung in Bischkek zu kämpfen, haben sich die kirgisischen Behörden etwas Besonderes ausgedacht: Kirgistans Hauptstadt führt einen Ausweis für Bäume ein. Ziel ist es, so das Ökosystem der kirgisischen Hauptstadt zu schützen und zu entwickeln.
Der Klimawandel gewinnt auch in Kirgistan an Bedeutung. In Bischkek, der Hauptstadt des Landes, konzentriert sich der Kampf auf die zunehmende Umweltschädigung im Stadtgebiet. Bischkek ist heute nicht nur die größte Stadt Kirgistans, sondern auch eine der am stärksten verschmutzten. Grünflächen in der Stadt sind in den letzten Jahren betonierten und asphaltierten Straßen gewichen, wie Aysirek Imanalijewa, Journalistin der amerikanischen Nachrichtenportals Eurasianet, erklärt.
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Um die Situation zu verbessern, haben die Stadtverwaltung und die öffentliche Stiftung „Arch Initiative“ am 17. September einen originellen Plan ins Leben gerufen. Dieser zielt darauf ab, eine elektronische Inventarisierung von Bischkeks Bäumen vorzunehmen. Ihnen soll ein Pass zugeteilt werden, um nicht nur die Entwicklung und Renaturierung von Grünflächen zu fördern, sondern auch um den Zustand von Eichen, Pappeln und anderen Arten zu überwachen.
Identifizieren, um besser zu schützen
Mit der Initiative möchte die Bischkeker Stadtverwaltung die wertvollsten Bäume in der Hauptstadt identifizieren. In Zusammenarbeit mit Umweltaktivist:innen haben die lokalen Behörden bereits fast 1.577 „grüne Pässe“ ausgestellt. Die meisten von ihnen werden seltenen Bäumen wie bestimmten Eichen, Ulmen oder Pappeln aus dem 20. Jahrhundert zugeteilt. Der Baum bekommt keine Papierdokumente und gilt auch natürlich nicht als Bürger. Konkret wird eine Markierung mit einem QR-Code oder einer Nummer am Stamm angebracht, über die alle relevanten Daten abgerufen werden können. Diese Daten ermöglichen es, eine Art Krankenakte zu erstellen, die verschiedene Informationen enthält: unter anderem Lokalisierung, Alter, Art und Zustand.
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Mit der Maßnahme reagiert die Stadt auch auf die Vorwürfe des illegalen Holzschlags, die in den letzten Jahren immer wieder laut wurden. Laut dem kirgisischen Nachrichtenportal Kloop hat der ehemalige Bürgermeister von Bischkek, Albek Ibraimow, während seiner Amtszeit (2016-2018) die Rodung Tausender Bäume angeordnet, um Straßen zu bauen. Eine Politik, die ihm den Spitznamen „Albek, der Holzfäller“ einbrachte, wie das russische Medium Sputnik berichtet. Umweltschützer:innen hoffen nun auf den Erhalt der Umwelt. Dmitrij Perejaslawskij, Mitglied des Vereins „Archa Tree Protection Fund“, erklärte im Interview mit Eurasianet, dass er in Zukunft alle Bäume in Bischkek markiert sehen wolle. Laut dem kirgisischen Nachrichtenportal 24.kg können interessierte Bürger:innen an der Inventarisierung teilnehmen. Bis zum 6. Oktober wurden bereits 700 Bäume in die Datenbank aufgenommen.
Innovative technologische Unterstützung
Der Vorstoß scheint für Kirgistan beispiellos zu sein. Umweltinventarisierungen sind im Land noch recht selten. Während der letzten Erhebung, die noch zu Sowjetzeiten stattfand, zählten die Bischkeker Behörden 300.000 Bäume. Ab sofort können Mitarbeiter:innen der städtischen Betriebe anhand der Daten erkennen, welche Bäume krank oder zu alt sind und diese fällen. Außerdem soll jeder gefällte Baum ersetzt werden, kündigte Kalitscha Umuralijewa, Leiterin des Grünflächenamts der Stadt Bischkek, am 2. Oktober auf TV1 an. Die Stadtverwaltung versichert auch, dass das für die Inventarisierung zuständige Unternehmen „Bischkekselenchos“ den Betrag, der für die Pflege und Behandlung der Bäume anfällt, bereits im Voraus berechnen kann.
Darüber hinaus hat Kirgistans Hauptstadt weitere Umweltschutzmaßnahmen ergriffen. So wurde im September ein Greening-Komitee gegründet, um das Ökosystem zu retten. Das kirgisische Nachrichtenportal Kaktus berichtet außerdem, dass im Rathaus ein Treffen mit Wissenschaftler:innen, Einwohner:innen und Verwaltungsbeamten stattfand. Bis zu einer grünen Stadt ist es jedoch noch ein weiter Weg. So wurde die Stadtverwaltung nach Angaben von 24.kg erst im Januar abermals wegen der illegalen Fällung von 17 Bäumen verurteilt. Die Behörden der Hauptstadt hatten deswegen eine Geldstrafe von 36.000 Som (365 Euro) zu entrichten.
Hugo Messina, Redakteur für Novastan
Aus dem Französischen von Robin Roth