Am 16. Juni hat Wladimir Putin den USA vorgeschlagen, russische Militärstützpunkte in Zentralasien zu nutzen, um Informationen über die Lage in Afghanistan zu sammeln. Will Russland so versuchen, neue US-Militärstützpunkte in der Region zu verhindern?
Angesichts der derzeit angespannten Beziehungen zwischen Washington und Moskau überraschte der Vorschlag. Am 16. Juni hat Russlands Präsident Wladimir Putin seinem amerikanischen Amtskollegen Joe Biden den Zugang zu russischen Militärstützpunkten in Tadschikistan und Kirgistan angeboten. Diese zuvor geheim gehaltenen Informationen wurden am 17. Juli von der russischen Tageszeitung Kommersant enthüllt. Laut russischen Medienquellen sind die USA diesem Vorschlag aber bislang nicht gefolgt.
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Während sich die US-Streitkräfte nach zwanzig Jahren Krieg aus Afghanistan zurückziehen, erklärten die Taliban laut Agence France Press (AFP) am 9. Juli die Kontrolle über 85 Prozent des Landes zu haben. Dies bereitet Moskau echte Kopfschmerzen. Wie die Agentur Reuters berichtete, befürchte es einen Flüchtlingsstrom in die Staaten Zentralasiens sowie eine Destabilisierung der Sicherheitslage an seiner südlichen Verteidigungsflanke.
Seit 2014 ohne Stützpunkt
Bis 2005 verfügten die USA über einen eigenen Militärstützpunkt in Usbekistan, bis 2014 über einen in Kirgistan. Von dort zogen sie sich jedoch auf Wunsch der örtlichen Behörden und auf Druck Moskaus zurück.
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Mit dem im Februar 2020 mit den Taliban geschlossenen Abkommen wurde der Rückzug der US-Truppen aus Afghanistan eingeleitet. Wie die New York Times Mitte April enthüllte, streben die USA infolgedessen einen Rückzug nach Zentralasien an. Usbekistan und Tadschikistan könnten einem amerikanischen Stützpunkt zustimmen, doch die Verhandlungen sind bislang gescheitert. Hinter den Kulissen arbeitet die russische Diplomatie daran, eine mögliche Rückkehr von US-Stützpunkten in die Region zu verhindern, berichtet der russische Radiosender Echo Moskwy.
Russische Militärpräsenz in Zentralasien
Hier kommt der russische Vorschlag ins Spiel. Moskau würde den USA die Nutzung des im Oktober 2004 errichteten 201. russischen Militärstützpunkts in Tadschikistan überlassen. Russland unterhält außerdem eine Garnison in der Hauptstadt Duschanbe und in Bochtar im Südwesten des Landes. „Es handelt sich Russlands größte Militäranlage außerhalb seiner Grenzen. Die Basis besteht aus mechanisierter Artillerie, Aufklärungs- und Flugabwehrraketen sowie anderen Einheiten und einer Luftgruppe“, berichtet die russische Mediengruppe RBK.
Ein weiterer russischer Militärstützpunkt existiert in Kirgistan, in der unweit der Hauptstadt Bischkek gelegenen Stadt Kant. Der seit 2003 aktive Luftwaffenstützpunkt beherbergt nach Berichten von RBK Su-25-Flugzeuge und MI-8MTV-Hubschrauber.
Hoffen auf eine bessere Option
Washington scheint aber auf bessere Optionen zu hoffen. Am 2. Juli berichteten die Agenturen Bloomberg und Reuters, dass die US-Regierung Gespräche mit Kasachstan, Tadschikistan und Usbekistan führe. Die Vereinigten Staaten möchten, dass diese Länder vorübergehend fast 9.000 Afghan:innen aufnehmen, die mit amerikanischen Streitkräften zusammengearbeitet haben und jetzt von den Taliban bedroht werden.
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Laut Bloomberg wäre eine solche Übereinkunft Teil eines größeren Abkommens, das die Zusammenarbeit zwischen den USA und den zentralasiatischen Staaten stärken soll. Im Rahmen des Washington-Besuchs der Außenminister von Usbekistan und Tadschikistan schlugen die USA am 2. Juli ein Abkommen vor, das ihnen die Durchführung von Geheimdienst-, Überwachungs- und Aufklärungsoperationen vom Gebiet der betroffenen Länder aus ermöglichen würde. Mehr oder weniger das, was auch Russland vorgeschlagen hat.
Wie das US-Außenministerium mitteilte, fand am 15. Juli fand in Taschkent ein Treffen im Format „C5+1“ zwischen den Außenministern der zentralasiatischen Staaten und einer US-Delegation statt. Hauptthema des Treffens war nach Angaben des kirgisischen Außenministeriums die Lage in Afghanistan im Zusammenhang mit dem Abzug der Koalitionstruppen.
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Für Washington hätte dieses offizielle Treffen der Zeitpunkt sein können, das Abkommen abzuschließen. Dies ließ sich aber nicht umsetzen. „Bisher hat […] keiner der Verbündeten Russlands in Zentralasien seine Absicht bekundet, den Vereinigten Staaten die Stationierung militärischer Einrichtungen auf ihrem Territorium zu gestatten“, sagte Russlands Außenminister Sergej Lawrow gegenüber dem Kommersant.
Margarita Danilova, Redakteurin für Novastan
Aus dem Französischen von Robin Roth
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