Den Iran und Tadschikistan verbindet eine große kulturelle Nähe. Trotzdem ist das Verhältnis zwischen beiden Ländern seit nunmehr 30 Jahren von äußerst wechselhafter Natur. Politische Skandale und geopolitische Spannungen verhinderten bisher eine engere bilaterale Beziehung. Angesichts neuer sicherheitspolitischer Herausforderungen planen beide Seiten nun jedoch eine intensivere Kooperation.
Irans Innenminister Abdolreza Rahmani Fazli ist am 23. Februar 2021 zu bilateralen Gesprächen in die tadschikische Hauptstadt Duschanbe gereist. Der iranischen regierungsnahen Agentur Mehrnews zufolge, sprach der tadschikische Innenminister Ramason Rachimow eine offizielle Einladung an Rahmani Fazli aus, um die Beziehungen zwischen Iran und Tadschikistan zu besprechen. Während des zweitägigen Besuches ging es vor allem um die Stärkung der bilateralen Beziehungen im Sicherheitsbereich. Dazu traf sich der iranische Minister auch mit Tadschikistans Präsidenten Emomali Rahmon.
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Der Iran und Tadschikistan sind durch eine gemeinsame Geschichte, Sprache und Kultur eng miteinander verbunden. Das Tadschikische gehört zur Familie der iranischen Sprachen und unterscheidet sich vom in Iran gesprochenen Farsi nur geringfügig, vergleichbar mit einem Dialekt. Auch Bräuche und Feste, wie etwa das in beiden Ländern kurz bevorstehende Neujahrsfest Nowruz, unterstreichen die großen Gemeinsamkeiten beider Nationen. Diese kulturelle Nähe betonte laut Mehrnews auch Irans Rahmani Fazli: „Die beiden Länder haben viel gemeinsam und wir suchen Frieden, Stabilität, Gerechtigkeit und Sicherheit in der Region und in allen Ländern.“
Ambivalente Beziehungen trotz kultureller Nähe
Trotz der zahlreichen Gemeinsamkeiten und der kulturellen Nähe ist das Verhältnis zwischen Iran und Tadschikistan seit der Unabhängigkeit der ehemaligen Sowjetrepublik wechselhaft. Dieses On-Off Verhältnis zwischen Teheran und Duschanbe kann nach Ansicht des Politologen Parwis Mullodschanow in drei Phasen eingeteilt werden. Die erste Phase entstand mit der Auflösung der Sowjetunion und dem darauffolgenden tadschikischen Bürgerkrieg. Dem Iran wurde vorgeworfen, politische Unterstützung für die Vereinigte Tadschikische Opposition zu leisten, dem Gegner der heutigen tadschikischen Regierung um Präsident Rahmon. Während dieser Phase waren die Beziehungen auf geopolitische Konfrontation ausgerichtet und offen feindselig.
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Die anschließende zweite Phase war durch den innertadschikischen Friedensprozess gekennzeichnet. Durch die Konsolidierung der Taliban im benachbarten Afghanistan waren die Parteien im geopolitischen Umfeld der Region darauf bedacht eine Lösung des tadschikischen Konfliktes herbeizuführen. Nach dem Friedensvertrag der tadschikischen Bürgerkriegsparteien von 1997 traten der Iran und Tadschikistan laut Mullodschanow in eine 13 Jahre währende Tauwetterperiode stabiler Beziehungen ein. Beide Länder unterstützten sich weitestgehend in ihren regionalpolitischen Bestrebungen und der Iran begann in tadschikische Infrastruktur- und Wasserkraftprojekte zu investieren.
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Die dritte Phase wurde 2013 mit einer erneuten starken Abkühlung des Verhältnisses eingeläutet. Einer der Auslöser war der Fall des iranischen Milliardärs Babak Zanjani, dem im Iran die Unterschlagung von 2,7 Milliarden US-Dollar mit Hilfe tadschikischer Banken vorgeworfen wird. Der Verbleib des Geldes ist bis heute nicht eindeutig geklärt und belastete die Beziehung zwischen beiden Ländern langfristig. Ein weiterer starker Dämpfer für das Verhältnis zwischen Duschanbe und Teheran war der offene Empfang für Muhiddin Kabiri, des Vorsitzenden der Islamischen Partei der Wiedergeburt Tadschikistans, in Iran im Jahr 2015. Die Oppositionspartei war zuvor in Tadschikistan mit der Begründung verboten worden, einen Staatsstreich zu planen.
Tadschikistan als „Geisel“ geopolitischer Konflikte
Die bilateralen Beziehungen zwischen Tadschikistan und Iran werden nicht zuletzt auch durch externe Parteien und das geopolitische Machtverhältnis in der Region bestimmt. Nach Ansicht von Analyst Mullodschanow werden anti-iranische Ressentiments in Tadschikistan vor allem von Seiten Saudi-Arabiens und der salafistischen Lobby gefüttert. Duschanbe sei eine „Geisel“ im Kampf zwischen Iran und Saudi-Arabien um die Vorherrschaft in der Region beziehungsweise zwischen zwei machtpolitischen Blöcken. Mit den USA, Saudi-Arabien und Israel auf der einen Seite und China, Russland und dem Iran auf der anderen Seite.
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In diesem Zusammenhang wurden auch neuerliche Annährungen zwischen Teheran und Duschanbe im Jahr 2019 gesehen, als Präsident Rouhani in Tadschikistan empfangen wurde. Die tadschikische Führung wird im Angesicht der regionalen Machtverhältnisse erkannt haben, dass eine zu einseitige Position im Verhältnis mit Iran der eigenen Situation eher schaden würde und versucht seitdem eine Balance-Politik zu betreiben. Sowohl China als auch Russland unterstützen den Iran teilweise in seinen Regionalbestrebungen und wären als wichtigste Partner Tadschikistans über eine zu eindeutige Positionierung Duschanbes in Richtung Saudi-Arabien und USA vermutlich alarmiert.
Veränderte Sicherheitslage befeuert Iranisch-Tadschikische Kooperation
Trotz erneuter Provokationen von Seiten Tadschikistans im September 2020 (das Staatsfernsehen sendete eine reißerische Dokumentation, die Iran beschuldigte, militante Aktivitäten in Tadschikistan finanziell zu unterstützen) kam es durch die Reise des iranischen Innenministers im Februar diesen Jahres zu den anvisierten Treffen zwischen beiden Seiten. Vor allem im Sicherheitsbereich soll die Kooperation verstärkt werden. Beide Parteien einigten sich laut Mehrnews in bilateralen Gesprächen unter anderem auf die Zusammenarbeit und den Austausch von Informationen und Erfahrungen bei der Bekämpfung der grenzüberschreitenden organisierten Kriminalität, des Terrorismus und des Extremismus.
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Der tadschikische Innenminister betonte: „Angesichts der regionalen Entwicklungen (…) insbesondere der Ausbreitung terroristischer Gruppen in der Region, hat die Erfahrung gezeigt, dass der Kampf gegen den Terrorismus, das organisierte Verbrechen und den Drogenhandel (…) nicht ohne die Zusammenarbeit mit anderen Ländern möglich ist.“
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Diese jüngsten Bemühungen um Zusammenarbeit dürften vor allem angesichts der Situation im benachbarten Afghanistan entstanden sein. Das sowohl an Tadschikistan als auch an den Iran angrenzende Land steht vor einer ungewissen Zukunft. Mit dem bevorstehenden Abzug der NATO-Truppen aus dem Land wird eine erneute Machtübernahme durch die islamistischen Taliban befürchtet. Sowohl Teheran als auch Duschanbe sind sich zumindest in ihrer Ablehnung gegenüber dieser Gruppierung einig, die das ohnehin fragile Afghanistan und die Sicherheitslage in der Region weiter destabilisieren könnte.
Darius Regenhardt, Autor für Novastan
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