Usbekistans Wirtschaft, die lange einer protektionistischen Politik unterworfen war, internationalisiert sich immer mehr. Als letzte Bastion gegen die Liberalisierung scheint sich die Automobilindustrie langsam zu öffnen, indem sie auf neue Verkaufs- und Produktionsvereinbarungen setzt. Dies verdeutlicht der angekündigte Bau einer Fabrik zur Herstellung von Autos einer chinesischen Marke.
Die nationale Nachrichtenagentur Usbekistans (UzA) hat am 13. Mai 2020 den Bau einer Fabrik des Joint-Ventures Navoiy Motors angekündigt, die in der freien Wirtschaftszone Navoiy in Zentral-Usbekistan entstehen soll. Anders als von UzA behauptet, handelt es sich allerdings nicht um ein usbekisch-iranisches sondern usbekisch-österreichisches Joint-Venture, das Fahrzeuge der Marke Oshan produzieren wird. Oshan gehört zum chinesischen Autohersteller Changan.
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Habib Abdullayev, Direktor der freien Wirtschaftszone von Navoiy, erklärte gegenüber Fergana News, dass das Missverständnis darauf zurückzuführen sei, dass das Unternehmen derzeit von Personen iranischer Staatsangehörigkeit geführt werde.
Bald chinesische Autos auf Usbekistans Straßen
Das Projekt umfasst mehr als 12 Millionen US-Dollar (etwas mehr als 11 Millionen Euro) und wird laut UzA die Autoindustrie des Landes radikal verändern. Nach Fertigstellung des Werkes ist geplant, dort Oshan-Nutzfahrzeuge zu montieren, die dann auf dem usbekischen Inlandsmarkt verkauft werden. „Der Inlandsmarkt braucht eine Versorgung mit Personenkraftwagen, wie modernen SUVs, Lieferwagen, Minivans“, sagte Afshin Shakeri, Cheftechnologe des Unternehmens, gegenüber UzA.
Um 25.000 Fahrzeuge pro Jahr produzieren zu können, werden 200 neue Arbeitsplätze geschaffen, von denen 95 Prozent nach den geltenden nationalen Rechtsvorschriften an usbekische Staatsangehörige vergeben werden, erklärte Habib Abdullayev gegenüber Novastan. Ein Teil dieser Produktion werde auch ins Ausland exportiert. „Mindestens 30 Prozent der Autos werden exportiert, die meisten in die Länder der Region“, so Abdullayev weiter. Im Moment befindet sich der Bau in der Phase der Zementierungs- und Erdarbeiten. Trotz der aktuellen Covid-19-Pandemie sollen die Bauarbeiten rechtzeitig abgeschlossen werden.
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Dennoch verzögert sich die Lieferung einiger für den Bau notwendiger Geräte um bis zu zwei Monate, teilte Habib Abdullayev gegenüber Novastan mit, „aber die Österreicher hoffen das aufzuholen, so dass die Chance besteht, dass das Werk noch vor Ende des Jahres eröffnet wird“.
Die freien Wirtschaftszonen öffnen das Land
Die gewählte Lage des Werks ist strategisch, da es sich in der freien Wirtschaftszone von Navoiy befindet wird. Diese ist die älteste und wichtigste Wirtschaftszone dieser Art in Usbekistan. Sie wurde 2008 in der Region Navoiy gegründet und umfasst heute eine Fläche von 645 Hektar mit mehr als 30 Unternehmen. Die Unternehmen in diesem Gebiet profitieren von Zoll- und Steuervorteilen sowie von Mechanismen zur Vereinfachung von Verfahren. Diese Vorteile sind ein Anreiz für in- und ausländische Unternehmen, sich dort niederzulassen. Dadurch entsteht ein echtes Cluster, das reich an Ressourcen und qualifizierten Arbeitskräften ist, die aktiv zur Öffnung des Landes beitragen.
Ausländische Investitionen anzuziehen scheint zu einer Priorität der Wirtschaftspolitik Usbekistans geworden zu sein. Die freien Wirtschaftszonen spielen in diesem Prozess der Öffnung eine wichtige Rolle. Das Ziel dieser Gebiete, insbesondere der Wirtschaftszone Navoiy, besteht laut UzA darin, High-Tech-Unternehmen zu gründen, die internationalen Standards entsprechen, sich auf den Weltmärkten behaupten können und ausländische Investitionen – vor allem Direktinvestitionen – anziehen. 170 Millionen Dollar (rund 158 Millionen Euro) sollen bereits in die Region Navoiy investiert worden sein, von denen 40 Prozent Direktinvestitionen seien.
Ein begehrter Markt
Neben Changan kündigte auch Volkswagen im März dieses Jahres an, Autos in Usbekistan produzieren zu wollen. Dies wurde im Rahmen einer Vereinbarung zwischen Uzavtosanoat und Volkswagen Group Rus über die Produktion des Volkswagen Caddy in der freien Wirtschaftszone Jizzax ermöglicht. Das Produktionsziel wurde auf 20.000 Fahrzeuge pro Jahr festgelegt. Volkswagen wird neue Technologien und Fertigungsprozesse bereitstellen und die Mitarbeiter schulen. Das Werk wird in Bezug auf Produktionsmanagement, Qualität, Einkauf, Beschaffung und Vertrieb nach den Standards des Volkswagen-Konzerns arbeiten.
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Für Changan, Volkswagen und andere ausländische Automobilhersteller stellt Usbekistan ein großes Potenzial dar. Das Land mit mehr als 34 Millionen EinwohnerInnen ist sowohl kostengünstige Produktionsstätte mit qualifizierten ArbeitnehmerInnen als auch ein wachsender Markt. „Der Automobilmarkt Usbekistans entwickelt sich dynamisch und hat ein großes Wachstumspotenzial in allen Segmenten“, sagte Markus Osegowitsch, Generaldirektor der Volkswagen Rus Group, im März laut Angaben des Unternehmens Uzavtosanoat.
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Der usbekische Automobilsektor, der noch vor kurzem verschlossen war, ist heute immer offener für ausländische Vorschläge. Fahrzeuge des Konzerns UzAuto Motors, der sich im Besitz des usbekischen Staates befindet, beherrschen jedoch nach wie vor den usbekischen Markt. „Die Eröffnung des Werks wird den lokalen Markt beeinflussen, aber auf moderate Weise, da es nur 25.000 Fahrzeuge pro Jahr produzieren wird, während GM Uzbekistan (ehemaliger Name von UzAuto Motors, Anm. d. Red.) jährlich 250.000 produziert“, berichtet Habib Abdullayev gegenüber Novastan. Auch wenn das Erscheinen ausländischer Konzerne den usbekischen Automarkt nicht abrupt revolutionieren wird, so kann dennoch festgestellt werden, dass eine Erneuerung beginnt, zu der insbesondere Volkswagen und Changan beitragen.
Tanguy Martignolles, Redakteur für Novastan
Aus dem Französischen von Robin Roth
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