Warum investiert China in Kasachstan? Gegenüber Vlast legt der kasachstanische Ökonom Kassymchan Kapparow seine Sicht dar. Wir übersetzen den Artikel mit freundlicher Genehmigung der Redaktion.
China gehört für Kasachstan zu den fünf wichtigsten ausländischen Investoren, ist aber nicht die Nummer Eins. Die aktuellen Zahlen nannte Präsident Kassym-Dschomart Tokajew Anfang September: Der Umfang chinesischer Investitionen beläuft sich seit der Unabhängigkeit Kasachstans auf 20 Milliarden US-Dollar. Und die kasachstanische Staatsführung ist daran interessiert, dass die Investitionen steigen, obwohl ein Teil der Bevölkerung negativ auf die chinesische Präsenz in der Wirtschaft reagiert. Auf die Frage, warum China in Kasachstan investiert, antwortet der Ökonom Kassymchan Kapparow.
Vereinbarungen auf Regierungsebene
Tatsächlich sollte man nicht davon sprechen, dass China aktiv in Kasachstan investiert. Erstens setzt der Begriff „Investitionen“ voraus, dass ein chinesisches Unternehmen ein bestimmtes Risiko in Kasachstan auf sich nimmt. Chinesische Investitionen werden aber durch zwischenstaatliche Abkommen auf Regierungsebene unter Beteiligung staatlicher oder großer kasachstanischer Unternehmen ins Land geholt. Bei den Staatsunternehmen nimmt der Staat einen großen Teil der Risiken auf sich.
Zweitens ist nicht alles Geld, das aus China nach Kasachstan fließt, Investition im direkten Sinne. Einen bedeutenden Teil machen Handelskredite oder Darlehen aus, die in Form von Ausrüstung oder Finanzierung zugeteilt werden. Sie müssen zurückgezahlt werden. Der Bau der Stadtbahn in Nursultan ist zum Beispiel ein reines Darlehen, das man zurückzahlen muss. Die Garantien kommen vom Staat.
Ich würde eher sagen, dass es auf Regierungsebene bestimmte Vereinbarungen über die Bereitstellung chinesischer Kredite für bestimmte Projekte gibt. Aber Investitionen von chinesischen Privatunternehmen oder Geschäftsleuten aus China gibt es bei uns eher wenig.
Interesse an Rohstoffen
Es ist außerdem wichtig anzumerken, dass besagte chinesische Handelskredite vor allem in jene Branchen fließen, die für die chinesische Wirtschaft interessant sind. Da sind zum Beispiel Infrastrukturmaßnahmen im Rahmen von One Belt, One Road oder der Abbau und die Ausfuhr von Rohstoffen wie Metall oder Erdöl.
Daher kann man sagen, dass die chinesischen Interessen sehr auf Kasachstan fixiert sind, nicht aber die Interessen der chinesischen Privatwirtschaft. Für China unterscheiden sich die Investitionen in Kasachstan nicht von den Investitionen in jedes andere Entwicklungsland mit reichen Rohstoffvorkommen.
Lest auch auf Novastan: Wohin führt die Neue Seidenstraße? Über die Chancen und Risiken von „One Belt, One Road“
Da wir uns geographisch sehr nah an China befinden, ist es sehr logisch, dass Investitionen hierher fließen, um eine zusätzliche Rohstoffbasis zu haben – also Zugriff auf mineralische Rohstoffe, die die chinesische Wirtschaft für ihr Wachstum braucht. Das steht für China an erster Stelle.
Wir sehen, dass China immer mehr Ressourcen akkumuliert. Einerseits entspricht das einer globalen Politik des Aufkaufs von mineralischen Ressourcen, andererseits wird für chinesische Waren der Zugang zum Weltmarkt gesichert. Unter anderem dafür wurde die „Neue Seidenstraße“ gebaut.
Keine anderen Investoren als China
Die Regierung Kasachstans hat ein Interesse an den chinesischen Investitionen, da es derzeit außer China keine anderen Investoren in der Region gibt. Die USA und Europa waren in den 1990ern aktiv, als es für sie Möglichkeiten und interessante Projekte gab. Russland steht unter Sanktionen und das Kapital reicht dort nicht für die eigene Wirtschaft. Folglich ist China der einzige aktive Investor in Zentralasien und insbesondere in Kasachstan.
Derzeit ist Arbeitskraft in Kasachstan etwas günstiger als in China, aber die Produktivität ist bedeutend geringer. Meiner Meinung nach macht daher eine Verlagerung chinesischer Fabriken zu uns keinen wirtschaftlichen Sinn. Es wäre günstiger diese Fabriken nach Bangladesch oder Indonesien zu verlagern.
Lest auch auf Novastan: Wohin führt die antichinesische Hysterie in Kasachstan?
Wenn es in Kasachstan günstige und qualifizierte Arbeitskraft geben würde, dann wären chinesischen Fabriken hier möglich. Aber das hängt von der Situation in Kasachstan ab – und nicht von der Situation in China. Für China ist nicht wichtig, in welchem Land es Fabriken baut, sondern dass die Arbeitskraft günstig und die Produktivität hoch ist.
Unsere Beziehungen zu China haben zwei Ebenen. Auf der zwischenstaatlichen Ebene haben wir sehr enge Beziehungen, Kasachstan hat den Status eines strategischen Partners Chinas erworben – es gibt ständige Treffen der Führungen beider Länder. Auf der Ebene der privaten Unternehmen und der Bevölkerung gibt es sehr wenige Kontakte. Das Visa-Regime ist ziemlich hart – für chinesische TouristInnen und Geschäftsleute ist es sehr schwierig ein Visum für Kasachstan zu bekommen. Deshalb gehen sie in andere Länder, um zu investieren oder Urlaub zu machen.
Juna Koresteljowa für Vlast
Aus dem Russischen von Robin Roth
Noch mehr Zentralasien findet ihr auf unseren Social Media Kanälen, schaut mal vorbei bei Twitter, Facebook, Telegram, Linkedin oder Instagram. Für Zentralasien direkt in eurer Mailbox könnt ihr euch auch zu unserem wöchentlichen Newsletter anmelden.