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Ein weißer Fleck auf der Karte? Perspektiven für den Tourismus in Kasachstan

Kasachstan hat vor, die Rolle des Tourismus in seiner Wirtschaft zu steigern. Dafür wurde insbesondere eine Entwicklungsstrategie mit dem Horizont 2020 ins Leben gerufen. Doch die geplante Entwicklung ist nicht hürdenlos.

nurgulzh julikap 

Bayterek Astana
Bayterek Astana

Kasachstan hat vor, die Rolle des Tourismus in seiner Wirtschaft zu steigern. Dafür wurde insbesondere eine Entwicklungsstrategie mit dem Horizont 2020 ins Leben gerufen. Doch die geplante Entwicklung ist nicht hürdenlos.

Laut Weltbank machten Kasachstans Rohstoffexporte 2012 32,1% des nationalen BIP aus (zum Vergleich, für Deutschland ist der Anteil 0,2%). Um die Abhängigkeit von Einkommen aus Bodenschätzen zu reduzieren und die kasachische Wirtschaftsbasis zu diversifizieren, hat das Tourismuskommittee des Ministeriums für Industrie und neue Technologien die Tourismusentwicklung in Kasachstan zu einer nationalen Priorität erklärt.

Die Tourismusindustrie ist in der Tat ein wachsender Wirtschaftszweig in Kasachstan: während eines Regierungstreffens im August unterstrich Präsident Nursultan Nasarbajew, dass der Dienstleistungssektor in Kasachstan mittlerweile das meiste Wirtschaftswachstum erzeuge; der Anteil am BIP betrüge 53%. „Länder, die beständig Anstrengungen unternehmen, um die Wettbewerbsfähigkeit des Dienstleistungssektors zu verbessern, steigern ihre Produktivität. Wir schenken dem Dienstleistungssektor immer noch nicht genügen Aufmerksamkeit“, so Nasarbajew.

„Borat“, die US-amerikanische Mockumentary aus dem Jahr 2006, in dem der fiktive Charakter Borat als kasachischer Fernsehjournalist in die USA reist, um die Sitten und Bräuche der Amerikaner zu erforschen, hat das Interesse am Land steigen lassen. Doch um das ungenutzte Wachstumspotenzial für Kulturtourismus in Kasachstan langfristig erfolgreich anzuzapfen, und damit Kasachstan als weißen Fleck von der touristischen Landkarte verschwinden zu lassen, bedarf es einer besonderen Strategie.

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Tourismuskonzept 2020

Mit dem „Konzept für Tourismusentwicklung in Kasachstan bis 2020“, das im Januar 2013 verabschiedet wurde, soll Kasachstan zu einem weltweit anerkannten Tourismusziel werden. Der Anteil von Tourismus am BIP soll bis 2020 von 0,3% auf 3% steigen. Die vier Säulen des Programms setzen auf eine Verbesserung des Rechtssystems, der Infrastruktur, aktives Marketing und spezialisierte Tourismuszentren. Fünf Regionen sind als Ballungsgebiete für Tourismusentwicklung anvisiert: Astana und Almaty sollen sich dabei als Zentren für Dienstreisende präsentieren, gleichzeitig wird Almaty als zukünftiger internationaler Hotspot für Bergsport gehandelt. Ostkasachstan wird sich auf Ökotourismus konzentrieren, Südkasachstan setzt auf Kulturtourismus, Westkasachstan soll vermehrt Strandurlauber anziehen. Marat Igali, Vorsitzender des Komitees für die Tourismusindustrie im Ministerium für Industrie und neue Technologien, geht davon aus, dass die Implementierung der für diese Regionen vorgesehenen Projekte das Wirtschaftswachstum in den fünf Tourismusregionen Kasachstans um das Zweifache und die Zahl der Touristen um acht Millionen pro Jahr steigern werden.

Ala Tau Almaty

Parallel dazu setzen sich Kasachstan, Usbekistan, Tadschikistan und Kirgistan unterstützt von der Welttourismusorganisation und der UNESCO für die Tourismusentwicklung entlang der Seidenstraße und des dortigen historischen Weltkulturerbes ein. Vom 22. bis 24. Juli 2014 fand in Almaty das Treffen der Nationalen Kommissionen der UNESCO statt. Dabei wurden acht kasachische Weltkulturerbestätten in der UNESCO Weltkulturerbeliste aufgenommen, darunter sowohl die Siedlungen Kajalyk, Karamergen und Talgar in der Region von Almaty als auch Aqtöbe, Stepninskoe, Akyrtas, Kulan, Kostobe and Ornek in der Zhambyl Region. Zusammen mit anderen chinesischen und kirgisischen Nominierungen sind sie Teil des Tien-Shan Korridors, der die Denkmäler der Seidenstraße verbindet. Daneben gibt es in Kasachstan zwei Naturparks, Katon-Karagha and Akzhayik, die nun auf der UNESCO Liste der Biosphärenreservate stehen.

Reisende aus den Schwellenländern

Statistiken belegen, dass Kasachstan reelle Chancen hat, nicht nur wohlhabende europäische Touristen für einen authentischen Kultur- und Natururlaub im neuntgrößten Land der Erde zu begeistern, sondern vor allem auch für die aufstrebenden Mittelschichten aus den Schwellenländern wie China, Indien und Südostasien attraktiv ist, die zum Beispiel zum Skiurlaub nach Kasachstan kämen.

Ungefähr sechs Millionen Touristen besuchten Kasachstan im Jahr 2012 – gegenüber dem Vorjahr ist das ein Anstieg von 8,4%. Die meisten Touristen kommen aus Usbekistan (37,1%), gefolgt von Kirgistan (23,6%) und Russland (22,2%). Kasachstan hofft in den nächsten Jahren weitere Touristen aus Russland, China und dem Nahen Osten anzuziehen. 200 Millionen Menschen aus diesen Ländern reisen jährlich außerhalb ihres Heimatlandes und Kasachstan setzt darauf, dass dieser Markt weiter wachsen wird. Kasachstan möchte deshalb Tourismusangebote für aufstrebende Wirtschaften wie China, Indien, den Nahen Osten und Russland entwickeln, wo die Menschen durch gestiegene Lebensstandards die Nachfrage nach Tourismusangeboten nach oben treiben. Kasachstans Vorteil liegt in der geografischen Nähe zu diesen Ländern. Privatbesuche machen 75,9% des Tourismus aus, 18,2% nutzen das Land zur Durchreise, 5,9% sind geschäftlich in Kasachstan unterwegs.

Marat Igali gibt zu bedenken, dass Statistiken zufolge jeder ausländische Tourist im Durchschnitt drei Arbeitsplätze unterstützt. Die Tourismusindustrieentwicklung schaffe vor allem Arbeitsplätze für junge Menschen und Frauen. Im Prinzip profitiert der gesamte Servicesektor, denn jeder Tourist braucht eine Unterkunft, geht Essen, erwartet touristische Unterhaltung und Aktivitäten sowie einen gewissen Standard an sonstiger touristischer Infrastruktur.

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Herausforderungen

Doch noch müssen in Kasachstan einige Weichen für den Tourismus gestellt werden. Hohe Preise für importierte Ware schlagen sich in höheren Preisen für Touristen in Restaurants und Hotels nieder. Des Weiteren haben kasachische Kleinunternehmer Schwierigkeiten Kredite zu bekommen, wodurch Investitionen ausgebremst werden. Auch herrschen Beschränkungen für Baugenehmigungen und Landerwerb vor, die das Interesse von heimischen und ausländischen Investoren in kasachisches Gewerbe zu investieren drosseln. Die Berufsausbildungsmöglichkeiten in Kasachstan hinken zudem weiterhin Industrielandstandards hinterher.

Alakkölsee

Raban Graf von Westphalen, Dozent an der Deutsch-Kasachischen Universität in Almaty, schildert in einem Interview mit der Deutschen Allgemeinen Zeitung aus persönlicher Sicht die Schwierigkeiten, die sich für Touristen ergeben, wenn sie wegen der praktisch nicht vorhandenen Busverbindungen im neuntgrößten Land der Erde kaum mobil sind.

Das Problem fehlender Infrastruktur ist auch Thema im „Konzept für Tourismusentwicklung in Kasachstan bis 2020“. Darin ist die Rede vom Aufbau eines modernen Transport- und Logistiksystems, um effektive Transportverbindungen über das Territorium des Lands zu fördern. Außerdem soll die Anbindung kleiner Städte und Dörfer, die im Gegensatz zu den großen Städten Astana und Almaty nicht über relativ moderne oder zumindest funktionierende Züge und Flughafenanbindungen verfügen, verbessert werden.

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Ein konkretes Hemmnis für Touristen wurde bereits mit dem Wegfall der Visaflicht seit dem 15. Juli 2014 angegangen. Die Visabefreiung gilt probehalber für ein Jahr für die Länder mit der höchsten Investitionsrate in Kasachstan. Touristen aus den USA, den Niederlanden, Großbritannien, Frankreich, Deutschland, Italien, Malaysia, den Vereinigten Arabischen Emiraten, Südkorea und Japan können sich so 14 Tage ohne Visum im Land aufhalten und vor Ort eine Verlängerung auf 30 Tage beantragen.

Doch auch mangelnder Service steht einer positiven Tourismusentwicklung entgegen. Für ausländische Touristen ist es immer noch schwierig sich in Almaty, der mit fast 1,5 Millionen Einwohnern größten Stadt Kasachstans zurechtzufinden. Schilder und Namen sind fast immer nur mit kyrillischen Buchstaben bezeichnet und so haben Touristen und Einheimische keine gemeinsame Sprache, um sich zu verständigen. Viele Touristen schreckt das davor ab überhaupt öffentliche Verkehrsmittel zu nutzen. Insbesondere auf dem Land sind die Sprachbarrieren und Kommunikationsprobleme hoch und das Umherreisen für Touristen somit erschwert.

Kök Schailoo

Auch gegenüber Familien mit kleinen Kindern, aber auch körperlich weniger fitten Touristen muss sich Kasachstan noch weiter öffnen. Momentan ist es noch recht kompliziert mit Kinderwagen in Almaty unterwegs zu sein und auch Behinderte könnten sich kaum selbstständig fortbewegen können. Hier muss sicherlich noch ein gesellschaftliches Umdenken stattfinden, hin zu mehr Service-Orientiertheit.

Authentische Tourismuserlebnisse

Auch wenn Kasachstan mit der Entwicklung einer Tourismusindustrie die Diversifizierung der Wirtschaft anvisiert, ist Vorsicht beim Umgang mit dem Begriff „Tourismusindustrie“ geboten. Denn „Industrie“ impliziert oft Mega-Skigebiete und gesichtslose Massenlösungen, wenn doch das mittelständische Tourismusgewerbe in Kasachstan gefördert werden müsste, damit sich der Tourist persönlich angesprochen und willkommen geheißen fühlt. Kasachstan muss sich daher überlegen, welche Art von Tourismus vermarktet werden soll und welche Rolle Kasachstans 12 Nationalparks und zehn Naturschutzgebiete darin spielen sollen.

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Ein inspirierendes und sehr positives Beispiel für ein Projekt, das versucht Kasachstan authentisch zu einem Erlebnis und einer Entdeckung der besonderen Art zu machen, ist der Blog Walking Almaty. Blogger Dennis Keen zog im Sommer 2013 nach Almaty, um dort Kasachisch zu studieren. Auf seinem fast 5 km langen Fußweg zur Uni, begann er die Gebäude, Straßen, Kanäle viele architektonische Details der Stadt zu erforschen. Die tausenden Fotos, die er bei seinen Wanderungen durch Almaty und die Umgebung macht, stellt er zusammen, zeichnet die Wanderwege auf und hält die Geschichten dazu in seinem Blog fest. So ergibt sich ein sehr persönliches Porträt von Architektur, Kultur und der Infrastruktur Kasachstans. Dies zeigt, dass Kasachstans reiche Flora und Fauna, weite Steppen und einzigartige kulturelle Geschichte ein Alleinstellungsmerkmal bilden mit dem man bei Touristen punkten kann, während es Luxusskiressorts auch in Dubai und der Schweiz gibt.

Nurgul Zhazykbaeva
Autorin für Novastan.org, Almaty

Julika Peschau
Redakteurin für Novastan.org

 

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