Ein Studienjahr in Deutschland kostet ungefähr 500 Euro, in Kasachstan im Vergleich dazu – ca. 2.000 Euro. Es gibt aber keine Garantie nach dem Hochschulabschluss in Kasachstan einen qualifikationsentsprechenden Job zu finden. Wofür gibt man dann so viel Geld aus?!
„Lernen! Lernen! Lernen!“, Lenins berühmte Worte kennen viele in Kasachstan. Das Bildungssystem in der Sowjetunion war sehr stark und hatte eine hohe Qualität. Die Erfolge in der Wissenschaft und in der Forschung waren weltbekannt. Nach dem Zerfall der Sowjetunion wurden für das Bildungssystem in Kasachstan, wie auch in anderen postsowjetischen Ländern, nur noch geringe staatliche finanziellen Mitteln sehr stark begrenzt zur Verfügung gestellt. Das Verhältnis zur Bildung hat sich auch rasant geändert – die Hochschulen wurden als Dienstleister angesehen, für deren Dienstleistungen man jetzt eben bezahlen sollte.
Das Hochschulsystem unterscheidet sich strukturell kaum von europäischen Systemen. Im März 2010 ist Kasachstan dem Bologna-Prozess beigetreten wodurch die kasachischen Hochschulabschlüsse auch in Europa anerkannt werden. Um Zugang zu den Hochschulen zu bekommen, wird in der Regel ein 11-jähriger Schulabschluss, eine berufliche Ausbildung oder ein Collegeabschluss benötigt. Als Zugangsberechtigung muss man die Abschlussprüfung ENT (der einheitliche Nationaltest, vergleichbar mit dem Abitur in Deutschland) bestehen. Die Prüfung besteht aus fünf Fächern, vier davon sind Pflicht: Mathe, Russische Sprache, Geschichte Kasachstans, kasachische Sprache und ein Profil-orientiertes Fach (bzw. das Fach, das dem ausgewählten Studiengang entspricht – für technische Studiengänge muss man beispielsweise Physik bestehen). Die vierstündige Abschlussprüfung wird an einem Tag abgelegt. Eine bestimmte Anzahl von erreichten Punkten entscheidet zudem über ein mögliches kostenloses Studium.
Wettbewerb um kostenlose Studienplätze
Jedes Jahr werden in Kasachstan mehr als 30.000 kostenlose Studienplätze (Grant) ausgeschrieben. Ein solcher Grant ist ein Traum für jeden Studenten, denn die Studiengebühren sind sehr hoch. Aber es ist nicht so leicht einen zu bekommen. Bei jedem Studiengang gibt es unterschiedliche Hürden für die kostenlosen Studienplätze. Die Studienbewerber müssen an Wettbewerben mit Anderen teilnehmen, wofür mindestens 70 von 125 möglichen Punkten in einer Abschlussprüfung erreicht werden müssen. Wer mehr als 70 Punkte bekommt, hat folglich eine Chance auf einen kostenlosen Studienplatz.
Einfluss auf diese Punktzahl hat auch die Beliebtheit eines Studiengangs. Die oft gefragten technischen Studiengänge verlangen durchschnittlich 85 Punkte für einen kostenlosen Studienplatz. Die unter Abiturienten beliebtesten Studienfächer Betriebswirtschaftslehre, Informatik, Internationale Beziehungen, Übersetzen und Dolmetschen, erfordern hingegen 90 Punkte.
Weit mehr Studienanfänger als kostenfreie Studienplätze
Die kostenlosen Studienplätze werden aus dem Staatshaushalt finanziert. Ihre Anzahl Plätze wird jedes Jahr vom Bildungsministerium neu bestimmt und ist von der Lage des Arbeitsmarktes abhängig. Laut der internationalen Informationsagentur „Kazinform“ wurden im Jahr 2014/15 34.115 kostenlose Studienplätze in der ganzen Republik verteilt.am Bedarf orientiert.
Die Studiengebühren variieren ebenfalls von Jahr zu Jahr. Der Präsident der Vereinigung der Universitäten Kasachstans, Rahman Alschanov, sagte in seinem Interview für die kasachische Nachrichtenplattform „tengrinews.kz“, dass die Zahl der jährlichen Studiengebühren durchschnittlich 380.000-400.000 Tenge (ca. 1.917-2.020 Euro) beträgt. „Das Bildungsministerium bestimmt die Höhe der Studiengebühren anhand der Ausgaben zur Ausbildung einer Fachkraft. Aber die Universitäten haben das Recht die Preise für die stark nachgefragten Studiengänge selbst zu bestimmen“, sagte der Präsident.
Die hohen Preise für das Studium und die großen Hürden der schulischen Abschlussprüfung führen dazu, dass die Studienanfänger gezwungen sind, das Studium selber zu bezahlen oder Studiengänge auszuwählen, bei denen die Hürden für einen kostenlosen Studienplatz nicht so hoch sind. Meistens jedoch führen solche Studiengänge weit weg von den eigentlichen Traumberufen.
Man hört immer mehr, dass die Abiturienten einen Hochschulabschluss machen, damit sie auf dem Arbeitsmarkt größere Chancen haben. Das Interesse am Fach spielt dabei aber eine eher untergeordnete Rolle. So bevorzugen viele Abiturienten die Studiengänge, die eine bessere Aussicht auf einen kostenlosen Studienplatz bieten. Wofür sollte man auch so viel Geld ausgeben, wenn der Abschluss nur pro forma ist?! Die Abiturienten werden also vor die Wahl gestellt, viel Geld für das Studium auszugeben, was aber keine Garantie für eine qualifikationsentsprechende Erwerbstätigkeit in der Zukunft darstellt, oder zu versuchen, einen kostenlosen Studienplatz zu erhalten, was allerdings nicht immer mit dem eigentlichen Berufswunsch einhergeht.
Zarina Zinnatova
Redaktion: Martin Stein
Bhouri, 2022-03-13
Hallo Frau Zinnatova,
ist das Medizinstudium in Almaty fuer eine deutsche Studentin interessant ?
MfG
Haikel Bhouri
Reply