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Wie können die Bestände der Saiga in Usbekistan vor dem Aussterben bewahrt werden?

Artensterben ist ein großes Problem in Zentralasien. Die Gründe reichen von den Auswirkungen des Klimawandels bis hin zu Einschnitten ihrer Siedlungsgebiete durch den Menschen. In Usbekistan droht so etwa die Saiga-Antilope auszusterben. Doch Tierschützer bemühen sich, die Art zu retten.

Die Saiga finden in Usbekistan einen ihrer wenigen Lebensräume und sind bedroht, Photo: Wikimedia Commons.

Artensterben ist ein großes Problem in Zentralasien. Die Gründe reichen von den Auswirkungen des Klimawandels bis hin zu Einschnitten ihrer Siedlungsgebiete durch den Menschen. In Usbekistan droht so etwa die Saiga-Antilope auszusterben. Doch Tierschützer bemühen sich, die Art zu retten.

Die Saiga ist ein paarhufiges Säugetier aus der Unterfamilie der Gazellenartigen, deren Zahl in den vergangenen Jahren stetig abnimmt. In Usbekistan drohen sie wegen des Klimawandels und anthropogener Einflüsse auf ihre Siedlungs- und Migrationsgebiete auszusterben.

Genauer gesagt: Die schrumpfenden Herden haben mit Bedrohungen wie dem Verlust ihres Lebensraumes, Mangel an Nahrung aufgrund menschlicher Einwirkung, Verschmutzung und Austrocknung ihrer Wasserquellen und Hindernisse auf ihren Migrationsrouten zu kämpfen.

Die Zahl der Saiga in Usbekistan

Auf der ganzen Welt gibt es noch fünf Saiga-Populationen. In Usbekistan konzentriert sich der kleinste Saiga-Bestand, der hauptsächlich in Grenznähe zu Kasachstan lebt. In Kasachstan lebt auch der größte Saiga-Bestand. Daneben sind die Saiga auch in Russland, der Mongolei, in ehemals chinesischen Gebieten und in Turkmenistan beheimatet.

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In Usbekistan stehen die Saiga auf der Roten Liste gefährdeter Arten und stehen kurz vor dem Aussterben, doch ihrem Schutz wird hier besondere Aufmerksamkeit geschenkt. Elena Bykova ist Leiterin der Internationen Allianz zur Erhaltung der Saiga in Usbekistan. Laut ihr gibt es derzeit ungefähr 600 Exemplare der Tierart in Usbekistan.

„Experten schätzen die Zahl der nord-ustjurter (der karakalpakistane Teil des Ustjurt- Plateaus) Gruppe auf 200 bis 400 Individuen“, sagt Bykova. „100 sind dort heimisch; 100 bis 300 gehören zu einer migrierenden Gruppe, deren Zahl sich im Laufe des Jahres verändert. Es gibt außerdem noch eine Gruppe in Aralkum (der durch die Austrocknung des Aralsees entstandenen Wüste, Amn. des Übersetzers), die wir auf etwa 200 Exemplare schätzen.“

Die genaue Zahl zu bestimmen ist laut Bykova allerdings schwer. Schon zu Sowjetzeiten maß man ihre Anzahl mithilfe von Beobachtungsflügen in kleinen Antonov-Maschinen. Heute sind die Flugzeuge moderner und die Forscher:innen wenden eine speziell herausgearbeitete Methodik an: Eine bestimmte Route wird jährlich abgeflogen, wobei die großen Saiga-Herden aus der Luft erfasst werden.

Bykova erklärt: „Die Erhebungen werden jedes Jahr Ende April, Anfang Mai durchgeführt und erfassen alle Saiga-Populationen. In Usbekistan, wo die Population klein ist, nutzen wir die Daten aus diesen Erhebungen aus der Luft, um die allgemeinen Trends zu verstehen. So können wir feststellen, wie sich die Zahl der Saiga-Bestände verändert hat, wie viele zum Beispiel nach Kasachstan migriert sind.“

Grenzzäune gefährden die Wanderrouten der Tiere

Aber warum gehen die Saiga-Bestände zurück? Dafür gibt es mehrere Erklärungen. So behindern die in den 90er Jahren in Zentralasien gezogenen harten Grenzen die Wanderbewegungen der Tiere. Immer häufiger sind diese mit Grenzzäunen gesichert, die wandernde Tierarten nicht überwinden können.

Saiga sind dabei eine der am stärksten betroffenen Arten, da sie zu den Arten gehören, die traditionellerweise besonders weite Strecken zurücklegen. „Früher, als die Saiga-Population eine optimale Größe hatte – das war etwa in den 80er und 90er Jahre des vergangenen Jahrhunderts -, migrierten sie aus Kasachstan über Karakalpakistan, durchquerten Usbekistan bis zum Sarakamysh See und kehrten dann auf dem Territorium Turkmenistans ein, wo sie überwinterten“, erklärt Bykova. „Heute beobachten wir diese großen Wanderungen nicht mehr.“

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Das bedeutendste Hindernis für die Tiere ist die Eisenbahnstrecke Shalkar – Beyneu zusammen mit Drahtzäunen an der Grenze zwischen Usbekistan und Kasachstan. Spezialisten aus Kasachstan haben dort Videofallen aufgestellt, die die Saiga beim Überqueren der Grenze filmen. Allerdings sei ihre Zahl sehr gering, sagt sie.

Das Horn der Saiga ist ein Grund ihrer Ausrottung

Eine weitere Bedrohung für die Saiga-Bestände ist die Wilderei. Die großflächige Abnahme aller Population auf dem gesamten Verbreitungsgebiet, hängt vor allem mit der Ausrottung der Männchen zusammen. Die Saiga-Männchen wurden aufgrund ihrer Hörner gejagt, da diese unter anderem in der traditionellen chinesischen Medizin benutzt werden.

Als ganze Hörner, Hornspäne oder fertige Präparate werden sie nach ganz Asien exportiert. In Singapur zum Beispiel ist das Getränk „Cooling Water“ beliebt, dem eine immunstärkende Wirkung nachgesagt wird. Dieses Produkt sei sehr gefragt, sagt Elena Bykova, und der Preis des Horns steige auf dem Weg durch die illegale Warenkette von 100 bis 200 Dollar auf 2.000 bis 5.000 Dollar pro Kilogramm.

Ebenso kommt es vor, dass die Saiga-Hörner oder Produkte daraus nach Usbekistan importiert werden. Es gab Fälle, in denen Hörner aus Kasachstan nach Usbekistan gebracht wurden, um in Taschkent verkauft zu werden. Möglicherweise wurden sie dort zur Herstellung von Ziermessern verwendet. Zwar erfolgt der Import laut Bykova in einem weitaus kleineren Maßstab, erfordert aber durch das drohende Aussterben der Saiga besondere Aufmerksamkeit.

Die Saiga-Jagd ist aufgrund strenger Gesetze und Sicherheitsvorkehrungen selten geworden. In Usbekistan ist die Zahl solcher Fälle aufgrund des verbesserten Schutzes und der kleinen Populationen minimal. Auf dem Schwarzmarkt werden jedoch immer noch Souvenirs aus Saiga-Horn angeboten. Auf den Basaren in Taschkent, Buchara und Samarkand werden beispielsweise Messer mit Griffen aus den Hörnern von Wildtieren, einschließlich Saigas, angeboten.

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Und während Tierschützer beispielsweise Nashörner absichtlich einfangen und ihnen die Hörner absägen, um sie vor Wilderern zu schützen, würde diese Methode bei Saigas nicht funktionieren. Anders als bei Nashörnern sind die Hörner der Saiga Teil des Schädels und können nicht einfach abgesägt werden, ohne das Tier zu verletzen. Wenn die Hörner abgetrennt werden, stirbt die Saiga an Schmerzschock und Blutverlust. Außerdem seien Saigas sehr nervöse Tiere mit einem schwachen Herzen, und sie können am Stress des Einfangens sterben, erklärt Bykova.

Die Wilderer jagen die Saiga allerdings nicht nur wegen ihrer Hörner, sagt Bykova: „Irgendwann fingen sie an, auch die Weibchen und Jungtiere zu töten. Das war etwa während der Perestrojka-Zeit. Es herrschte eine komplette Gesetzlosigkeit, kontrolliert wurde kaum. Die Resultate waren schrecklich: Die Population der Saiga sank damals um 95 Prozent.“

Dabei spielte das Fleisch der Tiere eine große Rolle – vor allem für die einheimische Bevölkerung Usbekistans. Als die Population noch groß war, wurde das Fleisch wenig geschätzt. Die Kadaver sind nämlich schwer und mühsam zu transportieren.

Als die Saiga-Bestände jedoch zurückgingen, wurde das Fleisch immer begehrter, vor allem in den Dörfern der Umgebung. Es ist günstiger als Rindfleisch und war besonders zu Sowjetzeiten gefragt. In der postsowjetischen Ära wurde Saiga-Fleisch auf den lokalen Märkten meist zu einem niedrigeren Preis als Hammel- oder Rindfleisch verkauft.

Die Situation der Saiga-Bestände verbessert sich, aber es gibt immer noch Probleme

Es gibt allerdings Grund zur Hoffnung. Die Aufnahme der Saiga auf die Rote Liste der bedrohten Tierarten in Usbekistan und anderen Ländern zeigt langsam ihre Wirkung. Die Saiga-Populationen erholen sich in allen Verbreitungsgebieten. Die staatlichen Kontrollen funktionieren dort mittlerweile deutlich besser und in den Dörfern nahe der Saiga-Siedlungsgebiete herrscht ein stärkeres Bewusstsein dafür, die Saiga vor dem Aussterben zu bewahren.

Darüber hinaus wurde ein spezielles komplexes Landschaftsschutzgebiet geschaffen: das Saiga-Reservat in Karakalpakistan. Sein Hauptzweck ist der Schutz der Brutgebiete der Saigas und ihrer Wanderrouten. Außerdem wurde fast das gesamte Saiga-Gebiet in Usbekistan im Jahr 2023 in die UNESCO-Liste des Naturerbes aufgenommen.

Trotzdem muss noch viel gemacht werden. Bykova sagt, dass die Verbote und Gesetze trotz eines guten rechtlichen Rahmens in der Praxis nicht immer gut funktionieren. Die Inspektoren, die die Einhaltung der Gesetze zum Schutz der Saiga durchsetzen sollen, fehlt es oft an Personal und sie haben häufig mit logistischen Problemen zu kämpfen. „In der Praxis stehen wir vor objektiven Problemen wie dem Mangel an finanziellen Mitteln. Der Staat hat möglicherweise nicht genug Geld, um Naturschutzprogramme wirksam umzusetzen“, sagt Bykova.

„Das Saigachy Reservat zum Beispiel umfasst etwa eine Million Hektar, allerdings gebe es dort nur elf Inspektoren.“ Dass ein so kleines Team ein so großes Gebiet wirksam schützen könne, so Bykova, sei unrealistisch. „In den neueren Naturschutzgebieten ist die Situation etwas besser, da es dort mehr Inspektoren gibt. Der 2022 gegründete Nationalpark Aralkum beispielsweise hat 40 Inspektoren, aber nur zwei Fahrzeuge, von denen eines alt ist und oft kaputt geht.“

Grenzüberschreitende Schutzgebiete sind notwendig

Theoretisch sind in Usbekistan alle Voraussetzungen gegeben, um die Saiga-Populationen zu beheimaten und die Wilderei zu verhindern. Zumindest auf der rechtlichen Seite steht der Errichtung von Schutzgebieten nichts im Weg.

„Das erste grenzüberschreitende Gebiet, in dem Saigas wieder angesiedelt werden müssen, soll in Süd-Ustjurt liegen. Es gibt auch Pläne, ein grenzüberschreitendes Gebiet zum Schutz der Saigas im Aralseegebiet einzurichten“, sagte die Tierschützerin. „Das ist vorerst nur eine Idee. Um sie umzusetzen, müssen wir einen Dialog mit Kasachstan führen, um herauszufinden, inwieweit das Land bereit ist, diese Initiative zu unterstützen.“

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Darüber hinaus gibt es Pläne, auch gemeinsam mit Tadschikistan weitere solche Schutzgebiete einzurichten. Eines davon ist beispielsweise im Gebiet Samarkand im Tal des Flusses Zerafshan vorgesehen, wo auch der Buchara-Hirsch lebt.

Schutzgebiete sind laut Bykova der beste Weg, um natürliche Ökosysteme in ihrem intakten Zustand und ihrer ursprünglichen Komplexität zu erhalten. „Solche Schutzgebiete sind unser ‚grüner Gürtel‘. Es gibt nicht viele davon, und es sollten viel mehr sein. Der Klimawandel verstärkt den Bedarf an solchen Gebieten. Wenn natürliche Gebiete mehr Raum einnehmen würden, würden wir die negativen Auswirkungen der Erwärmung und der Umweltverschmutzung nicht so stark spüren. Natürliche Ökosysteme können dank der Pflanzen die Staubentwicklung und die Ausbreitung von Schadstoffen verringern und so einen günstigen Lebensraum für Tiere und Menschen schaffen“, sagt die Tierschützerin.

„Wenn wir wirklich wollen, dass der Naturschutz funktioniert, müssen wir in ihn investieren und ihm Priorität einräumen, anstatt nur seine Bedeutung zu verkünden. Leider hat der Naturschutz im Gegensatz zu Fragen der menschlichen Entwicklung nicht immer echte Priorität“, sagt Elena Bykova.

Diyora Kosimova und Elina Beknazarova für Cabar

Aus dem Russischen von Heinrich Jakunin

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