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Werden die Nationalparks Kasachstans die anthropogene Belastung verkraften können?

Covid hat die Einstellung zum Reisen innerhalb Kasachstans verändert. Als Reisen ins Ausland wegen Quarantäne verunmöglicht wurden, entdeckten die Kasachstaner:innen touristische Ziele im eigenen Land. Viele touristische Orte in Kasachstan erlebten einen noch nie dagewesenen Zustrom von Besucher:innen. Doch der Tourismus zeigte auch eine andere, unschöne Seite: Müll, Vandalismus und Brände.

Der Şaryn-Canyon im gleichnamigen Nationalpark leidet unter den Touristenströmen
Der Şaryn-Canyon im gleichnamigen Nationalpark leidet unter den Touristenströmen

Covid hat die Einstellung zum Reisen innerhalb Kasachstans verändert. Als Reisen ins Ausland wegen Quarantäne verunmöglicht wurden, entdeckten die Kasachstaner:innen touristische Ziele im eigenen Land. Viele touristische Orte in Kasachstan erlebten einen noch nie dagewesenen Zustrom von Besucher:innen. Doch der Tourismus zeigte auch eine andere, unschöne Seite: Müll, Vandalismus und Brände.

In Kasachstan gibt es 14 Nationalparke, zehn Naturschutzgebiete und sieben Reservate. Besonders die Nationalparks sind beliebt: Im Jahr 2023 besuchten nach Angaben des staatlichen Unternehmens Kazakh Tourism mehr als 2,4 Millionen Menschen die staatlichen Nationalparke. In den letzten fünf Jahren wurde ein deutlicher Anstieg von Tourist:innen beobachtet, dies am stärksten in den Nationalparks [MH1] Ile-Alatauy (775‘264 Personen im Jahr 2023), Kölsaı-Seen (244‘733), Baianauyl (159‘127), Şaryn (131‘264) und Saıram-Ögem (119‘614).

Auch nach der Pandemie nahm der Inlandstourismus weiter zu. Dazu kamen die Ströme der Tourist:innen aus dem Ausland, da mit einigen Staaten visafreie Regelungen eingeführt wurden. Nach Angaben des Ministeriums für Tourismus und Sport hat sich die Zahl der Besucher:innen aus China im Jahr 2023 im Vergleich zu 2022 verzwölffacht und deren aus Indien verdreifacht.

Vorsicht vor Tourist:innen!

Umweltschützer:innen stellen fest, dass die Nationalparke in den letzten Jahren eine enorme Umweltbelastung erfahren haben: „Vielerorts wird die anthropogene Belastung deutlich überschritten. Im Şaryn-Nationalpark beispielsweise ist die Vegetation zu 70-75 Prozent zerstört. Hier wird eine Autobahn entlang der Talsohle verlegt. Selbst das Fotografieren der schönen Landschaft der Schlucht ist jetzt fast unmöglich. Überall gibt es Plakate, Bänke, Mülltonnen und Gebäude”, sagt Sergei Kuratov, Vorsitzender der ökologischen Gesellschaft “Zeljonoe spasenie“ (dt. „Grüne Rettung“).

Erschwerend kommt hinzu, dass nicht alle Urlauber:innen wissen, wie man sich beim Besuch von Schutzgebieten zu verhalten hat. Kürzlich kündigte man für den Burabaı-Nationalpark an, die Felsen von den Inschriften der Urlauber:innen zu reinigen. Der Nationalpark musste ein spezielles Gerät anschaffen, mit dem die Felsen durch ein Trockenstrahl-Vakuumverfahren gereinigt werden können und das die Umwelt nicht belastet. Diese Arbeiten werden mehrere Jahre in Anspruch nehmen, da fast alle Felsen an den Ufern der Seen in Burabaı beschriftet sind.

Ein weiteres, immer wiederkehrendes Problem im Zusammenhang mit dem Tourismus in Naturparks ist der Abfall. Trotz der Tatsache, dass ein Teil der am Eingang der Nationalparke erhobenen Umweltgebühr in die Abwasserentsorgung und Landschaftspflege fließt, ist das Problem des Mülls nach wie vor akut.

Kuratov meint dazu: „Unsere Organisation hat wiederholt auf die Notwendigkeit hingewiesen, die Verwendung von Einwegplastik in Schutzgebieten zu verbieten. Dies hat bisher zu keinen Ergebnissen geführt.”

Mensch gegen Natur

„Die Artenvielfalt nimmt ab”, ergänzt Svetlana Spatar, Projektleiterin der ökologischen Gesellschaft „Zeljonoe spasenie“ und zertifizierte Reiseleiterin. „Auf beliebten Routen wird die Vegetationsdecke zertrampelt, die Bodenbeschaffenheit verschlechtert sich. Die Brandgefahr steigt durch die von Tourist:innen entzündeten Lagerfeuer. Die Lärmbelastung nimmt zu, was ein Störfaktor für Tiere ist. Auch der Auto- und Motorradtourismus wirkt sich negativ auf die Ökosysteme der Schutzgebiete aus.” Laut Spatar hängt der Rückgang der Artenvielfalt auch mit dem Bau und der Entwicklung der touristischen Infrastruktur zusammen – neue Straßen, Parkplätze, Hotels, Restaurants, Strom- und Rohrleitungen.

In der Region Almaty gewinnen die Nationalparks auch aus einem anderen Grund an Bedeutung, wie Spatar erklärt: „Sie sind die wichtigsten und zuverlässigsten ‚Lieferanten‘ von hochwertigem Wasser und sauberer Luft für Millionen von Menschen.”

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Das Ministerium für Ökologie und natürliche Ressourcen der Republik Kasachstan bestätigte, dass in den letzten Jahren die Zahlen der Besucher:innen in den Nationalparks in der Nähe von Megastädten stark angestiegen sind und die festgelegten Normen für die Erholungsnutzung überschritten haben.

„In dieser Hinsicht wird derzeit das System zur Regulierung des Stroms von Tourist:innen- und Besucher:innen in den staatlichen Nationalparks umgesetzt, wobei die Erholungskapazität der Naturgebiete berücksichtigt wird, touristische Routen und Wege entwickelt werden, die Sicherheit der Tourist:innen gewährleistet wird, eine geeignete Infrastruktur für Tourismus- und Freizeitaktivitäten geschaffen wird und Arbeiten zur Verbesserung der ästhetischen Qualität der touristischen Routen und Wege durchgeführt werden”, berichtet das Umweltministerium.  

Sauberer Tourismus

2022 wurde das Gesetzbuch für Ordnungswidrigkeiten um einen neuen Artikel ergänzt, der Fälle von Verstößen gegen die Schutzgebietsregelung abdeckt. Auch die Bußgelder für die Begehung einschlägiger Ordnungswidrigkeiten wurden erhöht. So wurde beispielsweise das Bußgeld für Verstöße gegen das Aufenthaltsverbot in bestimmten Arten von Schutzgebieten auf 18‘460 Tenge erhöht (umgerechnet 41 US-Dollar).

„Alle staatlichen Nationalparke führen regelmäßig Kontrollen durch, um Ordnungswidrigkeiten in Bezug auf die Einhaltung der Hygienevorschriften in Schutzgebieten festzustellen. Darüber hinaus hat Jasyl Damu (staatliche Organisation, die für die Umsetzung des Prinzips der erweiterten Pflichten der Produzent:innen verantwortlich ist, Anm. d. Red.) in diesem Jahr ein Pilotprogramm gestartet, um die Sammlung, Sortierung und Beseitigung von Abfällen in den staatlichen Nationalparks Kölsaı und Şaryn sicherzustellen”, berichtet das Umweltministerium.

Das Ziel des Pilotprogramms ist es, positive Verhaltensmusters gegenüber der Umwelt durch die Umsetzung und Förderung des Konzepts „Sauberer Tourismus” zu schaffen. Es geht darum, ein Gleichgewicht zwischen der Beherbergung einer großen Anzahl von Tourist:innen und der Erhaltung einzigartiger Naturkomplexe herzustellen. Ist das Pilotprojekt erfolgreich, soll diese Erfahrung auf andere staatliche Nationalparke ausgeweitet werden.  

Belastung reduzieren

Das nationale Unternehmen Kazakh Tourism berichtet, dass der Übergang zum Umweltmanagement und zur aktiven Anwendung grüner Technologien in den kasachstanischen Nationalparks 2019 mit der Einführung des Konzepts des Ökotourismus begann. Ökotourismus bedeutet minimale negative Auswirkungen auf die natürliche und soziokulturelle Umwelt und zielt darauf ab, die Umwelt zu erhalten und zu pflegen.  

Nach Angaben des Ministeriums für Ökologie wurden in Ile-Alatauy, Altynyemel und Şaryn Projekte zur Entwicklung des Ökotourismus durchgeführt. Hier wurden Zentren für Besucher:innen gebaut, Glampingplätze eingerichtet und touristische Routen angelegt. Im Jahr 2024 soll der Bau eines Zentrums für Besucher:innen in der Schlucht Butakova bei Almaty abgeschlossen sein.  

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Kazakh Tourism fügt hinzu, dass die amerikanischen Erfahrungen mit dem ökologischen Management von Nationalparks bei allen Projekten, die auf dem Gebiet der staatlichen Nationalparke durchgeführt werden, zum Tragen kommen. Derzeit gibt es im Land mehr als 40 Glampingplätze und 16 Zentren für Besucher:innen, von denen sieben in Nationalparks liegen. In den Zentren für Besucher:innen erhielten die Tourist:innen etwa Informationen über Öko-Wanderwege.    

Kazakh Tourism stellt außerdem fest, dass die Grundsätze der Umweltfreundlichkeit beim Bau von Öko-Hotels in den Regionen Katonqarağaı, Almaty und Aqmola intensiviert und etwa in den Nationalparks Şaryn und Altynemel Solaranlagen installiert wurden. Zu den weiteren Infrastruktureinrichtungen gehören Öko-Busse, die auf der touristischen Route von Şymbūlaq (einem Bergort in der Nähe von Almaty) eingesetzt werden. Expert:innen haben jedoch Zweifel an der Wirksamkeit dieser Maßnahmen.    

Drei Probleme in Schutzgebieten

Sergei Kuratov wies auf die Hauptprobleme in den Schutzgebieten hin: „Erstens entspricht die Gesetzgebung über Schutzgebiete nicht den Normen der internationalen Konventionen, die Kasachstan ratifiziert hat. Unsere Gesetzgebung steht sogar im Widerspruch zu den Anforderungen des Übereinkommens zum Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt. Dies führt zu ernsthaften Problemen bei der Verwaltung der kasachstanischen Schutzgebiete, die auf der UNESCO-Liste des Welterbes stehen.”

Der zweite Punkt ist, dass selbst die bestehenden Gesetze nur unzureichend durchgesetzt würden. „Außerdem werden gegen Gesetze hauptsächlich von staatlichen Stellen verstoßen”, meint Kuratov. „So entschied der Oberste Gerichtshof am 31. Mai 2023 über die Klage unserer Organisation gegen das Akimat Almaty(Büro des Bürgermeisters, Anm. d. Red.). Die Klage wurde eingereicht, weil das Akimat 17 Jahre lang keine Schutzzone entlang der Grenze des Ile-Alatauy-Nationalparks zur Stadt Almaty eingerichtet hatte. Der Oberste Gerichtshof verpflichtete das Akimat, eine Schutzzone einzurichten”. Ein Jahr später sei die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs noch nicht umgesetzt worden.

„Drittens wird das Regime der Schutzgebiete sehr schlecht eingehalten”, schließt Kuratov. „Das zeigt sich daran, dass der Regionalpark Medeu und der Nationalpark Ile-Alatauy weiter ausgebaut werden. Die Entwicklung führt dazu, dass an einigen Stellen der Zugang zu Flüssen und Wanderwegen versperrt ist, was den Zugang der Tourist:innen zu natürlichen Objekten einschränkt”.

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Darüber hinaus sind in Nationalparks zahlreiche Ruinen entstanden. Einige von ihnen sind verlassene Strukturen aus der Sowjetzeit, aber es gibt auch viele, die erst vor relativ kurzer Zeit entstanden sind. „Die Versuche unserer Organisation, den Abriss der Ruinen, die das Leben der Besucher:innen der Nationalparks bedrohen, durchzusetzen, haben bisher zu keinen nennenswerten Ergebnissen geführt”, beklagt Kuratov.

In der Schlucht Aqsai im Ile-Alatauy-Nationalpark wurden mehr als 12‘000 Bäume auf dem entlang des Flusses abgetragenen Gebiet unter dem Vorwand gefällt, dass eine Wasserleitung gebaut werden müsse. „Aussagen, dass die Verwaltung von Schutzgebieten nach amerikanischem Vorbild erfolgt, entsprechen, gelinde gesagt, nicht der Realität. Unsere Organisation hat wiederholt die Frage der Schaffung eines Instituts für Förster:innen in den staatlichen Nationalparks aufgeworfen, um die amerikanischen Erfahrungen zu nutzen”, meint Kuratov. Ihm zufolge wird dies seit 15-20 Jahren diskutiert, aber bisher hat sich nichts geändert.

„Wir glauben, dass die Maßnahmen zur Verringerung des anthropogenen Drucks auf die Schutzgebiete, die jetzt von den staatlichen Behörden durchgeführt werden, eindeutig unzureichend sind”, fasst der Experte zusammen.

Marina Hegai für Cabar

Aus dem Russischen von Irina Radu


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