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Turkmenistan „inventarisiert“ SchülerInnen nach Nationalitäten

In Turkmenistan wurde damit begonnen, die Nationalität von SchülerInnen zu erfassen. Schon zuvor war es zu Skandalen um die russischsprachigen Klassen an Turkmenistans Schulen gekommen. Handelt es sich um einen Kampf gegen Schmiergeldzahlungen oder um eine „Sprachsäuberung“ in Bildungseinrichtungen? Der folgende Artikel erschien am 2. September auf dem unabhängigen turkmenischen Nachrichtenportal Turkmen.news. Wir übersetzen ihn mit freundlicher Genehmigung der Redaktion.

Proteste vor der Schule Nr. 64 in Aschgabat, deren russischsprachiger Zweig geschlossen wurde

In Turkmenistan wurde damit begonnen, die Nationalität von SchülerInnen zu erfassen. Schon zuvor war es zu Skandalen um die russischsprachigen Klassen an Turkmenistans Schulen gekommen. Handelt es sich um einen Kampf gegen Schmiergeldzahlungen oder um eine „Sprachsäuberung“ in Bildungseinrichtungen? Der folgende Artikel erschien am 2. September auf dem unabhängigen turkmenischen Nachrichtenportal Turkmen.news. Wir übersetzen ihn mit freundlicher Genehmigung der Redaktion.

Möglicherweise war die Schließung der russischsprachigen Abteilung der Schule Nr. 64 in Aschgabat nur der erste Schritt einer „Sprachsäuberung“ in Bildungseinrichtungen. Wie Turkmen.news erfahren hat, haben in Turkmenistans Hauptstadt Beamte in letzter Zeit damit begonnen, in den Schulen die Nationalität und die Meldeadresse von SchülerInnen zu erfragen. Es ist nicht ausgeschlossen, dass in naher Zukunft ethnische TurkmenInnen, die ihre Bildung auf Russisch erhalten haben, Probleme bekommen könnten.

Gute Schule nur gegen Schmiergeld

Derzeit versuchen nicht nur ethnische RussInnen in die „russischen“ Klassen zu kommen, sondern auch TurkmenInnen, die dadurch hoffen, ihre Chancen auf ein Studium in einem GUS-Land zu erhöhen. Daher sind die russischsprachigen Zweige überlaufen und man muss ein hohes Schmiergeld bezahlen, um dort aufgenommen zu werden. Möglicherweise haben die Behörden beschlossen, diese Praxis zu beenden.

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Außerdem berichtet eine Quelle aus Türkmenabat, dass die Schulen beauftragt wurden zu klären, ob es in den Klassen Kinder gibt, deren Eltern bei den Sicherheitsbehörden arbeiten. Die Angaben darüber sollen den Schulbehörden zur Verfügung gestellt werden. Es wird angenommen, dass insbesondere Kinder von Ordnungskräften aufgrund von Schmiergeldern an besseren Schulen angenommen werden.

Aus anderen Quellen wurde bekannt, dass die Höhere Kontrollkammer derzeit die Schulen in Türkmenabat überprüft. So besuchten die PrüferInnen am 2. September Schule Nr. 39, die als prestigeträchtig gilt und sich im selben Gebäude wie das Bildungsministerium befindet. Die PrüferInnen untersuchten, wie SchülerInnen an die Schule gekommen sind, ob Verwandtschaft mit dem Personal der Bildungseinrichtung besteht und ob die Eltern bei den Strafverfolgungsbehörden arbeiten.

Kampf gegen Korruption oder gegen „russische“ Klassen im Allgemeinen?

Bereits im August war bekannt geworden, dass Eltern von Kindern aus den Regionen, die aber in Aschgabat zur Schule gehen, gezwungen werden, sich beim Migrationsdienst anzumelden. Mit anderen Worten: Die Türen der hauptstädtischen Schulen wurden für jene Kinder geschlossen, deren Eltern nur inoffiziell in Aschgabat arbeiten. Darüber hinaus gab es einen Skandal an Schule Nr. 64, wo wenige Tage vor dem 1. September (Beginn des Schuljahres, Anm. d. Ü.) die russischsprachige Abteilung geschlossen wurde. 1600 SchülerInnen standen somit auf der Straße. Die Entscheidung wurde damit erklärt, dass es in einer überfüllten Schule unmöglich sei, die sanitären Maßnahmen einzuhalten, die auferlegt wurden, um einen Covid-19-Ausbruch zu verhindern. In der Folge mussten Eltern, die Bestechungsgelder für die Aufnahme ihrer Kinder in den renommierten „russischen“ Klassen bezahlt hatten, in den ersten Tagen des Schuljahres fieberhaft einen Platz für ihre Kinder an irgendeiner anderen Schule suchen.

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Am 31. August erteilte Präsident Gurbanguly Berdimuhamedow dem für Schulen zuständigen stellvertretenden Bildungsminister Merdan Gowşudow eine Rüge. Dies könnte der Auslöser dafür gewesen sein, den Kampf gegen die Bestechungsgelder für Plätze in russischsprachigen Klassen und in renommierten Schulen zu führen. Dennoch schließen die Quellen (von Turkmen.news, Anm. d. Ü.) nicht aus, dass letztendlich die Schließung der Klassen selbst beabsichtigt wird.

„Unter LehrerInnen und Eltern gibt es die Vermutung, dass russischsprachige Zweige dort abgeschafft werden, wo es nicht genug SchülerInnen nicht-turkmenischer Nationalität gibt. So werden auch die RussInnen als ethnische Minderheit betroffen sein“, erklärte eine Quelle gegenüber Turkmen.news.

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Am 30. August hat sich Turkmen.news mit der Bitte an die russische Botschaft in Aschgabat gewandt, die Schließung der russischsprachigen Abteilung der Schule Nr. 64 zu kommentieren. Uns [Turkmen.news, Anm. d. Ü.) wurde mitgeteilt, dass die schriftliche Anfrage an den für die Pressearbeit zuständigen Mitarbeiter weitergeleitet wurde und dass dieser uns anrufen werde. Bisher ist jedoch keine Antwort eingegangen.

[Nachtrag von Turkmen.news:] Chronika Turkmenistana berichtete am 3. September über die Festnahme des ehemaligen Direktors der Schule Nr. 64, Biaşim Gaitnazarow. Dieser war direkt nach dem Skandal um die russischsprachige Abteilung entlassen worden. Zuvor war bestätigt worden, dass Gaitnazarow selbst Schmiergelder für die Aufnahme in die „russischen“ Klassen annahm. Radio Azatlyk  berichtete am 2. September, dass Gaitnazarow schwer erkrankt sei und sich im Krankenhaus befinde.

Turkmen.news

Aus dem Russischen von Robin Roth

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