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Turkmenistan: Für Berdimuchammedow wählen oder wählen lassen?

Am 12. Februar findet in Turkmenistan die Präsidentschaftswahl statt. Der amtierende Präsident Gurbanguly Berdimuchammedow sollte ohne Überraschung im Amt bestätigt werden. Dabei sind erstmals mehrere Parteien bei der Wahl vertreten.

Statur Nijasow Aschgabat
Eine Statue von Saparmurat Nyyazow in Aschgabat

Am 12. Februar findet in Turkmenistan die Präsidentschaftswahl statt. Der amtierende Präsident Gurbanguly Berdimuchammedow sollte ohne Überraschung im Amt bestätigt werden. Dabei sind erstmals mehrere Parteien bei der Wahl vertreten.

In den Berichten über die vorentschiedene Präsidentschaftswahl, die den amtierenden Staatschef Gurbanguly Berdimuchammedow im Amt bestätigen sollte, ist selten davon die Rede, was Turkmenen dazu bewegt, wählen zu gehen. Die turkmenische Oppositionsseite Alternative Turkmenistan  News (ANT) hat 216 Wählerinnen und Wähler zu ihren Stimmabsichten befragt.

Laut dem Bericht bewegen einerseits Gesetze wie das Verbot jeder Art von Drogen manche Turkmenen dazu, für den amtierenden Präsidenten zu stimmen. Glaubt man dieser mit den Mitteln des im Ausland gelegenen Oppositionsnetzwerks realisierten Umfrage, erklären zudem die Angst, als Verräter abgestempelt zu werden und die Gewohnheit, Berdimuchammedow an der Staatsspitze zu wissen, die Unterstützung der Wähler.

Aber auch die, die nicht wählen gehen, geben ihre Stimme de facto dem aktuellen Präsidenten, wie manche Einwohner von Aschgabat im Gespräch mit ANT erklären: „Die Wahlorganisatoren werden ohnehin an der Stelle derer wählen, die sich der Stimme enthalten“, so ein Befragter. Neben der Allgegenwärtigkeit Berdimuchammedows im öffentlichen Raum ist vielen noch nicht einmal die Existenz weiterer Kandidaten bekannt.

Erstmals acht andere Kandidaten

Um an der turkmenischen Präsidentschaftswahl teilzunehmen muss man älter als 40 Jahre alt und turkmenischer Staatsbürger sein, Turkmenisch sprechen und die letzten 15 Jahre in Turkmenistan gearbeitet haben.

Seit der Unabhängigkeit des Landes hat es noch nie so viele Präsidentschaftsanwärter gegeben, wie dieses Jahr: Insgesamt neun Kandidaten wurden offiziell zugelassen. Außer Berdimuchammedow sind alle jedoch sehr diskret und scheinen nichts als einen Teil der mehrparteisch demokratischen Fassade der Wahl zu bilden.

Drei Kandidatengruppen

Man kann die Kandidaten in drei Gruppen aufteilen. Die erste Gruppe besteht aus regimenahen, etablierten Politikern. Dazu zählen Dschumanasar Annajew, Abgeordneter der Provinz Mary, Serdar Schelilow, Abteilungsleiter für Wirtschaft und Entwicklung der Provinz Ahal und Meretdurdy Gurbanow, Abgeodneter in der Lokalverwaltung von Daschogus.

Die zweite Gruppe umschließt Kandidaten aus der Wirtschaft, vor allem aus dem Öl- und Gassektor. Darunter sind Sulejmannepes Nurnepesow, Vorstandsvorsitzender von Garabobazsulfat, die Produktionsgesellschaft von Turkmenchemistry, Ramasan Durdyyjew, Direktor der Seidi Oil Raffinerie und Parlamentsabgeodneter und Maksat Annanepesow, Vizepräsident der staatlichen Lebensmittelfirma.

Die zwei letzten Kandidaten gehören nicht zur regierenden Elite. Bekmyrat Atalyjew vertritt die Partei der Industriellen und Unternehmer, die zweite im Turkmenistan erlaubte Partei und Durdygylysch Orasow die landwirtschaftliche Partei, ein Newcomer in der turkmenischen Politik. Es ist das erste Mal, dass Kandidaten der neuen Parteien an der Präsidentschaftswahl teilnehmen.  Die sieben anderen Kandidaten, einschließlich des Präsidenten, gehören alle der Demokratischen Partei an, die zwischen 1991 und 2012 die einzige erlaubte Partei in Turkmenistan war.

Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch betont, dass das Land noch nie freie und demokratische Wahlen organisiert hat und dass es trotz einem Anschein politischer Öffnung durch die zwei neuen Parteien kein Anzeichen gibt, dass es in diesem Jahr anders verlaufen sollte.

Gurbanguly Berdimuchammedow, ein „großzügiger“ Kandidat

Die Wahlkampagne des amtierenden Präsidenten Berdimuchammedow ist jedenfalls sehr aktiv. Wie RFE/RL berichtet, sendet das Staatsvernsehen ständig Wahlwerbung für ihn und die nationale Presse ist voller Artikel über den Staatschef.

Berdimuchammedow bedient sich eindeutig seines Amtes um seine Kampagne zu stützen. Es ist den Kandidaten verboten, Geschenke an die Wähler zu verteilen. Berdimuchammedow hat es trotzdem getan, aber als Präsident, wie die Wahlkommission auf eine Anfrage von RFE/RL hin erklärte. Wie Chronicles of Turkmenistan berichtet, hat der Staatschef „großzügig“ Geld, Bücher und Reisen an turkmenische Bürger verteilt. Zudem ist er bei einem kürzlichen Baustellenbesuch vor die Arbeiter auf eine Bühne getreten und hat ein Lied auf der Gitarre gespielt.

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Berdimuchammedow zeigt während der Kampagne ein ganz neues Bild von sich. Ansonsten ist er eher für seinen schroffen Umgang mit Beamten, die seiner Ansicht nach ihre Arbeit nicht richtig machen, bekannt. Laut dem Direktor des turkmenischen Dienstes von RFE/RL ist die Inszenierung der Großzügikeit des Präsidenten in allen offiziellen Medien als eine Ablenkung von der Wirtschaftskrise gedacht.

Vom Zahnarzt zum Präsidenten

Vor seiner Zeit als Präsident war Berdimuchammedow persönlicher Zahnarzt und schließlich Gesundheitsminister des 2006 verstorbenen ersten turkmenischen Präsidenten Saparmurat Nijasow. Seit 2007 regiert der heute 59-jährige Staatschef das Land als Autokrat, in Kontinuität zu seinem Vorgänger. Manche kleineren politischen und sozialen Neuerungen unterscheiden seine Politik jedoch von der Nijasows: Das Internet ist für die gesamte Bevolkerung erlaubt, wenn auch stark kontrolliert, und die Schulpflicht gilt statt ab 12 schon ab neun Jahren.

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Schließlich wurde auch die Gründung neuer Parteien neben der mehrheitlichen Demokratischen Partei Turkmenistans erlaubt. Dabei kontrolliert die Partei Berdimuchammedows weiterhin alle politischen Ebenen, wie Human Rights Watch bemerkt.

Gurbanguly Berdimuchammedow
Ein riesiges Foto des Präsidenten Gurbanguly Berdimuchammedow

Trotz einem leichten Bruch mit Nijasows Extravaganz wurde auch um Berdimuchammedow ein wahrer Personenkult aufgebaut, der allmählich den seines Vorgängers ersetzt hat. Der Präsident trägt den Titel des „Beschützers“ („Arkadag“ auf turkmenisch) der turkmenischen Nation und viele seiner Bücher sind an Stelle von Nijasows „Ruchnama“ Pflichlektüre in der Schule.

Im Jahr 2016 wurde eine Verfassungsreform verabschiedet, die die Einschränkungen für Präsidentschaftsanwärter lockert: Das Mandat wurde von fünf auf sieben Jahre verlängert und das Höchstalter von 70 Jahren wurde abgeschafft. So ist die Stellung des turkmenischen Staatschef gestärkt und er kann theoretisch nach seiner Wiederwahl beliebig lange im Amt bleiben.

Die Wahl hat schon begonnen

Bereits seit dem 2. Februar, also zehn Tage vor dem offiziellen Wahldatum, stehen die Wahlbüros täglich von 8 bis 18 Uhr offen. So sollen auch die wählen können, die am Wahltag nicht zum Wahllokal können, so die Wahlkommission.

Statue Berdimuchammedow
Eine goldene Statue von Berdimuchammedow in Aschgabat

Auch für die Auslandsturkmenen gelten andere Wahldaten, vor allem in Russland, wo die Wahllokale in den turkmenischen Konsulaten nur zwischen dem 2. und 8. Februar geöffnet sind. In allen Fällen schließen die Wahllokale im Ausland am 11. Februar, also einen Tag vor der offiziellen Wahlt in Turkmenistan, so Chronicles of Turkmenistan

Düstere Aussichten

Die Wahlkommission hat auch schon mehrere Informationsveranstaltungen für die Bürger organisiert. Laut ANT setzen sich die Mitglieder der Kommission dafür ein, dass die turkmenischen Bürger an der Wahl teilnehmen, indem sie ihnen Informationen zu den Wahllokalen, die Daten und die notwendigen Dokumente zur Wahl mitteilen.

Am Tag nach den Wahlen kommt dann die harte Realität. Dann muss Berdimuchammedow sich wieder mit der Abwertung der Währung, der Inflation, den Mangelwaren und den Protesten, wenn auch klein und vereinzelt, auseinandersetzen. Turkmenistans Wirtschaft ist stark von dem Erdgas abhängig, das immer weniger Einnahmen bringt.

Im September diesen Jahres finden in Aschgabat die 5. Asien Hallenspiele für Kampfsportarten statt. Bevor die Kameras der eingeladenen Medien auf das Land gerichtet sind, gilt es, die Probleme in den Griff zu bekommen.

Pablo Garcia
Französischer Vize-Chefredakteur von Novastan

Aus dem Französischen übersetzt von Florian Coppenrath

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