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Ost-Turkmenistan nach Unwettern stark verwüstet

Der östliche Teil Turkmenistans, insbesondere die Region Lebap, ist bei Unwettern stark verwüstet worden. Noch Anfang Mai war die Situation schwer einzuschätzen. Das Handeln der Regierung scheint inzwischen jedoch einen Großteil der Bevölkerung zu empören.

Reparaturarbeiten nach schweren Unwettern in der Region Lebap im Osten Turkmenistans

Der östliche Teil Turkmenistans, insbesondere die Region Lebap, ist bei Unwettern stark verwüstet worden. Noch Anfang Mai war die Situation schwer einzuschätzen. Das Handeln der Regierung scheint inzwischen jedoch einen Großteil der Bevölkerung zu empören.

Am 27. April wurde die Region Lebap von einem heftigen Sturm mit Böen von bis zu 140 km/h getroffen, so die russischsprachige Nachrichtenseite Fergana News. Mehrere Städte sind stark betroffen, darunter Kerki, Farab und Türkmenabat. Laut verschiedenen Quellen des unabhängigen Mediums Turkmen News scheinen mehrere Gebiete der Provinz Lebap vor einer humanitären Katastrophe zu stehen. Hunderte Familien mussten mitansehen, wie die Dächer ihrer Häuser abgerissen wurden. Die Zahl der Verletzten wird auf mehrere hundert Menschen geschätzt. Die Zahl der Todesopfer liegt bei etwa 20 oder sogar 30 Personen. Unter den Verunglückten scheinen auch Kinder zu sein.

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Auch die materiellen Schäden sind erheblich. Die Unwetter beschädigten die Weizenernte der gesamten Region. Fergana News erwartet in naher Zukunft Ernteausfälle. Das Onlinemedium berichtet zudem auch von Schäden an der Infrastruktur des Providers Turkmentelekom in der Stadt Türkmenabat. Mehrere Tage lang sei nur ein Notstromgenerator verfügbar gewesen, dessen Kapazität keine vollständige Versorgung der Kommunikationsnetze ermöglicht habe. Turkmen News berichtet, dass auch die Wasser-, Gas- und Stromnetze der Region betroffen seien. Das Gebiet in und um Türkmenabat konnte zunächst nur über kurze Zeiträume, unzureichend mit Trinkwasser versorgt werden. Dies führte gleichsam zu Hygieneproblemen.

Ein ähnliches Bild zeigt sich in der Stadt Seýdi, 90 Kilometer von Türkmenabat entfernt. Obwohl es weniger von den Unwettern betroffen war, habe es dennoch große Schäden erlitten, berichtet Turkmen News. Die Onlinezeitung schrieb am 1. Mai, dass die Stadt vier Tage lang von der Wasser- und Stromversorgung abgeschnitten war. Der öffentliche Versorgungsdienst habe die Stadt nur ein einziges Mal besucht.

Langsamer Wiederaufbau

Die betroffenen Regionen erholen sich nur langsam von der Katastrophe. Am Abend des 5. Mai wurde Seýdi wieder an das Strom- und Gasnetz angeschlossen; Trinkwasser war noch immer nicht verfügbar. Türkmenabat erholt sich ebenfalls langsam. Die Versorgung an Strom, Gas und Wasser hat sich endlich wieder normalisiert.

Die Instandsetzung der Städte gestaltet sich kompliziert, da die Grenzschließungen aufgrund der Covid-19-Pandemie die Lieferung bestimmter Baumaterialien erschweren, so Fergana News. Laut einem Korrespondenten von Turkmen News in Türkmenabat wurden zahlreiche Gebäudefassaden beschädigt, darunter das Terminal des örtlichen Flughafens, sowie das Dach des Abdi-Schukur-Gefängnisses. Obwohl die Armee bei den Räumungsarbeiten eingesetzt wird, sollen die Straßen noch immer mit Blechdächern, umgestürzten Bäumen und losen Elektrokabeln übersät sein.

Die Bevölkerung bleibt uninformiert

Wie Turkmen News berichtet, sind die Menschen über die Untätigkeit lokaler und staatlicher Behörden schockiert. Sie kritisieren, dass es kaum Erklärungen seitens der Regierung und der Presse gibt. Auch, dass die Regierung keine Frühwarnungen über die bevorstehende Katastrophe herausgegeben hat, trifft auf Unmut.

Turkmen News schreibt dazu, dass das Außenministerium und das Ministerium für Innere Sicherheit die Regionalbehörden erst sieben Stunden vor der Katastrophe per Telegramm über einen bevorstehenden Sturm informiert haben. Nach Angaben des unabhängigen Mediums wurde die Information aus Angst vor einer möglichen Panik in der Bevölkerung zurückgehalten. Aus diesem Grund konnten keine vorbeugenden Maßnahmen ergriffen werden; Schulen und Kindergärten waren offenbar noch bis kurz vor Ausbruch des Unwetters geöffnet.

Die Regierung spricht nicht von einer Katastrophe

Die Regierung scheint die Naturkatastrophe überschatten zu wollen. Auch nach über einer Woche hat noch kein staatliches Medium zu diesem Thema Stellung bezogen. Zwischen dem 27. und 30. April veröffentlichte die staatliche Nachrichtenagentur Turkmenistans mehrere Pressemitteilungen zur Außen-, Wirtschafts- und Entwicklungspolitik – keine von ihnen erwähnte die Unwetter. Erst am 4. Mai schrieb das regierungstreue Medium Jeyhun News einen kurzen Artikel zu diesem Thema, gefolgt von einem weiteren am 6. Mai und in dem stand: „In der Stadt Türkmenabat und den betroffenen Dörfern funktionieren sämtliche Dienste normal“. Beide Artikel sind inzwischen nicht mehr abrufbar. Im staatlichen Fernsehen sei diesbezüglich kein Wort gefallen, berichtet Turkmen News.

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Noch erstaunlicher ist, dass das regierungsnahe Medium Turkmen Portal noch am ersten Mai seine Freude über die Zustimmung des Präsidenten Gurbanguly Berdimuhamedow zu einer Lebensmittelsendung nach Afghanistan anlässlich des heiligen Monats Oraz (Ramadan) – ungeachtet der Tatsache, dass sich die von den Unwettern betroffenen Regionen weiterhin in einer Notsituation befinden.

Lest auch bei Novastan: Turkmenistan: Wie die Bevölkerung auch ohne freie Medien an Informationen gelangt

Auch in den sozialen Medien versucht der Staat, die Katastrophe zu vertuschen. Laut dem unabhängigen Medium Chronik Turkmenistans wurden 66 Bürger wegen des Verdachts festgenommen, Fotos und Informationen über die Unwetter im Internet veröffentlicht zu haben. Noch immer können derartige Augenzeugenberichte eingesehen werden, da sie von unabhängigen Medien wie Turkmen News bereitgestellt werden.

Während der Sturm die Provinz Buchara im westlichen Usbekistan auf eine ähnliche Weise traf, reagierten die dortigen Behörden völlig anders: Der usbekische Präsident Mirziyoyev besuchte das Katastrophengebiet und versprach den Bewohnern ausdrücklich, ihre Situation schnellstmöglich zu lindern, wie aus einer Erklärung des Präsidenten hervorgeht.

Tanguy Martignolles, Redakteur für Novastan France

Aus dem Französischen von Elisabeth Rudolph

 

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