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Ein Planet namens Tadschikistan

Vor ein paar Tagen berichtete eine tadschikische Nachrichtenagentur, ein neuentdeckter Planet zwischen Mars und Jupiter sei „Tadschikistan“ benannt worden. Ein Kommentar von Eurasianet.org.

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Tajikistan aus dem All
Tajikistan aus dem All

Vor ein paar Tagen berichtete eine tadschikische Nachrichtenagentur, ein neuentdeckter Planet zwischen Mars und Jupiter sei „Tadschikistan“ benannt worden. Ein Kommentar von Eurasianet.org.

Aktuelle tadschikische Nationalmythen sind manchmal nicht von dieser Welt, diesmal sogar buchstäblich.

Wie die staatliche Presseagentur Khovar am 1. September berichtete, wurde ein „kleiner Planet“ des Sonnensystems nach Tadschikistan benannt. Passend zu dem im postsowjetischen Raum gefeierten „Tag des Wissens“, der dem Beginn des Schuljahrs entspricht.

Es war die sogenannte „Internationale Union der Astrophysiker“, die Tadschikistan diese seltene Würde zukommen ließ. Grund dafür sei der Anteil der Wissenschaftler des Landes an der Entwicklung der Astrophysik und der Studie der Himmel, heißt es im Bericht.

Der Präsident der Staatlichen Akademie der Wissenschaften Farhod Rahimi überreichte dem Präsidenten Emomalii Rahmon ein Zertifikat, welches bestätigt, dass der Planet tatsächlich existiert und nach zentralasiatischen Land benannt wurde.

Khovar bietet auch recht genaue Angaben zu den Koordinaten des Planeten: 250 Millionen Kilometer von der Erde und 436 Km von der Sonne entfernt, also zwischen Mars und Jupiter.

Der Planet Tadschikistan dreht sich in fünf Jahren um die Sonne, passend zu den Mandaten des tadschikischen Parlaments. Aktuell sind die beiden Tadschikistans sich am nächsten, und tadschikische Wissenschaftler schauen eifrig durch ihre Teleskope. Khovar berichtete:

„Tadschikische Wissenschaftler studieren die physische und chemische Zusammensetzung dieses Planeten und die Prozesse, die dort stattfinden.“

Einige Aspekte dieser Geschichte verbleiben jedoch im Dunkeln.

Sollte es die Internationale Union der Astrophysiker tatsächlich geben, so hat sie keine Internetpräsenz. Zudem ist seltsam, dass sie an der Namensgebung der Planeten beteiligt ist. Dies gehört eher zum Arbeitsfeld der Astronomen. Es gibt auch eine Internationale Astronomische Union, aber die kürzliche Entdeckung eines Planeten namens Tadschikistan bleibt auf ihrer Webseite unerwähnt.

Wie der Guardian bemerkt, existieren tatsächlich mehrere sogenannte Zwergplaneten zwischen Mars und Jupiter, sie wurden jedoch alle bereits benannt.

All dies führt zu dem Verdacht, dass es sich bei der planetarischen Nachricht um eine freie Erfindung handelt. Ein zweifelhafter Versuch, den Ruf Tadschikistans im Landesinnern zu stärken.

Und ein trauriger Versuch, hat doch Tadschikistan eine stolze und lange Bindung zur Astronomie. Aber wie diese 2009 erschienene Veröffentlichung von zwei Spezialisten des Instituts für Astrophysik an der tadschikischen Akademie der Wissenschaften erklärt, hat die postsowjetische Zeit den modernen wissenschaftlichen Durchbrüchen des Landes einen Schlag versetzt:

„Das Bildungssystem hat in den Jahren soziopolitischer Instabilität, während des Bürgerkrieges (1992-1997) und der Wirtschaftskrise stark gelitten. Es gab eine massive Auswanderung von Spezialisten, und besonders viele Astronomen wurden Lehrer oder gingen zur Industrie über. Das hatte einen negativen Effekt auf die astronomische Forschung, die Vorbereitung der Experten und die astronomische Ausbildung in Tadschikistan.“

Es ist nicht das erste Mal, dass Tadschikistan von seltsamen Organisationen geehrt wird, nur handelte es sich üblicherweise um existierende Strukturen.

2011 erhielt Präsident Rahmon den Titel des „Leader des 21. Jahrhunderts“ vom European Council on International Relations (nicht zu verwechseln mit dem European Council on Foreign Relations). Unter anderem wurde ihm der Preis für seine unermüdlichen Mühen im „Kampf gegen Korruption und in der Förderung der Achtung der Menschenwürde, sauberer Staatsführung und seine Teilhabe an der Erstellung eines demokratischen Gerüsts in Tadschikistan“ verliehen.

Rückblickend könnte man vermuten, dass der European Council on International Relations sich auf den Planeten bezog.

Die Redaktion von Eurasianet.org

Aus dem Englischen übersetzt von Florian Coppenrath

 

 

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