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„Blutige Tränen“ oder das Lal’sche Geheimnis des Pamirs

Der Historiker Mirsobek Chajrullo erzählte der tadschikischen Internetzeitung „Asia Plus“, wie der erste Lal (auch: Lall oder Lalik) aus dem in Zentralasien gelegenen Hochgebirge Pamir gewonnen worden ist und welcher Aberglaube diesem nachgesagt wurde. Wir übersetzen den Artikel mit der freundlichen Genehmigung der Redaktion. Der Schlüssel zu den Geheimnissen des in Zentralasien gelegenen Pamirs befindet sich in seinem Namen. Nur wenige wissen, was das Wort „Badachschan“ bedeutet. Der tatsächliche Name dieser Orte heißt „Lal-Roschkanda“, was so viel wie „die Blume des Lals“ heißt. Badachschan bedeutet hingegen „das Land der Lals“. Edelsteine aus den Bergfelsen Über seine Reise im Badachschan erzählend, schrieb Marco Polo in einem seiner Werke: „In dieser Region gibt es Edelsteine, die ‚Balasch‘ genannt werden. Sie sind rot und wertvoll. Und sie entstehen in den Bergfelsen“. Dementsprechend ist der Lal kein Rubin, mit dem ihn Einheimische oft verwechselten, sondern sozusagen sein farbgleicher Zwilling, der edle Spinell, der genauso kostbar und teuer ist wie andere Edelsteine – z. B. Diamanten, Saphire, Rubine, Smaragde und Alexandrite. Wie sein farbgleicher Zwilling der Rubin, galt auch der Lal als einer der meist verehrtesten Edelsteine im muslimischen Osten. Dort galt er lange Zeit als Synonym für Schönheit und Vollkommenheit. Lest auch bei Novastan: Zentralasien – historisches Herz der muslimischen Welt „Lal und Badachschon“ – so lautete der metaphorische Name eines roten Sektes, den so manch einer mit den süßen und schönen Lippen einer Geliebten verglich. Der Lal des Badachschan erinnert an das Königsbuch „Schahnameh“. Der persische Dichter Firdausi verfasste es im 10. Jahrhundert nach Chr. und schreibt darin: „Und die Krone auf seinem Haupt ist durch die Lals scharlachrot!“ Selbst der russische Zar Ivan IV., der auch als „der Schreckliche“ bekannt ist, vergötterte den Spinell. „Hier ist der rote Rubin“, sprach er zu dem englischen Diplomaten und Politiker Jerome Horsey und verwies dabei auf diesen seinen ganzen Schatz, „Er hat eine heilende Wirkung auf das Herz und den Kopf sowie die Kraft und das Gedächtnis des Menschen.“ Auf die erste Erwähnung der östlichen Saphire stößt man im Werk des im 10. Jahrhundert n. Chr. lebenden arabischen Historikers Al‘-Mukadasi: „Hier [in Badachschan] gibt es Minen voller Edelstein, der aussieht wie Rubin. Solche Minen sind nirgends sonst zu finden.“ Eine detailliertere Beschreibung des Entstehungsortes der Lals erwähnt der im 10. Jahrhundert n. Chr. lebende Mineraloge und Historiker Abu 'r-Rajchan al-Biruni: „Die Lal-Minen befinden sich in einem Gebiet, in dem das Dorf Warsa-Fandsch gelegen ist. Dieses ist drei Tagesreisen von Badakhshan entfernt, dessen Hauptstadt Ishkoshim (heutiges Tajikistan) sich in der Nähe der Minen befindet. Der Weg dorthin ist aber von Badakhshan aus bei Weitem angenehmer als von Ishkoshim aus.Seht auch unsere Videoreportage „Über den Fluss Pandsch“ (Deutsche Untertitel per Einstellungen aktivieren): https://www.youtube.com/watch?v=C4HCa26UtPk Altertümlicher Aberglaube Die Methode, Lal zu gewinnen, hat sich seit den Zeiten Birunis bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts kaum merklich verändert. Die unterirdischen Schächte durchquerend, bedienten sich die Bergarbeiter schon vor über 1000 Jahren der „Feuermethode“ und verrichteten alle Arbeiten mit den bloßen Händen – und zwar sowohl sitzend, hockend als auch liegend. In jeder Mine arbeiteten zwei oder drei Personen, denen aber unterschiedliche Aufgabenbereiche zugeteilt waren. Die einen bearbeiteten die Felsen, die anderen schaufelten die sich dabei herauslösenden Steine beiseite und wieder andere beförderten diese Steine ans Tageslicht. Da es an metallenem Arbeitsmaterial mangelte, bedienten sich die Bergarbeiter Argalihörnern und Holzkeilen, welche sie in die Felsspalten schlugen. Die so gewonnenen Steine wurden nahe des Tunnelausganges aufbereitet. Dort wurden sie mit Hilfe von Meißeln und Brechstangen soweit bearbeitet, dass der wertvolle Edelstein mit der bloßen Hand aus dem ihn umschlingenden Stein herausgelöst werden konnten. Denjenigen, die die Edelsteine aus den Steinen herausschlugen, gelang es jedoch nicht immer, alle unversehrt zu gewinnen. So musste der ein oder andere Edelstein leiden. Aber nicht nur dieser hatte es nicht immer leicht – Unter den Bergleuten und -wachen sprach sich herum, dass der Lal in der Regel paarweise auftritt. In der Realität geschah dies aber selten. Dennoch wurde den Bergarbeitern seitens der Bergwachen häufig unterstellt, einen Teil der Edelsteine zu verstecken. Viele Bergarbeiter sahen sich in einer schwierigen Situation und hatten oft keine andere Wahl, als die herausgeschlagenen Steine zu spalten. Denn auf diese Weise gelang es ihnen, ungerechtfertigte Strafen seitens der Bergwachen zu umgehen. „Blutige Tränen“ Der Kuchilal ist der legendäre Berg der Lals, an dem Tal des durch Zentralasien verlaufenden Flusses Pandsch beheimatet. Wie hier die ersten Edelsteine gefunden worden sein sollen, erzählen viele Legenden aus der Region: „Es war einmal ein starkes Erdbeben am Kuchilal. Das Erdbeben war so stark, dass sich der gesamte Berg entzweite und aus seinen Tiefen Tränen frei ließ. Diese Tränen waren rot wie Blut und ihre Tropfen blieben an den Steinen haften. Aus diesen Tropfen bildete sich später der Lal. Einige Frauen, die unweit des Berges lebten, sahen diese blutroten Tränen und beschlossen sogleich sie als Farbe zu nutzen, um ihre Tücher zu färben. Aber alle ihre Bemühungen waren vergebens. Aus dem Lal ließ sich keine Farbe gewinnen. Kurze Zeit später fielen die Edelsteine in die Hände von Händlern, die sie an Juweliere weiterreichten. Seitdem gibt es auf der Welt den berühmten Lal Badachschans.“ [embed]https://novastan.org/de/fact/die-alten-griechen-bezeichneten-den-grosten-teil-zentralasiens-als-transoxanien-also-hinter-dem-oxus-nach-der-damaligen-bezeichnung-des-amudarya/[/embed] Der Kuchilal ist aber nicht der einzige Ort auf der Welt, an dem der edle Spinell beheimatet ist. Auch an anderen Orten in Badachschan ist er zu Hause. Ein altes Sprichwort aus der Gegend besagt: „Der Kopf der Lals ist in Jamgin – sein Herz ist in Sumdschine – seine Beine sind in Kuchilal.“ „Das Dach der Welt“, wie der Pamir genannt wird, bewahrt viele Geheimnisse dieser Erde. Und wir haben das Glück, dass sie bis in unsere heutige Zeit unberührt überliefert worden sind. Mirsobek Chajrullo Historiker

Lal Pamir Tadschikistan

Der Historiker Mirsobek Chajrullo erzählte der tadschikischen Internetzeitung „Asia Plus“, wie der erste Lal (auch: Lall oder Lalik) aus dem in Zentralasien gelegenen Hochgebirge Pamir gewonnen worden ist und welcher Aberglaube diesem nachgesagt wurde. Wir übersetzen den Artikel mit der freundlichen Genehmigung der Redaktion.

Der Schlüssel zu den Geheimnissen des in Zentralasien gelegenen Pamirs befindet sich in seinem Namen. Nur wenige wissen, was das Wort „Badachschan“ bedeutet. Der tatsächliche Name dieser Orte heißt „Lal-Roschkanda“, was so viel wie „die Blume des Lals“ heißt. Badachschan bedeutet hingegen „das Land der Lals“.

Edelsteine aus den Bergfelsen

Über seine Reise im Badachschan erzählend, schrieb Marco Polo in einem seiner Werke: „In dieser Region gibt es Edelsteine, die ‚Balasch‘ genannt werden. Sie sind rot und wertvoll. Und sie entstehen in den Bergfelsen“. Dementsprechend ist der Lal kein Rubin, mit dem ihn Einheimische oft verwechselten, sondern sozusagen sein farbgleicher Zwilling, der edle Spinell, der genauso kostbar und teuer ist wie andere Edelsteine – z. B. Diamanten, Saphire, Rubine, Smaragde und Alexandrite.

Wie sein farbgleicher Zwilling der Rubin, galt auch der Lal als einer der meist verehrtesten Edelsteine im muslimischen Osten. Dort galt er lange Zeit als Synonym für Schönheit und Vollkommenheit.

Lest auch bei Novastan: Zentralasien – historisches Herz der muslimischen Welt

„Lal und Badachschon“ – so lautete der metaphorische Name eines roten Sektes, den so manch einer mit den süßen und schönen Lippen einer Geliebten verglich. Der Lal des Badachschan erinnert an das Königsbuch „Schahnameh“. Der persische Dichter Firdausi verfasste es im 10. Jahrhundert nach Chr. und schreibt darin: „Und die Krone auf seinem Haupt ist durch die Lals scharlachrot!

Selbst der russische Zar Ivan IV., der auch als „der Schreckliche“ bekannt ist, vergötterte den Spinell. „Hier ist der rote Rubin“, sprach er zu dem englischen Diplomaten und Politiker Jerome Horsey und verwies dabei auf diesen seinen ganzen Schatz, „Er hat eine heilende Wirkung auf das Herz und den Kopf sowie die Kraft und das Gedächtnis des Menschen.

Auf die erste Erwähnung der östlichen Saphire stößt man im Werk des im 10. Jahrhundert n. Chr. lebenden arabischen Historikers Al‘-Mukadasi: „Hier [in Badachschan] gibt es Minen voller Edelstein, der aussieht wie Rubin. Solche Minen sind nirgends sonst zu finden.

Eine detailliertere Beschreibung des Entstehungsortes der Lals erwähnt der im 10. Jahrhundert n. Chr. lebende Mineraloge und Historiker Abu ‚r-Rajchan al-Biruni: „Die Lal-Minen befinden sich in einem Gebiet, in dem das Dorf Warsa-Fandsch gelegen ist. Dieses ist drei Tagesreisen von Badakhshan entfernt, dessen Hauptstadt Ishkoshim (heutiges Tajikistan) sich in der Nähe der Minen befindet. Der Weg dorthin ist aber von Badakhshan aus bei Weitem angenehmer als von Ishkoshim aus.

Seht auch unsere Videoreportage „Über den Fluss Pandsch“ (Deutsche Untertitel per Einstellungen aktivieren):

Altertümlicher Aberglaube

Die Methode, Lal zu gewinnen, hat sich seit den Zeiten Birunis bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts kaum merklich verändert. Die unterirdischen Schächte durchquerend, bedienten sich die Bergarbeiter schon vor über 1000 Jahren der „Feuermethode“ und verrichteten alle Arbeiten mit den bloßen Händen – und zwar sowohl sitzend, hockend als auch liegend.

In jeder Mine arbeiteten zwei oder drei Personen, denen aber unterschiedliche Aufgabenbereiche zugeteilt waren. Die einen bearbeiteten die Felsen, die anderen schaufelten die sich dabei herauslösenden Steine beiseite und wieder andere beförderten diese Steine ans Tageslicht. Da es an metallenem Arbeitsmaterial mangelte, bedienten sich die Bergarbeiter Argalihörnern und Holzkeilen, welche sie in die Felsspalten schlugen.

Die so gewonnenen Steine wurden nahe des Tunnelausganges aufbereitet. Dort wurden sie mit Hilfe von Meißeln und Brechstangen soweit bearbeitet, dass der wertvolle Edelstein mit der bloßen Hand aus dem ihn umschlingenden Stein herausgelöst werden konnten. Denjenigen, die die Edelsteine aus den Steinen herausschlugen, gelang es jedoch nicht immer, alle unversehrt zu gewinnen. So musste der ein oder andere Edelstein leiden.

Aber nicht nur dieser hatte es nicht immer leicht – Unter den Bergleuten und -wachen sprach sich herum, dass der Lal in der Regel paarweise auftritt. In der Realität geschah dies aber selten. Dennoch wurde den Bergarbeitern seitens der Bergwachen häufig unterstellt, einen Teil der Edelsteine zu verstecken. Viele Bergarbeiter sahen sich in einer schwierigen Situation und hatten oft keine andere Wahl, als die herausgeschlagenen Steine zu spalten. Denn auf diese Weise gelang es ihnen, ungerechtfertigte Strafen seitens der Bergwachen zu umgehen.

„Blutige Tränen“

Der Kuchilal ist der legendäre Berg der Lals, an dem Tal des durch Zentralasien verlaufenden Flusses Pandsch beheimatet. Wie hier die ersten Edelsteine gefunden worden sein sollen, erzählen viele Legenden aus der Region:

„Es war einmal ein starkes Erdbeben am Kuchilal. Das Erdbeben war so stark, dass sich der gesamte Berg entzweite und aus seinen Tiefen Tränen frei ließ. Diese Tränen waren rot wie Blut und ihre Tropfen blieben an den Steinen haften. Aus diesen Tropfen bildete sich später der Lal. Einige Frauen, die unweit des Berges lebten, sahen diese blutroten Tränen und beschlossen sogleich sie als Farbe zu nutzen, um ihre Tücher zu färben. Aber alle ihre Bemühungen waren vergebens. Aus dem Lal ließ sich keine Farbe gewinnen. Kurze Zeit später fielen die Edelsteine in die Hände von Händlern, die sie an Juweliere weiterreichten. Seitdem gibt es auf der Welt den berühmten Lal Badachschans.“

Der Pandsch

Der Kuchilal ist aber nicht der einzige Ort auf der Welt, an dem der edle Spinell beheimatet ist. Auch an anderen Orten in Badachschan ist er zu Hause. Ein altes Sprichwort aus der Gegend besagt: „Der Kopf der Lals ist in Jamgin – sein Herz ist in Sumdschine – seine Beine sind in Kuchilal.

„Das Dach der Welt“, wie der Pamir genannt wird, bewahrt viele Geheimnisse dieser Erde. Und wir haben das Glück, dass sie bis in unsere heutige Zeit unberührt überliefert worden sind.

Mirsobek Chajrullo
Historiker

Aus dem Russischen übersetzt von Olga Zoll

 

 

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