Startseite      Was steckt hinter den vorgezogenen Parlamentswahlen in Kirgistan?

Was steckt hinter den vorgezogenen Parlamentswahlen in Kirgistan?

Mittels einer parlamentarischen Initiative hat Präsident Sadyr Dschaparow für den 30. November vorgezogene Parlamentswahlen angesetzt. Offiziell wurde diese Entscheidung mit der Gefahr einer Überschneidung zwischen den Parlaments- und Präsidentschaftswahlen begründet. Hinsichtlich einer möglichen Umbildung der Staatsführung wirft sie jedoch Fragen auf.

Der Dschogorku Kengesch bei Nacht (Symbolbild). Foto: Nikolaj Bulykin/Wikicommons

Mittels einer parlamentarischen Initiative hat Präsident Sadyr Dschaparow für den 30. November vorgezogene Parlamentswahlen angesetzt. Offiziell wurde diese Entscheidung mit der Gefahr einer Überschneidung zwischen den Parlaments- und Präsidentschaftswahlen begründet. Hinsichtlich einer möglichen Umbildung der Staatsführung wirft sie jedoch Fragen auf.

Am 25. September stimmten über 90 Prozent der Abgeordneten des Dschogorku Kengesch, des Parlaments Kirgistans, für seine Selbstauflösung. Dieser in Kirgistan noch nie dagewesene institutionelle Akt legt nun Neuwahlen fest, die am 30. November stattfinden sollen und die Macht des derzeitigen Präsidenten Sadyr Dschaparow stärken könnten.

Tatsächlich zeigen Umfragen unter Abgeordneten, dass bereits zu Beginn der neuen Legislaturperiode die Auflösung des Dschogorku Kengesch in Betracht gezogen wurde. Einige befürworteten laut dem kirgistanischen Medienportal 24.kg vorgezogene Neuwahlen, die für November 2026 geplant waren. Andere betonten zwar, dass es keinen Grund für eine Auflösung gebe, hielten eine solche Entscheidung jedoch für plausibel.

Lest auch auf Novastan: Wachsender Autoritarismus und Machtkrise in Zentralasien

Auch Tyntschtyk Schajnazarow, Vorsitzender der Zentralen Wahlkommission, sprach sich für vorgezogene Wahlen aus. Die Zeitspanne zwischen den ursprünglich für November 2026 geplanten Parlamentswahlen und den Präsidentschaftswahlen, die im Januar 2027 stattfinden sollen, sei seiner Meinung nach zu kurz. „Was passiert, wenn wir im November 2026 Parlamentswahlen organisieren? Wir haben 20 Tage Zeit, um die Ergebnisse zu analysieren und die Wahlen zu validieren“, erklärte Schajnazarow.

Neue Regeln

Eine weitere Neuerung ist, dass die vorgezogenen Parlamentswahlen gemäß einem neuen Gesetz stattfinden sollen. Anstelle des derzeitigen gemischten Systems, bei dem einige Abgeordnete über Parteilisten und andere in Einpersonenwahlkreisen gewählt wurden, hat das Land im Juni dieses Jahres ein Mehrheitswahlsystem mit 30 Mehrpersonenwahlkreisen eingeführt, in denen jeweils drei Abgeordnete gewählt werden.

Lest auch auf Novastan: Repressionen in Kirgistan: Ist das Land noch die „demokratische Insel“ Zentralasiens?

Die Zentrale Wahlkommission weist außerdem darauf hin, dass eine Person in jedem Wahlkreis nur in dem Wahllokal wählen kann, in dem sie registriert ist. Für diejenigen, die bei der Beantragung ihres Reisepasses im Ausland eine ausländische Adresse angegeben haben, wird möglicherweise kein Stimmzettel ausgestellt. Den Bürgerinnen und Bürgern wird daher empfohlen, ihre Registrierung mit einer kirgistanischen Adresse zu aktualisieren.

Mögliche Machtverschiebung?

„Die Selbstauflösung des Parlaments hätte in jedem anderen Land für Aufsehen gesorgt, aber nicht in Kirgistan, das zu Beginn seiner Unabhängigkeit nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion stolz als ,Insel der Demokratie‘ in Zentralasien bezeichnet wurde”, meint Arkadij Dubnow, russischer Politologe und Experte für Zentralasien. Seiner Meinung nach verbirgt sich hinter dieser Entscheidung, die als einfache Lösung für potenzielle technische Probleme bei der Organisation der Wahlen dargestellt wird, möglicherweise ein viel größeres Vorhaben: die Nation auf eine mögliche Machtverschiebung an der Spitze des Staates vorzubereiten.

Dubnow erwähnt auch den möglichen Aufstieg des derzeitigen Vorsitzenden des Staatskomitees für nationale Sicherheit (GKNB), Kamtschybek Taschijew, zum Präsidenten: „Das Bild eines starken Führers, der in Wirklichkeit hinter allen wichtigen Entscheidungen im Leben Kirgistans steht, ist seit langem mit dem Vorsitzenden des GKNB verbunden.“ Der Politologe erinnert weiter daran, dass die rechte Hand Sadyr Dschaparows in diesem Jahr von der friedlichen Beilegung des Grenzkonflikts mit dem Nachbarland Tadschikistan profitierte, ebenso wie von der kürzlichen Umbenennung seiner Heimatstadt Dschalal-Abad im Süden des Landes in Manas, benannt nach einer heroischen Figur der kirgisischen Geschichte.

Samad Alizade für Novastan

Aus dem Französischen von Michèle Häfliger

Kommentare

Your comment will be revised by the site if needed.