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Pressefreiheit in Usbekistan: Zwei Medien wegen strittiger Artikel verurteilt

Die usbekischen Medien Kun.uz und Azon.uz sind verurteilt worden, weil sie strittige religiöse Inhalte ohne Zustimmung des zuständigen Regierungskomitees veröffentlicht hatten. Zwei Fälle, die die Presse- und Religionsfreiheit in Usbekistan in Frage stellen.

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Übersetzt von: Robin Roth

Original (30. Juni 2021)

Die usbekischen Medien Kun.uz und Azon.uz sind verurteilt worden, weil sie strittige religiöse Inhalte ohne Zustimmung des zuständigen Regierungskomitees veröffentlicht hatten. Zwei Fälle, die die Presse- und Religionsfreiheit in Usbekistan in Frage stellen.

Am 21. Juni hat ein Strafgericht in Usbekistans Hauptstadt Taschkent eine Geldstrafe von fast 12 Millionen Sum (949,50 Euro) gegen den Direktor des Onlinemediums Kun.uz verhängt. Kun.uz wurde 2012 gegründet. Mit mehr als einer Million Klicks pro Tag verzeichnet die Seite laut Angaben des amerikanischen Nachrichtenportals Eurasianet seit mehreren Jahren eine stark wachsende Leser:innenschaft.

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Am 22. Juni machte Kun.uz selbst die Einzelheiten des Falls öffentlich. Eine für die Bekämpfung von Terrorismus und Extremismus zuständige Abteilung des Innenministeriums führte demnach eine Untersuchung durch. Sie identifizierte sieben Artikel, die aufgrund ihres religiösen Inhalts möglicherweise gegen die Gesetze des Landes verstoßen haben könnten. Die Themen sind vielfältig, die meisten der Artikel wurden aber während des Ramadan 2021 gepostet und kommentieren die einzuhaltenden religiösen Vorschriften.

Der Ausschuss für religiöse Angelegenheiten, eine der Regierung unterstellte Institution, wurde in dieser Angelegenheit eingeschaltet. „Laut Schlussfolgerung des Gutachtens fordern diese Artikel weder Verfassungsänderungen noch die Machtergreifung noch die Errichtung eines islamischen Staates oder eines Kalifats. Es gibt also keine Beweise für Extremismus […] und Hass“, berichtet Kun.uz in dem Artikel zum eigenen Fall.

Umstrittene Artikel

Allerdings weist der Ausschuss auch auf die Probleme bei einem am 18. November 2020 veröffentlichten Artikel hin. In dem Artikel, der auf einer BBC-Veröffentlichung basiert, wird über die Einführung des Hidschabs zu bestimmten neuseeländischen Polizeiuniformen berichtet. Kun.uz fügte ein Foto einer besagten Uniform sowie die Worte einer jungen Neuseeländerin hinzu: „Ich denke, muslimische Frauen sollten auch mehr für die Polizei arbeiten können. In Neuseeland ist es großartig zu sehen, dass der Hidschab als integraler Bestandteil der Uniform eingeführt wurde. Ich denke, muslimische Frauen, die dies sehen, werden sich eher für diese Stellen bewerben.“ Der Ausschuss für religiöse Angelegenheiten entschied, dass die Verbreitung solcher Äußerungen untersagt sei, weil dies zu „Zwietracht in der Bevölkerung“ führen könne. Aufgrund dieser Schlussfolgerungen sprach das Gericht Kun.uz schuldig. Lest auch auf Novastan: Vier Jahre in Freiheit? – Insider-Interview zur Lage der Medien in Usbekistan Von der Öffentlichkeit weniger bemerkt als der Fall von Kun.uz, erging am 21. Juni ein ähnliches Urteil gegen das religiöse Portal Azon.uz. Wie die usbekische Onlinezeitung Gazeta.uz berichtet, habe der Ausschuss für religiöse Angelegenheiten in den Artikeln von Azon.uz keine extremistischen Tendenzen gefunden. Diesmal bemängelte der Ausschuss aber einen Artikel, aufgrund dessen sich die Beziehungen Usbekistans zu anderen Ländern, insbesondere zu Israel und Russland, verschlechtern könnten. Vier leitende Angestellte von Azon.uz wurden mit Geldstrafen von bis zu 12 Millionen Sum (949,50 Euro) belegt.

Presse in Unruhe

Beide Medien reagierten ähnlich und schlossen am 22. Juni ihre usbekischen Newsfeeds. Sie protestierten somit gegen einen weiteren Angriff auf die Meinungsfreiheit in ihrem Land und wurden laut Kun.uz dabei von vielen Aktivist:innen und Medienvertreter:innen unterstützt. Am 23. Juni veröffentlichte das Team von Kun.uz eine Stellungnahme in drei Sprachen. Sie weist darauf hin, dass „seit dem Regierungswechsel in Usbekistan 2016 ernsthafte Reformen durchgeführt wurden, um die Meinungsfreiheit im Land zu gewährleisten“.

Die Journalist:innen relativieren diesen Fortschritt jedoch, indem sie daran erinnern, dass „wir nicht vergessen dürfen, dass die Gesetze zur Meinungsfreiheit im Land (einschließlich derjenigen, die zur Verurteilung von Kun.uz geführt haben) überholt bleiben“ und dass „die Einmischung von Regierungsbehörden in Medienaktivitäten und Hindernisse für die Meinungsfreiheit fortbestehen“. Auf Anfragen von Novastan zu diesem Thema hat Kun.uz indes nicht reagiert.

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Abdulaziz Muborak, Chefredakteur von Azon.uz, berichtete seinerseits von internen Widersprüchen bei den Institutionen. Laut Gazeta.uz sagte er, dass seine Veröffentlichungen vom Ausschuss für religiöse Angelegenheiten mündlich genehmigt wurden, bevor im Prozess ein anderes Urteil gefällt wurde.

Auch die NGO „Reporter ohne Grenzen“ bewertet die Situation der Pressefreiheit in Usbekistan als schlecht und führt das Land in seinem World Press Freedom Index 2021 auf Platz 158 von 180. Der Jahresbericht der NGO hebt zwar die Fortschritte hervor, die seit dem Tod des damaligen Präsidenten Islom Karimov im Jahr 2016 erzielt wurden, er erinnert aber auch daran, dass es immer noch nicht möglich ist, die Staatsmacht und ihre Vorrechte direkt anzugreifen.

Religion unter Beobachtung

Unter diesen Vorrechten nimmt die staatliche Kontrolle über die Religion einen zentralen Platz ein. Wenn auch die Usbek:innen ihren Glauben öffentlich bekunden dürfen und viele religiöse Vereinigungen ihre Tätigkeit unter der Präsidentschaft von Shavkat Mirziyoyev wieder aufnehmen konnten, sind religiöse Initiativen und Organisationen allein vom Wohlwollen des Staates abhängig.

Wie Gazeta.uz darlegt, wird dieses Monopol durch einen Beschluss des Ministerrats vom 20. Januar 2014 gewährleistet. Dieser stellt eine Erweiterung eines Artikels des Verwaltungsgesetzbuchs dar und erfordert für jegliche Herstellung, Verbreitung, Besitz und Erhaltung religiöser Inhalte die Zustimmung des Ausschusses für religiöse Angelegenheiten.

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Die Regierung ist ihrerseits nicht der Ansicht, dass die Justiz unverhältnismäßig gehandelt habe. Auf Anfrage von Gazeta.uz erklärte das Innenministerium, dass „alle Maßnahmen im Rahmen des Gesetzes durchgeführt wurden“ und dass alle Parteien Berufung einlegen können. Die nur zaghaft erfolgende Erweiterung der religiösen Freiheiten in Usbekistan steht dabei auch im Zusammenhang mit der immer größer werdenden Instabilität im benachbarten Afghanistan. Sowohl aus gesellschaftlichen als auch aus sicherheitspolitischen Gründen beunruhigt diese die Taschkenter Führung zunehmend.

Tiago da Cunha, Redakteur für Novastan

Aus dem Französischen von Robin Roth

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