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Nach tödlicher Explosion in Bergwerk: Kasachstan stoppt Investitionsabkommen mit ArcelorMittal

Nachdem es am 28. Oktober in Kasachstan erneut zu einem Grubenunglück mit 46 Toten gekommen ist, wird das Unternehmen ArcellorMittal, das schon zuvor wegen Sicherheitsmängeln in der Kritik stand, das Land verlassen. Die Regierung hat ein entsprechendes Investitionsabkommen aufgekündigt.

Das Unternehmen ArcelorMittal steht wegen wiederholten Unfällen in der Kritik, Photo: Wikimedia Commons

Nachdem es am 28. Oktober in Kasachstan erneut zu einem Grubenunglück mit 46 Toten gekommen ist, wird das Unternehmen ArcellorMittal, das schon zuvor wegen Sicherheitsmängeln in der Kritik stand, das Land verlassen. Die Regierung hat ein entsprechendes Investitionsabkommen aufgekündigt.

Am Samstagabend, dem 28. Oktober, ist in der Kostenko-Mine in 700 Metern Tiefe ein Feuer ausgebrochen, gefolgt von einer Explosion eines Methan-Luft-Gemisches. 201 der 252 sich im Einsatz befindenden Bergleute konnten sich selbstständig befreien, 24 von ihnen erlitten Verletzungen und benötigten medizinische Hilfe. Die Rettungsaktion dauerte bis Dienstag, den 31. Oktober an, als die letzte Leiche entdeckt wurde. Alle 46 zwischenzeitlich vermissten Bergleute wurden tot aufgefunden.

Ein berüchtigter Arbeitgeber

Die Kostenko-Mine gehört zusammen mit sieben anderen Kohlebergwerken in Kasachstan dem Unternehmen ArcelorMittal Temirtau (AMT), welches für seine Nachlässigkeit bei der Sicherheit berüchtigt ist. Neben den Minen umfasst das Portfolio des Unternehmens auch das größte Hüttenwerk Zentralasiens, eine Bergbau-Verarbeitungsanlage, vier Eisenerzunternehmen, zwei Heiz- und Kraftwerke, ein Rohrwerk und mehrere Hilfsunternehmen. Diese wurden Mitte der 90er Jahre im Zuge der Privatisierungskampagne sehr günstig übernommen. In vielen dieser Anlagen gab es in der Vergangenheit Sicherheitsprobleme und tödliche Unfälle.

Das aktuelle Grubenunglück ist nicht das erste in der jüngeren Geschichte Kasachstans, aber das tödlichste. Seit 2006 haben mehr als 150 Menschen bei der Arbeit für Unternehmen der AMT-Gruppe ihr Leben verloren. Allein im Jahr 2022 kam es in verschiedenen Unternehmen und Minen von ArcelorMittal Temirtau zu sechs tödlichen Vorfällen – bei denen 13 Menschen starben. Die jüngste Tragödie ereignete sich im August 2023: Fünf Arbeiter starben in der Kasachstanskaja-Mine, als ein Förderband Feuer fing. Die Regierungskommission stellte ein „100-prozentiges Verschulden des Arbeitgebers“ fest.

In einer nach der Explosion in der Kostenko-Mine erfolgten Erklärung des Unternehmens vom 29. Oktober erwähnt AMT, dass „das Unternehmen erhebliche Anstrengungen unternommen hat, die seit 2020 noch verstärkt wurden, um die Sicherheitsleistung im Betrieb von ArcelorMittal Temirtau zu verbessern.“ Doch dies scheint ein ziemlich markaberer Versuch zu sein, das Image des Unternehmens wiederherzustellen, indem man die „komplexe Geologie“ der Minen für ihren erschwerten Betrieb verantwortlich macht. Dabei wurde in den letzten Jahren immer wieder auf die Sicherheitsprobleme hingewiesen. Arbeiter aus dem Gebiet Qaraģandy, in dem sich die Minen befinden, versuchten kontinuierlich, die Arbeitsbedingungen zu verbessern und erwähnten in ihren Appellen die Profitorientierung des Unternehmens unter Missachtung der Sicherheit.

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Aber nicht allein die Minen sind gefährlich. Unfälle in den Fabriken sind weithin bekannt, obwohl das Unternehmen nie diesbezüglich Stellungnahmen abgegeben hat. Im Jahr 2018 kam es in drei Fällen zum Einsturz von Dächern und Bodenplatten in Fabriken, zum Einsturz der Wände eines Kohlelagers und zu einer massiven Explosion einer Gaspipeline – alle im Besitz von AMT und seinen Tochtergesellschaften. 2019 stürzte ein Teil des Daches im Hüttenwerk ein, 2021 folgte der Einsturz von zwei Bodenplatten mit einer Gesamtfläche von 72 Quadratmetern. Zwar gab es hierbei keine Toten oder Verletzte, aber die Einstellung des Unternehmens zur Sicherheit der Arbeitnehmenden hat sich nicht verbessert.

ArcelorMittal wurde wegen Fahrlässigkeit, Nichteinhaltung von Sicherheitsvorschriften, Nichteinreichen der obligatorischen Steuererklärung und Umweltverschmutzung fortlaufend mit Strafen belegt. Im November 2022, nach einer weiteren Katastrophe, bei der fünf Arbeiter ums Leben kamen, erwähnte Kasachstans Präsident Qasym-Jomart Toqaev, dass das Unternehmen systemische Probleme habe und dass „sich trotz wiederholter Warnungen und Anweisungen staatlicher Behörden die Situation nicht verbessert.“

Auf der Suche nach einem inländischen Investor

Bei dem Treffen mit Familienangehörigen der verunglückten Bergleute erklärte Präsident Toqaev am 28. Oktober, dass die Regierung sich aus der Zusammenarbeit mit ArcelorMittal Temirtau zurückziehen werde: „Ich habe angeordnet, die Investitionskooperation mit ArcelorMittal Temirtau zu beenden. Dieses Unternehmen hat sich in Bezug auf die Zusammenarbeit zwischen der Regierung und Unternehmen als das schlechteste in unserer Geschichte erwiesen.“ AMT veröffentlichte am 28. Oktober eine Erklärung, in der das Unternehmen bestätigte, dass es „kürzlich eine vorläufige Vereinbarung für eine Transaktion unterzeichnet hat, die die Eigentumsübertragung an die Republik Kasachstan vorsieht.“

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Die Regierung erklärte außerdem, dass „eine spätere Übertragung der AMT-Gruppe an andere ausländische Investoren nicht in Betracht gezogen wird“. Langfristig plant der Staat jedoch keine Investitionen in die Entwicklung des Unternehmens. „Wir haben nicht vor, dass der Staat Eigentümer wird und Haushaltsgelder investiert. Wir müssen einen privaten Investor gewinnen, und dieser muss in den nächsten drei Jahren mindestens 3 Milliarden Dollar investieren. Ohne solche Investitionen wird sich das Unternehmen nicht normal entwickeln können“, sagte Premierminister Álihan Smaılyov vor dem kasachstanischen Parlament Májilis. 1,3 Milliarden Dollar müssen sofort investiert werden, um „die Lösung von Arbeits- und Arbeitssicherheitsproblemen, die Modernisierung aller Anlagen und den Ausbau der Produktion“ sicherzustellen.

Das Unternehmen bleibt vorerst Staatseigentum. Der Präsident ernannte Vadim Basin, stellvertretender Leiter des Gebiets Qaraģandy, zum Leiter der Kohleabteilung von ArcelorMittal Temirtau.

Anna Wilhelmi für Novastan

Aus dem Englischen von Robin Roth

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