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Kasachstan: Zunehmende Streiks gegen Leiharbeit im Ölsektor

Der Arbeitsmarkt in Kasachstan weist viele strukturelle Probleme auf, die sich auch in der wachsenden Anzahl von Streiks widerspiegeln. Eins davon ist die Einstellung von Arbeitnehmern über Vermittlungsfirmen, wodurch Unternehmen niedrigere Löhne zahlen und die Personalverantwortung ‚outsourcen‘. Von Seiten der Behörden sind kaum Gegenmaßnahmen in Sicht. Folgender Artikel erschien in voller Länge am 1. Oktober 2021 bei Vlast.kz.  

Vlast 

Oelbohrinsel
Ölbohrinsel (Illustrationsbild)

Der Arbeitsmarkt in Kasachstan weist viele strukturelle Probleme auf, die sich auch in der wachsenden Anzahl von Streiks widerspiegeln. Eins davon ist die Einstellung von Arbeitnehmern über Vermittlungsfirmen, wodurch Unternehmen niedrigere Löhne zahlen und die Personalverantwortung ‚outsourcen‘. Von Seiten der Behörden sind kaum Gegenmaßnahmen in Sicht. Folgender Artikel erschien in voller Länge am 1. Oktober 2021 bei Vlast.kz.  

Die Streiks im Ölsektor in Kasachstan haben sich in letzter Zeit gehäuft. Bei den Aktionen sieht man vor allem viele Arbeitnehmer, die von Outsourcing-Unternehmen und Personalvermittlungsagenturen eingestellt wurden. Im April dieses Jahres streikten zum Beispiel die Beschäftigten der Fircroft Engineering Group, einer von der Ölbohrfirma Burǵylaý beauftragten Personalvermittlungsagentur. Die Beschäftigten von West Oil Software, einem Outsourcing-Unternehmen, das mit Mańǵistaýmunaıgas und anderen großen Unternehmen zusammenarbeitet, haben Ende August gestreikt.

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Motiviert waren die Aktionen dadurch, dass Leiharbeiter im Vergleich zu direkt beschäftigten Arbeitnehmern zu niedrigeren Löhnen und unter schlechteren Arbeitsbedingungen tätig sind. Auf dem Weg versuchen die Ölgesellschaften dank niedrigerer Lohnkosten und Sozialabgaben höhere Gewinne zu erzielen.

Ein weltweiter Trend

Diese Vorgehensweise ist nicht nur in Kasachstan zu beobachten. Sie entspricht einer Form der Arbeitspolitik, die seit dem Ende der 1970er von multinationalen Unternehmen gefördert wird. In dieser Zeit begann man weltweit eine Form des Arbeitsrechts aufzugeben, die Vollbeschäftigung und lange Arbeitszeiten im Gegenzug für soziale Garantien – Sozialleistungen, kostenlose Medizin, hochwertige Bildung, Urlaubsgeld und hohe Renten – vorsah. Stattdessen begannen die Unternehmen, auf flexiblere Formen der Beschäftigung zu setzen. Die Grundsätze dieser Politik waren durch die Ideologie des Neoliberalismus vorgegeben.

Demnach ist die Freiheit der Märkte und der privaten Unternehmen, insbesondere in Bezug auf die Arbeitsbeziehungen, die effizienteste Art der Ressourcenverteilung in einer Volkswirtschaft. Sie erklärt die freiwillige Zustimmung jeder Partei zu den Bedingungen eines bilateralen Abkommens, wobei davon ausgegangen wird, dass die Rechte und der Informationssgrad jedes Beteiligten gleich sind. Mit der Einführung neuer Beschäftigungsformen ist die Verhandlungsmacht der Arbeitnehmer jedoch geschwächt worden. Um die Arbeitskräfte zu flexibilisieren, haben die Unternehmen nicht nur die sozialen Garantien reduziert, sondern auch begonnen, bei der Einstellung auf Vermittler zurückzugreifen. Bei den Vermittlern handelt es sich um Personalvermittler und Outsourcing-Unternehmen: Erstere vermitteln ausschließlich Arbeitskräfte, während Outsourcing-Unternehmen ganze Geschäftsprozesse des Unternehmens übernehmen. Durch die Unterzeichnung eines Arbeitsvertrags mit Personalvermittlungs- und Outsourcing-Unternehmen üben die Arbeitnehmer ihre Tätigkeit im Kontext des Kundenunternehmens aus, werden aber als Freiberufler betrachtet.

Paolo Sorbello, der zu Arbeits- und Industriebeziehungen in Kasachstan forscht, schreibt, dass die Auslagerung von Arbeit weltweit auch mit der Unterdrückung verschiedener Formen von Arbeitnehmervereinigungen einhergeht. Die Arbeitgeber haben die Fähigkeit der Menschen untergraben, kollektive Forderungen zu formulieren, indem sie den Freiberuflern damit drohten, dass die Outsourcing-Unternehmen und Personalvermittlungsagenturen sie arbeitslos machen würden. Diese Drohungen gingen mit zunehmenden Angriffen auf die Gewerkschaften einher. Die Verbreitung von Leiharbeit und die sich verschlechternde Situation von einst fest angestellten Arbeitnehmern führen zu regelmäßigen Streiks.

Die Forscher Asa Maron und Michael Shalev beschreiben, wie israelische Gewerkschaften bei einem viertägigen Streik 2011 den Übergang zur Direktbeschäftigung forderten. Sie erreichten die Angleichung der Löhne und der sozialen Garantien zwischen Vollzeitbeschäftigten und ausgelagerten Arbeitnehmern sowie die direkte Übernahme der meisten Arbeitnehmer. Seit Juli 2021 finden auch eine Reihe von Massenstreiks im Iran statt, von denen die Beschäftigten von Outsourcing-Unternehmen betroffen sind, die rund 117 Ölraffinerien im Land bedienen. Infolge solcher Streiks haben einige Länder Beschränkungen für die Tätigkeit von Outsourcing- und Personalvermittlungsunternehmen eingeführt. So haben beispielsweise Slowenien und Spanien im Jahr 2016 Leiharbeit in gefährlichen Branchen verboten. In Schweden wurde den Gewerkschaften das Recht eingeräumt, ein Veto gegen den Einsatz von Arbeitskräften von Outsourcing- und Personalvermittlungsunternehmen einzulegen, während in Italien in Tarifverträgen geregelte Quoten für deren Einstellung festgelegt wurden.

Kasachstans Öl sucht Arbeiter

Nach der Unabhängigkeit brachten multinationale Unternehmen neue Beschäftigungs- und Vertragsformen auf den Arbeitsmarkt in Kasachstan. Darunter waren auch verschiedene Praktiken zur Kostenoptimierung wie die Einstellung von Arbeitnehmern durch Outsourcing. „Der kasachstanische Staat wurde durch die Verdrängung unabhängiger Gewerkschaften und die Entwicklung einer konzernfreundlichen Arbeitsgesetzgebung zum ‚Antriebsriemen‘ für die Gewinnmaximierung der Ölgesellschaften, von der globalen bis zur lokalen Ebene“, meint Paolo Sorbello, der dieses Jahr seine Dissertation zum Ölsektor in Kasachstan verteidigt hat.

Mit dem Beginn der Privatisierung in den 1990er Jahren begann auch die Auslagerung der Dienstleistungsbereiche großer Ölgesellschaften. Wie Sorbello erklärt, wurden entsprechende Ausschreibungen auf undurchsichtige Weise zwischen Eliten organisiert, die dem Management der Ölgesellschaften nahestanden. Parallel dazu wurden Personalvermittlungsagenturen eingesetzt, um hochqualifizierte ausländische Arbeitskräfte anzuwerben.

Arbeiter Tengis Öl
Arbeiter auf einer Bohrinsel auf dem Teńiz-Feld

Dieser Trend änderte sich in den 2000er Jahren, als mit der Schaffung der notwendigen Infrastruktur in Kasachstan internationale Personalvermittler in den Markt eintraten. Sorbello weist darauf hin, dass Personalvermittlungsfirmen seit Anfang der 2000er Jahre landesweit zwischen 10.000 und 20.000 Personen beschäftigt haben und von den drei größten Ölproduzenten eingesetzt werden: Teńizshevroıl (Betreiber des Teńiz-Feldes), North Caspian Operating Company N.V. (NCOC- Betreiber von Qashaǵan) und Karachaganak Petroleum Operating (Betreiber von Qarashyǵanaq). Gleichzeitig blieb der rechtliche Status dieser Arbeitnehmer bis 2020 undefiniert, so dass sie von ihren Arbeitgebern bei der Entlohnung oft benachteiligt wurden. Laut Sorbello war das Lohngefälle eine der Hauptursachen für Arbeitskonflikte in den 1990er Jahren. Dank der steigenden Ölpreise begannen die Löhne der Arbeitnehmer Anfang der 2000er Jahre zu steigen. Die Verbesserungen waren jedoch nur von kurzer Dauer, und schon bald gingen die Konflikte mit neuem Elan weiter.

Ungleichheit und soziale Spannungen

Wie der Forscher erklärt, führte die Umstrukturierung der überbesetzten Ölgesellschaften zu einer neuen Welle von Spannungen bei den Arbeitnehmern. Dies geschah, nachdem KazMunaiGas Exploration Production (KGM EP) zu einem an der kasachstanischen und der Londoner Börse notierten Aktienunternehmen geworden war. Entscheidungen der Aktionäre, von denen der größte nach wie vor die staatliche Firma KazMunayGas ist, hatten erhebliche Auswirkungen auf die Beschäftigten, darunter die Streichung zahlreicher Arbeitsplätze. Vor diesem Hintergrund forderten bereits im Jahr 2009 rund 600 Beschäftigte des Ölfelddienstleisters Burǵylaý die Verstaatlichung des Unternehmens durch Eingliederung in die KazMunayGas National Company. Die Umstrukturierung der Ölgesellschaften war auch ein entscheidender Grund für die Arbeiterproteste in Jańaózen im Jahr 2011.

In den 2000er Jahren wurden strukturelle Abteilungen von Ózenmunaıgas unter dem Vorwand der Optimierung abgestoßen. Den Beschäftigten wurde gesagt: ‚Ihr geht zu privaten Unternehmen, werdet aber für uns arbeiten, und das Lohnniveau und das Sozialpaket bleiben gleich.‘ Einige Jahre später sahen die Leute, dass ihre [Gehälter] nach der Umstellung gesunken waren, und der Personalabbau begann. Die Menschen merkten, dass sie betrogen worden waren. Dann begannen die Streiks“, erläutert der Sozialaktivist Muhtar Umbetov. Infolge der dramatischen Ereignisse in Jańaózen wurden rund 2.000 Mitarbeiter der Ölfirmen Qarajanbasmunaı und Ózenmunaıgas entlassen. Um die Situation zu stabilisieren, stellte die Regierung im Januar 2012 die entlassenen Arbeitnehmer über zwei eigens gegründete Dienstleistungsunternehmen ein. Die Unternehmen hatten neben ihrer sozialen Funktion auch die Aufgabe, die revoltierenden Arbeiter zu desorganisieren. Sie boten den Arbeitnehmern keine Tarifverhandlungen an und entzogen ihnen damit die Grundlage für die Formulierung kollektiver Interessen.

Im Jahr 2014 versuchte KMG EP erstmals durch ein einheitliches Entgeltsystem für alle internen Abteilungen die Lohnunterschiede zwischen Unternehmen auszugleichen. Gleichzeitig forderten Angestellte der Dienstleistungsunternehmen von KMG EP eine direkte Anstellung, da einige Punkte der neuen Regelungen nicht für sie galten. Die Beschäftigten privater Ölfeld-Dienstleistungsunternehmen stellten ähnliche Anträge. Sie fielen nicht unter das neue Tarifsystem, obwohl sie auch für KMG EP arbeiteten. Infolge der Streiks bot ihnen die nationale Gesellschaft ein eigenes Lohnsystem an.

Personalkürzungen nach niedrigen Ölpreisen

Hinzu kamen Personalkürzungen im Jahr 2016, die auf den mehr als zweifachen Rückgang der Ölpreise zwei Jahre zuvor zurückzuführen waren. Nach Angaben von Tamara Dúısenova, der damaligen Ministerin für Gesundheit und soziale Entwicklung, entließen die Öldienstleistungsunternehmen im Jahr 2016 bis zu 1.300 Mitarbeiter. Das Problem betraf auch Vollzeitbeschäftigte, die sich in Outsourcing-Unternehmen wiederfanden. So sahen sich beispielsweise 335 Beschäftigte des Ölfelddienstleisters NCOC mit Entlassungen konfrontiert, als ein anderes Unternehmen den Zuschlag für ihre Abteilung erhielt und daraufhin lediglich 282 von ihnen zu niedrigeren Löhnen einstellte. Nach Angaben der Arbeitnehmer wurden sie ohne jede Diskussion in dieses Unternehmen versetzt.

Auf solche Weise gewinnt alle fünf Jahre ein neues Unternehmen die öffentliche Ausschreibung und die Arbeitnehmer wechseln bei gleicher Arbeit lediglich das Logo auf ihrer Kleidung. Als Reaktion auf die Streiks gegen Personalkürzungen kündigte der ehemalige Vorsitzende von KazMunayGas, Saýat Myńbaev, das „KMG Oilfield Services Development Programme (5/50)“ an. So konnten Arbeitnehmer 50 Prozent ihrer Gehälter für die nächsten fünf Jahre erhalten, wenn sie freiwillig kündigten. Das Management des Unternehmens bezeichnete dieses Projekt als „sanfte Optimierung“ in Reaktion auf die Defizite der Ölfelddienstleister.

KazMunaiGas
Die Firmenzentrale von KazMunaiGaz in Nur-Sultan, Kasachstan

In der Tat ist der Markt für Ölfelddienstleistungen in Kasachstan in der Zeit nach der Krise 2015-2016 um 1,5 Milliarden US-Dollar (ca. 1,3 Milliarden Euro) auf 6 Milliarden (ca. 5,2 Milliarden Euro) zurückgegangen. Nach Angaben von Myńbaev hat KazMunayGaz in den letzten Jahren verlustbringende Ölfelddienstleistungsunternehmen mit 121 Milliarden Tenge (ca. 245 Millionen Euro) finanziell unterstützt. Infolgedessen wuchs das Volumen des Marktes im Zeitraum 2011-2019 von 1,8 Milliarden auf 8,9 Milliarden US-Dollar (von 1,55 auf 7,7 Milliarden Euro),  und befand sich jenseits des Vorkrisenniveaus. In den folgenden Jahren waren es nach Angaben der Nichtregierungsorganisation Echo weiterhin die Beschäftigten der Öldienstleistungsunternehmen, die die meisten Streiks initiierten. Sieben von elf Unternehmen, deren Beschäftigte streikten, waren in dem Sektor tätig.

Streiks trotz Reformen

Ölfelddienstleister sahen sich inmitten einer Pandemie mit einer neuen Krise konfrontiert. Nach Schätzungen von Deloitte ist der Markt für Ölfelddienstleistungen in Kasachstan bis 2020 wieder um 25 Prozent auf 6,7 Milliarden US-Dollar (5,8 Milliarden Euro) geschrumpft. Die Unternehmen beklagten sich über mangelnde Unterstützung durch die Regierung und eine schwindende Zahl von Verträgen mit Ölgesellschaften. Der damalige Energieminister Nurlan Noǵayev (2019-2021) sagte, dass in der Krise mehr als 3.500 Menschen in Ölfelddienstleistungsunternehmen entlassen wurden. Die Ereignisse fielen mit Änderungen der Arbeitsgesetzgebung zusammen, durch die Ende 2020 die Löhne für Vollzeitbeschäftigte und Freiberufler angeglichen wurden. Auch die sozialen Garantien und die Möglichkeit von Tarifverhandlungen wurden angepasst.

Laut der Regierung war eine solche Regulierung notwendig, um grobe Verstöße gegen die Rechte der Arbeitnehmer zu vermeiden. Die Proteste gingen aber weiter. Anfang 2021 streikten erneut Arbeitnehmer von Personalvermittlungs- und Outsourcing-Unternehmen. Die Beschäftigten der Fircroft Engineering Group beklagten, das Unternehmen wolle das neue Gesetz nicht befolgen: „Bei einem Treffen in der lokalen Regierung sagte uns der Leiter der Fircroft Engineering Group, Maxim Gubashev, unverhohlen, die Arbeitsverträge würden angepasst, um die Änderungen des Arbeitsgesetzes zu umgehen“, betonte ein Vertreter der Vermittlungsagentur. „Diese [Gesetzesänderungen] spielen eine unbedeutende Rolle. Kein Arbeitgeber wird diesen Anforderungen nachkommen. Daher diese Streiks, um Einhaltung der Gesetze zu fordern,“ erklärt Andrei Prigor, Vorsitzender des republikanischen Gewerkschaftsverbandes SPK Amanat.

Er kritisiert auch die Passivität der Gewerkschaften: „Sie hätten als erste reagieren und die Geschäftsführungen auf die Gesetzesänderungen hinweisen müssen. Das haben sie nicht getan. Das ist der Grund für die spontanen Streiks“. Später schlossen sich auch Beschäftigte von Öldienstleistungsunternehmen, die durch Outsourcing-Kampagnen aus der Belegschaft entfernt wurden, den Streiks an. Die Beschäftigten von West Oil Software, die im August protestierten, schilderten, wie sie 2018 von der Transport Oil Corporation ausgeschlossen wurden und in das jetzige Unternehmen wechselten, wo bei gleicher Arbeitslast ihre Gehälter halbiert wurden. Laut dem Sozialaktivisten Muhtar Umbetov geht es den Streikenden nicht nur um die Gehälter, sondern auch um die Stabilität der Arbeitsplätze. So verlangten die Mitarbeiter des Outsourcing-Unternehmens Industrial Service Resources nicht nur eine Lohnerhöhung für die 70 Mitarbeiter, die noch nicht den Vollzeitbeschäftigten gleichgestellt waren, sondern auch, dass Qarajanbasmunaı alle direkt in sein Personal aufnimmt, da dies einen größeren sozialen Schutz bietet. Die Redaktion von Vlast.kz schätzt, dass es seit Anfang 2021 mindestens 24 Streiks bei Ölunternehmen gegeben hat. Im Juli streikten in Jańaózen bis 500-600 Beschäftigter aus zehn Unternehmen gleichzeitig.

Obwohl vor allem Angestellte von Personalvermittlungsagenturen bei den Protesten zu sehen waren, wurden sie von Mitarbeitern von Outsourcing-Firmen vorangetrieben, so Sorbello: „Tatsache ist, dass zwei Arbeitnehmer, die von verschiedenen Vermittlungsagenturen eingestellt wurden, für dasselbe Unternehmen arbeiten können, ohne zu wissen, wer ihr Arbeitgeber ist. Vertreter von Outsourcing-Unternehmen arbeiten in einem Unternehmen zusammen und können sich daher leichter für Streiks zusammenschließen“. Arbeitgeber nehmen häufig eine autoritäre Haltung gegenüber Demonstranten ein. Die Fircroft Engineering Group beantragte beim Stadtgericht Jańaózen, den Streik für illegal zu erklären. Zuvor hatte das Bezirksgericht Qaraqiıa auf die Klage der Geschäftsführung von West Oil Software hin eine solche Entscheidung getroffen, woraufhin man begann Arbeitnehmer zu verklagen. Viele Arbeitnehmer versammelten sich einen Monat lang, um auf die Erfüllung ihrer Forderungen zu warten. Die Beschäftigten von West Oil Software warteten 18 Tage auf eine Entscheidung, während Beschäftigte von Techno Trading LTD drei Wochen lang streikten.

Unzureichende Gegenmaßnahmen

Darüber hinaus versuchten die örtlichen Behörden und die Unternehmensleitungen alles, um Arbeitnehmer an der Selbstorganisation zu hindern. Die Demonstranten waren empört darüber, dass ihre Gewerkschaftsarbeit gerichtlich unterbunden wurde und die Unternehmensleitung unter Berufung auf ähnliche Fälle den Gewerkschaften nicht erlaubte, die Rechte der Arbeitnehmer zu schützen. Einige Unternehmen, wie etwa Qarajanbasmunaı, machten Zugeständnisse: die Löhne von 44 Arbeitern der Ölbohrstätte wurden angeglichen, und die Firma erklärte ihre Bereitschaft, Lohnarbeiter direkt anzustellen.

Die Beschäftigten von West Oil Software erhielten eine Lohnerhöhung von 36 Prozent, wobei der Lohn nicht gänzlich an das Niveau der Vollzeitbeschäftigten des Auftraggebers Transport Oil Corporation angeglichen wurde. Doch in jedem der Fälle wurden die Forderungen der Arbeitnehmer nur zum Teil erfüllt. Die Arbeitnehmer waren gezwungen, diese Angebote anzunehmen, weil sie nicht in der Lage waren, ihre Proteste fortzusetzen. Solche Zugeständnisse können jedoch kein Indiz dafür sein, dass sich der Arbeitgeber an das Gesetz hält, so der Gewerkschaftler Prigor.

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Die Öldienstleistungsunternehmen selbst beschäftigen heute etwa 150.000 Menschen in Kasachstan. Darunter sind nur 55.000 Menschen direkt im Öl- und Gassektor beschäftigt. Im September wurde außerdem bekannt, dass etwa 50 Bohrunternehmen nach Ablauf der Verträge in Qarashyǵanaq Personal entlassen haben. Über 1.700 Menschen verloren ihren Arbeitsplatz. Weitere 9 Unternehmen planen bis Ende des Jahres die Entlassung von 482 Mitarbeitern. Auf einer kürzlich abgehaltenen Sitzung im Gebiet Mańǵystaý erklärte Präsident Qasym-Jomart Toqaev, dass bis zu 1.500 Beschäftigte im Ölfeldservice ihren Arbeitsplatz verlieren könnten. Er wies darauf hin, dass ein großer Teil der Arbeitskonflikte in den Tochtergesellschaften von KazMunayGas stattfindet, und sagte, dass viele Manager privater Unternehmen die Beschäftigten zum Streik provozieren, weil sie nicht bereit seien ihre Gehälter zu zahlen.

Um das Problem in den Griff zu bekommen, ordnete Toqaev die Einrichtung einer „abteilungsübergreifenden Zentrale“ an, die sich um die entlassenen Arbeitnehmer kümmern sollte. Solche Reaktion auf die Folgen der Entlassungen werden jedoch nichts an dem grundlegenderen Problem ändern. Die Streikenden fordern weiterhin direkte Arbeitsverträge und die Legalisierung von Gewerkschaften, wobei sie den Vorschlag des Staates, die Löhne an die der Vollzeitbeschäftigten anzugleichen, nicht für angemessen halten. Die mangelnde Bereitschaft des Staates, die strukturellen Mängel in den Beschäftigungsverhältnissen der Arbeitnehmer anzugehen, lässt nicht darauf schließen, dass die Proteste jemals enden werden.

Almas Kaisar Vlast.kz

Aus dem Russischen und Kürzungen von Florian Coppenrath

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